Kampf an vielen Fronten

Boeing-Aktie: Ist das 737-Debakel der Untergang für Boeing?

08.11.19 21:47 Uhr

Boeing-Aktie: Ist das 737-Debakel der Untergang für Boeing? | finanzen.net

Die Probleme mit dem Krisenflieger 737 Max kamen Boeing bereits jetzt teuer zu stehen. Derzeit arbeitet der Flugzeughersteller mit Hochdruck daran, die an den Boden gezwungenen Modelle wieder in die Luft zu bekommen. Doch der Konzern kämpft an vielen Fronten gleichzeitig.

Werte in diesem Artikel

• Boeing steht vor schwieriger Aufgabe
• 373 Max-Maschinen sollen bald wieder in den Dienst
• Boeing kämpft an mehreren Fronten

2019 ist für Boeing ein absolutes Krisenjahr: Nachdem nach zwei Flugzeugabstürzen die komplette Baureihe 737 Max an den Boden gezwungen und mit einem Flugverbot belegt wurde, brach der Konzerngewinn im dritten Quartal um mehr als die Hälfte ein. Unter dem Strich blieben nur 1,2 Milliarden US-Dollar in den Kassen des Konzerns. Und auch auf die Umsatzentwicklung schlug das Debakel um den Unglücksflieger massiv durch: Mit 20 Milliarden Dollar lagen die Erlöse im abgelaufenen Geschäftsquartal um 21 Prozent unter denen des Vorjahreszeitraums. Kein Wunder, hatten Fluggesellschaften doch weltweit ihre Bestellungen für die 737 Max-Reihe gestoppt oder gecancelt.

Verlorenes Kundenvertrauen ist schwer wieder aufzubauen

Boeing-Chef Dennis Muilenburg würde die Krise gerne abhaken und beteuerte jüngst in einer Anhörung vor dem Handelsausschuss des US-Senats, man habe Veränderungen an dem Flugzeug-Modell 737 Max vorgenommen, "die sicherstellen, dass Unfälle wie diese nie wieder passieren".

Doch der Flugzeugbauer könnte noch einen langen Weg vor sich haben, bis das Geschäft bei Boeing wieder in geordneten Bahnen läuft. Denn zunächst müssen die Max-Modelle erst einmal wieder in die Luft - was sich als schwieriger herausstellen könnte, als gedacht. Anfang 2020 sollen die Maschinen wieder bei den Fluggesellschaften im Einsatz sein - so der Plan. Doch viele Airlines dürften zunächst vor dem Problem stehen, Kunden davon zu überzeugen, dass die Unglücksflieger-Reihe inzwischen sicher ist.

Einige US-Fluggesellschaften haben bereits durchblicken lassen, dass ihre Kunden im Zweifel kostenlos auf andere Maschinen umbuchen könnten. Möglich ist dies aber nur, wenn die Flugunternehmen eine ausreichend große Flotte im Einsatz haben, um auf Ersatzflieger ausweichen zu können und wenn das gewünschte Flugziel tatsächlich zeitnah mit einer anderen Maschine angeflogen wird. Wer mit kleineren Fluggesellschaften fliegt, dürfte diese Option also kaum haben.

Darüber setzen Fluggesellschaften zumindest auf Transparenz: "Wir werden unseren Kunden gegenüber offen und ehrlich sein, dass sie mit einem Max fliegen", zitiert MarketWatch Ross Feinstein, einen Sprecher der American Airlines Group.

Boeing steht also vor der Mammutaufgabe, sein angekratztes Image zu reparieren und zeitgleich das Vertrauen von Fluggästen in die Qualität der Boeing-Flieger wiederherzustellen. Und dabei sind Flugkunden längst nicht die einzige Anlaufstelle, bei der Boeing Abbitte leisten muss: Der Vorsitzende des US-Handelsausschusses, Roger Wicker, hatte zuletzt betont: "Die 737 Max wird nur fliegen, wenn 99,9 Prozent der amerikanischen Öffentlichkeit und der amerikanischen Politik davon überzeugt sind, dass sie absolut sicher ist".

Boeing unter Zugzwang

Schafft es Boeing nicht, die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, geeignete Maßnahmen ergriffen zu haben, um die Sicherheit der Max-Reihe sicherzustellen, wird es eng für den Airbus-Konkurrenten. Denn die 737 Max war das meistnachgefragte Modell des Unternehmens, der erlittene Schaden durch das Flugverbot und verspätete Auslieferungen der Maschinen an Kunden sowie der Umbau der bereits ausgelieferten Maschinen, geht bereits jetzt weit in die Milliarden.

Weitet sich das Misstrauen der Fluggäste und der US-Politik auf andere Modellreihen von Boeing aus, wäre der Schaden wohl kaum noch zu beziffern. Gerät ein Flugzeugbauer in den Verdacht, beim Bau seiner Maschinen grundsätzlich nicht korrekt zu arbeiten, könnte dies im schlimmsten Fall tatsächlich das Aus für den US-Konzern bedeuten.

Boeing-Konzern kämpft noch an weiteren Fronten

Dabei ist das 737 Max-Debakel längst nicht die einzige Baustelle von Boeing. Erst vor wenigen Tagen hatte die australische Fluggesellschaft Qantas Airways nach der Entdeckung von Haarrissen in drei Maschinen des 737 Max-Vorgängermodells 737 NG mehrere baugleiche Flugzeuge einer Inspektion unterzogen. Bereits zuvor hatte die US-Luftfahrtaufsicht FAA eine dringliche Sonderprüfung angeordnet, woraufhin etliche 737 NG aus dem Betrieb genommen wurden.

Weitere Baustellen sind der Großraumjet 787 "Dreamliner" und der 777X. Für ersteren drosselt der Konzern ab Ende 2020 vorläufig die Produktion. Beim Großraumjet 777X wird die erste Auslieferung wohl wegen technischer Probleme nach hinten verschoben und nicht vor Anfang 2021 erfolgen.

Dass das Geschäft beim europäischen Rivalen Airbus unterdessen brummt, trägt ebenfalls kaum zur Genesung von Boeing bei. In den letzten Monaten waren Boeing-Kunden zu Airbus abgewandert, zwischenzeitlich verkaufen die Europäer mehr Flugzeuge als Boeing - Airbus ist drauf und dran, den US-Konkurrenten als größter Flugzeugbauer der Welt abzulösen. Während Airbus einen Megaauftrag nach dem anderen einsackt, haben die Amerikaner das Nachsehen.

Experten ziehen Reißleine für Boeing-Aktie

Keine guten Aussichten für Boeing, was sich auch in den Erwartungen der Börsenexperten widerspiegelt: UBS-Analyst Myles Walton hatte seine Empfehlung für Boeing von "Buy" auf "Neutral" geändert und das Kursziel von 470 auf 375 US-Dollar gesenkt. Ähnlich reagierte die Privatbank Berenberg, die ihr Preisziel von 440 auf 410 Dollar nach unten angepasst hat, nachdem die jüngsten Quartalszahlen desaströs ausgefallen waren. Und auch Jefferies sieht den fairen Wert der Boeing-Aktie nun nicht mehr bei 430 sondern bei 420 US-Dollar, hofft aber auf eine baldige Wieder-Inbetriebnahme der 737 Max Anfang 2020.

Redaktion finanzen.net

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Bildquellen: Ken Wolter / Shutterstock.com, Jordan Tan / Shutterstock.com

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