Ist Value tot?

Warum Warren Buffetts Value-Strategie in der Coronakrise nicht aufgeht

04.06.20 20:34 Uhr

Warum Warren Buffetts Value-Strategie in der Coronakrise nicht aufgeht | finanzen.net

Jahrzehntelang galt Warren Buffett für Value-Investoren als Lichtgestalt: Der 89-Jährige hat dem Investmentansatz Glanz verlieren und selbst damit Milliarden verdient. Doch während der Corona-Pandemie geht der Plan des Starinvestors nicht auf - tatsächlich weist Value Investment aber bereits deutlich länger Schwächen auf.

Werte in diesem Artikel

• Value-Aktien hinken hinter Wachstumsaktien her
• Corona-Krise spielt Value-Investoren nicht in die Karten
• Ist Value-Investing tot?



"Sei gierig, wenn andere ängstlich sind", ist einer der Leitsprüche von Starinvestor Warren Buffett. Mit dieser Methode - gepaart mit dem Value Strategie-Ansatz, den Benjamin Graham, Buffetts Mentor, entwickelt hat - hat das Orakel vom Omaha nicht nur selbst Milliarden verdient und seine Investmentgesellschaft Berkshire Hathaway zu einem der erfolgreichsten Unternehmen der Welt gemacht. Millionen von Investoren kopierten die Investmentstrategie des Altmeisters und fuhren damit lange Zeit sehr gut.

Value-Aktien laufen dem Markt hinterher

Doch wertorientiertes Anlegen funktioniert nur dann, wenn Investoren Titel ausfindig machen können, die an der Börse unter ihrem eigentlichen Wert gehandelt werden und für die die Zukunftsaussichten rosig sind. Billige Aktien gibt es allerdings bereits seit geraumer Zeit nur noch selten, der längste Bullenmarkt der Geschichte hat Aktienbewertungen in enorme Höhen getrieben. Seit Jahren dominieren Techtitel die Märkte. Aktien von Facebook, Amazon, Apple, Microsoft, Netflix oder Google werden von Value-Investoren aber häufig kritisch beäugt. Denn die so genannten Wachstumstitel sind aufgrund eines zu erwartenden starken Wachstums per se bereits hoch bewertet - kein Kaufargument für Verfechter der Value-Strategie.

Kein Wunder, dass Berkshire Hathaway in diesem Marktumfeld kein lohnendes Investment gefunden hat, stattdessen sitzt die Gesellschaft auf einem seit Jahren wachsenden riesigen Geldberg. Das Dilemma: Es gibt keine vielversprechenden Value-Aktien am Markt, die unter ihrem fairen Wert gehandelt werden und daher als Investment für Berkshire in Frage kommen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Buffett-Holding von Wachstumsaktien um Längen geschlagen wird: Techtitel liefen in den vergangenen Jahren Value-Aktien an der Börse den Rang ab. Das räumte zuletzt auch George von Wyss ein, ein Fondsmamanager, der als Partner beim in Zürich ansässigen Vermögensverwalter Braun, von Wyss and Müller auf die Buffett-Strategie setzt: "Der Value-Stil hat über die letzten Jahre relativ schlecht abgeschnitten. Seit 2014 haben großkapitalisierte Wachstumswerte, vor allem große US-Technologie-Aktien, und als solide geltende Dividendentitel das Rennen gemacht. Die zunehmende Beliebtheit des passiven Investierens sowie die Rücknahmen, die Value-Fonds erleben, verstärken diesen Trend zusätzlich."

Warum hat Buffett die Corona-Krise nicht genutzt?

Was es bräuchte, wäre ein breiter Rückgang der Kurse am Aktienmarkt, damit Anteilsscheine für Value-Investoren wieder attraktiv werden. Einen solchen Crash gab es erst vor wenigen Wochen, als die Corona-Pandemie und die Sorge um deren Auswirkungen - gepaart mit Konjunktursorgen - die Märkte einbrechen ließen. Ein eigentlich ideales Marktumfeld für Warren Buffett & Co. - doch der Starinvestor nutzte die Chance zum Nachkauf oder Einstieg nicht. Stattdessen stieg das Barvermögen von Berkshire Hathaway auf 137 Milliarden US-Dollar und damit auf einen neuen Rekordwert.

Am Markt wurde darüber spekuliert, warum Buffett auffallend passiv an der Seitenlinie stand, obwohl Aktien im März so günstig waren, wie seit langer Zeit nicht. Möglicherweise hofft der Investor auf eine noch bessere Chance, die Lage der Märkte inmitten des Corona-bedingten Absturzes überzeugte ihn jedenfalls nicht: "Wir sehen nichts besonders Attraktives", so der Starinvestor im Rahmen der letzten Berkshire-Hauptversammlung. "Käme jemand zu mir ins Büro und würde mir ein passendes Investment für 30, 40 oder 50 Milliarden Dollar vorschlagen, wäre ich bereit. Wir könnten sofort handeln, wenn es uns gefällt. Aber wir haben nun einmal noch nichts gefunden, das uns wirklich gefällt."

Marktumfeld für Value-Investoren alles andere als gut

Neben der Tatsache, dass Aktien auch nach dem Absturz im März im historischen Vergleich weiter teuer waren und seit dem Crash am Markt eine massive Erholungsrally eingesetzt hat, die einige Werte bis auf ihre Vor-Corona-Bewertungen und darüber hinaus getrieben hat, gibt es noch weitere Erklärungsversuche, wieso Value-Aktien auch in den vergangenen Jahren von Wachstumsaktien outperformt wurden und warum es auch zusehends schwieriger wurde, den breiten Markt zu schlagen.

Experten führten dafür häufig die wachsende Zahl an Aktienrückkäufen an, mit denen die Unternehmen in den letzten Jahren die Aktienkurse stützten. Viele Konzerne, darunter auch der Unternehmensriese Apple, nahmen für ihre Aktienrückkauf- und Dividendenprogramme sogar Geld auf, was das Niedrigzinsumfeld begünstigte. Doch die Aktienrückkäufe wirken sich auf die Bilanzen der Unternehmen aus, erst 2018 hatte Buffett den Buchwert, eine bis dahin zentrale Kenngröße bei Berkshire-Investments, ad acta gelegt.

Und auch die Geldpolitik der Notenbanken hat es Value-Investoren zuletzt alles andere als leicht gemacht: Die Währungshüter fluten die Märkte mit billigem Geld, zudem werden die Zinsen niedrig gehalten. Zuletzt hatte etwa die Fed mit beispiellosen Aktionen versucht, die Folgen der Corona-Pandemie auf die Wirtschaft zumindest abzufedern. Das bekam auch Warren Buffett zu spüren, wie bei der Berkshire-Hauptversammlung erklärte: Bevor die Fed in Erscheinung trat und beispiellose Konjunkurpakete verkündete, habe Berkshire Hathaway Unterstützungsanfragen erhalten, so Buffett. "Es gab eine Zeit, kurz bevor die Fed handelte, da bekamen wir Anrufe", so der Milliardär im Rahmen des Aktionärstreffens. "Es waren keine attraktiven Anrufe, aber wir bekamen Anrufe. Und die Unternehmen, von denen wir Anrufe erhielten, konnten nach dem Handeln der Fed offen auf dem öffentlichen Markt Geld zu Bedingungen erhalten, die wir ihnen nicht hätten geben können", so der Investor weiter.

Ist Value wirklich tot?

Cliff Asness, Mitgründer des Hedgefonds AQR, seinerseits selbst Verfechter der Value-Strategie, will nun noch andere Gründe dafür ausgemacht haben, wieso Buffetts Value-Strategie inmitten der Corona-Krise nicht (mehr) funktioniert und wieso sie bereits in den vergangenen Jahren underperformte. In einem Blogpost erklärte er, dass es sei ein "allgegenwärtiges Phänomen", dass Investoren bereit seien, mehr Geld für Aktien auf den Tisch zu legen, die sie lieben, als für jene Titel, die sie hassen. Anleger würden "dies auf eine sehr diversifizierte Art und Weise über die ganze Bandbreite der Aktien" hinweg tun, so der Experte weiter. Diese Fehleinschätzung werde sich aber wieder legen. Er sei jederzeit bereit, bei einer Wette auf den Tod von Value-Aktien die gegensätzliche Position einzunehmen.

Er selbst hält Value-Aktien zumindest mittelfristig für die Titel mit den besten Aussichten. "Wir glauben, dass die mittelfristigen Gewinnchancen jetzt ziemlich dramatisch auf der Seite von Value-Aktien liegen". Die Unterbewertung der Titel sei nicht zu rechtfertigen. "Es war sicherlich qualvoll, bis hierher zu kommen, aber jetzt sind wir hier und die Zukunft sah noch nie billiger aus", schreibt Asness weiter.

Redaktion finanzen.net

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