Interview exklusiv

Wirtschaftsexperte Walk: "Ein Notfallpaket für die Märkte läuft schon"

07.07.15 15:00 Uhr

Wirtschaftsexperte Walk: "Ein Notfallpaket für die Märkte läuft schon" | finanzen.net

Edgar Walk, der Chefvolkswirt bei Metzler Asset Management, über Ansteckungsgefahren der Hellas-Krise für Europa und Hilfen im Hintergrund.

von Alexander Sturm, Euro am Sonntag

€uro am Sonntag: Glauben Sie, dass die Griechenland-Krise auf die Eurozone überspringen kann?
Edgar Walk:
Die Renditen zweijähriger Staatsanleihen von Italien und Spanien sind gestiegen. Solche kurz laufenden Bonds sind oft ein Gradmesser für Solvenzängste. Es gibt aber keine Anzeichen für Stress im europäischen Bankensystem.

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Woran sehen Sie das?
Der Ted-Spread, der die Renditedifferenz zwischen dem Interbankensatz und Staatsanleihen mit sehr hoher Qualität misst, hat kaum reagiert. Stress im Bankensystem hätte die Folge, dass Banken einen höheren Aufschlag gegenüber sicheren Staatsanleihen zahlen müssten, um sich am Interbankenmarkt Geld zu leihen. Offenbar wirken die Liquiditätshilfen der EZB.

Ist die Eurozone heute wirklich stärker als zu Beginn der ­Schuldenkrise 2010?
2010 hatten Europas Banken große Engagements in Griechenland. Wäre das Land damals in die Staatspleite gerutscht, hätte man einige Banken retten müssen. Diese Gefahr ist heute gebannt.

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Wobei der Eurorettungsfonds EFSF nach wie vor zu klein ist, um große Euroländer wie Spanien oder Italien aufzufangen ...
Ja, aber heute kauft die Europäische Zentralbank mit ihrer Geldpolitik täglich Staatsanleihen aus der Eurozone. Mit ihrer stetigen Nachfrage nach Staatsanleihen sorgt sie für künstlich niedrige Renditen, was Ansteckungsrisiken auf andere Eurostaaten reduziert. Ein implizites Notfallpaket für die Märkte läuft also schon. Zudem stehen viele Peripherieländer heute viel besser da als 2010. Spaniens Wirtschaft wird dieses Jahr mit voraussichtlich knapp drei Prozent deutlich stärker wachsen als Deutschland.

2010 fürchtete man die Macht der Börsen. Diese Woche blieben sie eher zahm. Nach einem kurzen Einbruch stabilisierte sich der Markt schnell. Warum?
Es besteht Hoffnung, dass es beim Referendum am Wochenende eine Zustimmung zu den Sparmaßnahmen gibt. Dann könnte es erneut Verhandlungen mit den Gläubigern geben. Zudem könnte Griechenland selbst bei einer Ablehnung im Euro bleiben. Viele Investoren im DAX haben bisher hauptsächlich Derivate verkauft, um ihre Portfolios in einem geordneten Prozess abzusichern. Es gab bisher keine panikartigen Verkäufe von Einzelwerten.

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Wie groß ist die Ansteckungsgefahr über die Börsen hinaus für die Realwirtschaft?
Turbulente Börsen können Verunsicherungen bei Banken, Firmen und Konsumenten auslösen, die als Folge ihre Kreditvergabe- und Investitionsbereitschaft reduzieren. Daher sind psychologische Ansteckungs­effekte der Griechenland-Krise das größte Risiko für Deutschland. Der jüngste Rückgang des Ifo-Index könnte eine Zunahme von Verunsicherung ausdrücken. Ich halte jedoch die Ansteckungsrisiken für gering, ­solange Europas Bankensystem keine Stresssymptome zeigt.

Welches Signal hätte ein Grexit für andere Eurostaaten?
Ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone würde die Unveränderbarkeit der Währungsunion infrage stellen. Er könnte aber eine abschreckende Wirkung auf andere Euroländer haben. Nach einem Grexit würde es in Griechenland wahrscheinlich zu einer sehr hohen Inflation und einem Kollaps der Wirtschaft kommen. Das dürfte andere Länder disziplinieren und ihnen vor Augen halten, dass sie an Reformen festhalten müssen.

Anmerkung der Redaktion: Das Interview wurde vor dem griechischen Referendum geführt!

Bildquellen: B. Metzler seel. Sohn & Co., Julian Mezger für Finanzen Verlag