Innovativer Stahlhändler

Klöckner & Co: Chefsache Internet

01.11.14 16:00 Uhr

Klöckner & Co: Chefsache Internet | finanzen.net

Nach schwierigen Zeiten geht es bei Europas größtem Stahlhändler Klöckner & Co wieder aufwärts. Vorstandschef Rühl setzt auf Digitalisierung, damit sich dieser Trend fortsetzt.

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von Astrid Zehbe, Euro am Sonntag

Es geht beschaulich zu in der fünften Etage des alten Kreuzberger Gewerbehofs. An den Tischen des Großraumbüros brüten Gründer über ihren Geschäftsideen. Ab und zu rattern die Rollen der in die Jahre gekommenen Schreibtischstühle über den kahlen Betonboden, von den Decken baumeln notdürftig befestigte Lampen. Mittendrin: Gisbert Rühl, Chef von Europas größtem Stahlhändler Klöckner & Co (KlöCo). In seinem dunklen Anzug mit Einstecktüchlein wirkt der Manager wie ein Exot zwischen all den leger gekleideten Jungunternehmern.

Doch Rühl gehört zu ihnen: Für eine Woche hat der 55-Jährige sein Büro im Duisburger Silberpalais gegen einen Sechsertisch im Berliner Betahaus, dem Treffpunkt der Start-up-Szene, getauscht. Hier will er mit IT-Experten und Investoren an den Digitalisierungsplänen für KlöCo, dessen Umsatz 2013 mehr als sechs Milliarden Euro betrug, tüfteln - nicht nur um das Unternehmen für die Zukunft fit zu machen, sondern um den gesamten Stahlhandel zu revolutionieren.

Sein Projekt ist ehrgeizig, das weiß Gisbert Rühl. Er nippt an seinem Kaffee und erzählt von seinen Plänen: "Unser Ziel ist es zunächst, die Lieferkette so weit wie möglich ins Netz zu verlagern, sie zu digitalisieren." Daher will Rühl Bestellungen und Lieferungen künftig verstärkt online verwalten und den Kunden bis Ende 2015 ermöglichen, Stahl über Webshops zu kaufen. Um Käufer besser betreuen zu können, wird zudem ein internes Kundensystem eingeführt.

Effizienz dank Digitalisierung
Während digitalisierte Abläufe aus anderen Branchen nicht mehr wegzudenken sind, liegt die Stahlindustrie in Sachen Internet geradezu im Dornröschenschlaf. "Kunden schicken ihre Anfragen oft noch per Fax", erzählt Rühl schmunzelnd. Zudem werde Stahl mit einem Milliardenwert häufig um- und zwischengelagert, weil die Hersteller die Nachfrage nicht genau kennen und auf Halde produzieren. "Teuer und ineffizient" nennt Rühl die "Innovationsresistenz" seiner Branche.

Er sitzt an einem gelben Besprechungstisch, dessen Tischplatte nur lose auf zwei Holzböcken aufliegt. Rühl ist nicht auf der Suche nach sofortiger Perfektion. Schnelligkeit und Kundenorientierung sind ihm erst mal wichtiger: "Wir müssen Lösungen finden, die den Nutzen unserer Kunden maximieren", sagt er. Mit bedienerfreundlichen Bestell- und Organisationssystemen will er seine 146 .000 Käufer vom Stahlhandel im Internet überzeugen und langfristig an sich binden.

Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Kunden könnten bequem übers Internet bestellen und hätten eine größere Auswahl. Der Hersteller kann zielgerichteter produzieren, und Klöckner müsste weniger Stahl zwischenlagern. Am Standort in Regensburg testet KlöCo ein entsprechendes Onlinetool für Kunden.

Die Erfahrungen sind gut und Rühl ist optimistisch: "Wenn es uns gelingt, diesen Weg erfolgreich fortzusetzen, haben wir bald einen enormen Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenten." In fünf Jahren will KlöCo mehr als die Hälfte des Umsatzes über das Onlinegeschäft erzielen. Die Marge soll bis 2017 von aktuell drei auf fünf Prozent steigen - wobei ein Prozentpunkt von der Digitalisierung kommen soll.

Nach anfänglicher Skepsis ziehen nun auch Rühls Mitarbeiter mit: "Ich hab das Thema schnell zur Chefsache erklärt", sagt er. Das habe Vertrauen geschaffen. Darüber ist er froh, denn langfristig schwebt dem KlöCo-Chef noch Größeres vor: eine eigene Stahlhandelsplattform nach dem Vorbild von Amazon. Dort könnte jeder Käufer schnell und unter sofortiger Preisangabe den gewünschten Stahl bestellen - bei KlöCo, bei der Konkurrenz oder gar direkt beim Produzenten.

Dass sich der Stahlhändler damit selbst überflüssig macht, glaubt Rühl nicht, im Gegenteil: Als Händler könne er dank Lagermöglichkeiten und eigenem Lieferservice Aufträge häufig schneller und flexibler erfüllen als die Produzenten. Und als Vermittler würde KlöCo zudem bei allen abgewickelten Geschäften kräftig mitverdienen.

Gewinne dank Verarbeitung
Auch unabhängig von seinen Digitalisierungsplänen hat Rühl das Geschäftsmodell weiterentwickelt: Längst ist KlöCo nicht mehr nur ein reiner Stahlhändler. Immer öfter bietet das Unternehmen bereits zugeschnittene oder weiterverarbeitete Stahlteile - etwa Vorrichtungen für Anhängerkupplungen - an. Im brandenburgischen Velten hat die Firma ihren ersten 3-D-Laser installiert, mit dem Stahl passgerecht zugeschnitten werden kann. Der Kunde spart sich komplizierte Sägearbeiten und ist bereit, dafür einen höheren Preis zu zahlen, wovon wiederum KlöCo profitiert. Bis 2017 soll der Umsatzanteil mit höherwertigen Produkten und Anarbeitungsdienstleistungen von derzeit 30 Prozent auf 45 Prozent gesteigert werden.

Dass das Duisburger Unternehmen auf einem guten Weg ist, zeigt die Geschäftsentwicklung: Erstmals seit mehr als zwei Jahren wurden im ersten Halbjahr 2014 mit einem Nachsteuerergebnis von 13 Millionen Euro wieder Gewinne erwirtschaftet. Auch eine Dividende will KlöCo für 2014 wieder ausschütten: 20 Cent pro Wertpapier.

Dass die Aktie des Unternehmens dennoch nicht so recht vom Fleck kommt (siehe Investor-Info), hat viel mit der aktuellen Lage auf dem Stahlmarkt zu tun. Schlechte Konjunkturdaten und politische Krisen in vielen Ländern drücken auf die Stimmung. Vor allem mit Blick auf Europa ist der Vorstandschef nicht ganz so zuversichtlich: "Wir stellen seit Mitte September einen Stimmungsumschwung in der Wirtschaft fest." In Südeuropa und Frankreich verschlechtere sich die Situation besonders stark. "Ob die Nachfrage nach Stahl in Europa im nächsten Jahr tatsächlich um die von uns geschätzten zwei Prozent steigt, müssen wir abwarten", sagt Rühl.

Optimistischer ist er hingegen in Bezug auf die Vereinigten Staaten, wo KlöCo fast 40 Prozent seines Umsatzes macht - und vielleicht bald mehr. Der Stahlhändler geht davon aus, dass die Nachfrage 2015 zwischen vier und fünf Prozent wächst. Verbessere sich die Situation in Europa nicht, werde sich das Unternehmen verstärkt auf das US-Geschäft konzentrieren und dort wachsen.

"Die Amerikaner vom Handel im Internet zu überzeugen wird eine Herausforderung", meint Rühl. Er kennt den Markt gut und weiß um das Traditionsbewusstsein amerikanischer Stahlgiganten. Vor einigen Jahren war er dort, um die Start-up-Szene in Kalifornien kennenzulernen. Im Silicon Valley ließ er sich von der Kreativität und der pragmatischen Herangehensweise der dort ansässigen Unternehmer inspirieren, schnappte Ideen auf und war fest entschlossen, sie für sein Geschäft zu übernehmen.

Anschließend flog er noch zu einer Stahlkonferenz im US-Bundesstaat Colorado. Dort berichtete er von seinen Erlebnissen im Silicon Valley und blickte in verständnislose Gesichter. Ausgerechnet im technikbegeisterten Amerika war der Mann, der sich seine eigene Reise-App programmiert hat und seine Mitarbeiter mit eigenen Podcasts auf dem Laufenden hält, zwischen all seinen amerikanischen Kollegen und Wettbewerbern ein Exot.

Investor-Info

Stahlmarkt
Leichte Hoffnungszeichen

Auf dem Stahlmarkt war die Stimmung zuletzt durchwachsen. Nun kommen vermehrt positive Signale. In den USA steigt die Nachfrage dank gut laufender Wirtschaft. Auch in Europa hat sich der Bedarf erstmals seit 2011 wieder leicht erhöht. Analysten führen dies auf den Investitionsstau in Sachen Infrastruktur zurück, der nun zum Teil abgebaut wird. Dennoch: Viele Konjunkturindikatoren deuten noch immer auf eine Schwäche des Kontinents hin.

Klöckner & Co
Nur für Nervenstarke

Die Pläne, die Vorstandschef Gisbert Rühl mit Klöckner & Co hat, klingen vielversprechend. Zudem ist das Unternehmen gestärkt aus der Restrukturierung hervorgegangen. Gelingt es Rühl, den Kurs fortzusetzen, ist die Aktie langfristig ein interessantes Investment. Kurzfristig drücken Überkapazitäten am Stahlmarkt auf die Preise und Wirtschaftsprobleme auf die Nachfrage. Positiv für Klöckner ist dagegen der niedrige Euro. Nur für nervenstarke Anleger.

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Bildquellen: Klöckner & Co, SARIN KUNTHONG / Shutterstock.com

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