Hyänen oder Aufpasser?

Hindenburg Research, Fraser Perring & Co.: Haben Shortseller einen Nutzen für den Aktienmarkt?

14.08.24 06:23 Uhr

Shortseller wie Hindenburg Research und Fraser Perring: Welchen Nutzen haben sie für den Aktienmarkt? | finanzen.net

Shortseller haben unter Firmenlenkern oft keinen sehr guten Ruf - und auch viele Anleger dürften ihnen gegenüber eher negativ eingestellt sein. Denn die Leerverkäufer verdienen ihr Geld mit der Wette auf fallende Aktienkurse und sorgen mitunter selbst dafür, dass sich der Anteilsschein eines Unternehmens in die gewünschte Richtung bewegt. Doch laut Experten erfüllen sie mit ihrem Vorgehen eine wichtige Funktion am Markt.

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• Shortseller verkaufen geliehene Aktien und planen späteren Rückkauf zu tieferem Kurs
• Leerverkäufer wählen Unternehmen mit mutmaßlichen Problemen aus und machen Vorwürfe öffentlich
• Schlechter Ruf, aber wichtige Korrektur-Funktion



Leerverkäufer gelten laut "Neue Zürcher Zeitung" als "Hyänen der Börse" - schließlich verdienen sie Geld, wenn andere leiden oder gar zugrunde gehen. Denn das Geschäftsmodell der Shortseller ist eigentlich recht simpel: Sie leihen sich gegen eine Gebühr Aktien eines Unternehmens, verkaufen diese an der Börse und planen, sie später zu einem tieferen Preis wieder zurückzukaufen. Fällt der Aktienkurs des Unternehmens in der Folgezeit tatsächlich, können sie einen Gewinn in Höhe der Differenz zwischen Kauf- und Verkaufskurs - abzüglich der Leihgebühr - einstreichen. Sollte der Aktienkurs hingegen in der Zwischenzeit steigen, drohen ihnen beim Rückkauf hohe Verluste. Damit dies möglichst nicht passiert, suchen sich die Leerverkäufer, hinter denen laut "Handelsblatt" meist Hedgefonds stecken, ihre Ziele sorgfältig aus und nehmen die Unternehmen ins Visier, bei denen sie Probleme vermuten. Ihre Vorwürfe machen sie anschließend häufig öffentlich - und sorgen so oft selbst für den benötigten Kursrutsch. Aufgrund dieser Strategie ist das Geschäftsmodell der Shortseller laut "Tagesschau" umstritten und ihnen werden von Kritikern häufig unlautere Taktiken vorgeworfen - und von den betroffenen Unternehmen mit Ermittlungen und Klage gedroht. Doch Experten sind sich einig, dass solche Vorwürfe zu kurz gedacht sind und die Leerverkäufer tatsächlich eine wichtige Aufgabe am Markt übernehmen.

Shortseller in der Kritik: Streuen sie gezielt negative Gerüchte?

Ein großer Kritikpunkt am Vorgehen von Leerverkäufern ist, dass sie oft selbst auf den Kurs der geshorteten Aktie einwirken und fallende Kurse provozieren. So veröffentlicht etwa der Shortseller Hindenburg Research regelmäßig ausführliche Berichte zu seinen Short-Zielen - natürlich erst nachdem die entsprechende Aktie leerverkauft wurde - und bringt diese dadurch oft stark unter Druck. Kritisiert wird dabei häufig, dass Shortseller bei solchen "Smash and Grab"-Strategien ihre Positionen bereits mit Gewinn wieder schließen können, während den Vorwürfen noch nachgegangen wird. Diese müssen sich also nicht einmal bestätigen, damit der Short erfolgreich ist. Es reicht, wenn die Aktie zumindest kurzfristig abstürzt.

Dass Leerverkäufer aus reiner Spekulation Gerüchte streuen würden, sei jedoch ein verzerrtes Bild, sagte Michael Grote, Finanzprofessor an der Frankfurt School of Finance and Management, gegenüber "Tagesschau". In der Regel wird viel Zeit in die Recherche investiert - Hindenburg Research arbeitete nach eigenen Angaben jeweils rund zwei Jahre an seinem Bericht über den Zahlungsdienstleister Block oder die Adani-Gruppe - und häufig werden durch die angeblichen "Hyänen" tatsächlich Missstände aufgedeckt - so etwa im Fall Wirecard durch den Shortseller Fraser Perring. Ohne fundierte Analyse drohe den als Shortseller agierenden Hedgefonds laut Grote ein Imageschaden und sie wären dadurch zukünftig womöglich nicht mehr in der Lage, Geld von Investoren einzusammeln. Die Informationen der Leerverkäufer müssten verifizierbar sein, um die Marktteilnehmer zu überzeugen, sagte laut "Tagesschau" auch Christian Schlag, der an der Goethe Universität lehrt und dem Leibniz-Institut für Finanzmarktforschung SAFE angehört. Auch das "Handelsblatt" schreibt, dass es bislang keinen Fall einer sauberen und gesunden Firma gebe, die durch Shortseller in die Insolvenz getrieben worden sei.

Allerdings bedeutet das nicht, dass sich Leerverkäufer nicht auch irren können. Bei Tesla-Aktien haben sich die Shortseller in der Vergangenheit beispielsweise heftig verspekuliert und dadurch Milliarden verloren. Bei den Wetten gegen GRENKE und Nikola seien sie laut "Handelsblatt" über das Ziel hinausgeschossen, hätten aber dennoch einen Selbstreinigungs-Prozess initialisiert - und damit ihre wichtige Funktion für den Aktienmarkt erfüllt.

Leerverkäufer mit wichtiger korrigierender Funktion für den Aktienmarkt

Denn Experten sind sich einig, dass Shortseller an der Börse als wichtiges Korrektiv dienen. Laut Finanzprofessor Michael Grote seien sie das Bindeglied zwischen uninformierten Aktionären und Aufsichtsbehörden und würden bei Fehlfunktionen Alarm schlagen, wie er gegenüber "Tagesschau" sagte. Sie dienen somit als zusätzliche Aufpasser, die die Unternehmensbilanzen genau unter die Lupe nehmen und Ungereimtheiten öffentlich machen. Auch das "Handelsblatt" spricht davon, dass Shortseller die "Selbstreinigung der Märkte" unterstützen würden, und Alexander Wagner, Finanzprofessor an der Universität Zürich, sagte gegenüber der "Neue Zürcher Zeitung", dass Short-Selling dazu beitrage, dass auch wichtige negative Informationen in die Preisbildung mit einbezogen würden. "Der Aktienmarkt ist kein Kasino, sondern er muss primär aufzeigen, wie die Gewinnaussichten der kotierten Unternehmen aussehen", so Wagner. Dieser Ansicht ist auch Michael Grote, der gegenüber "Tagesschau" bekräftigte, dass allein die Möglichkeit des Leerverkaufs gegen eine Verzerrung der Aktienkurse helfe, da nur so verborgene Fakten in den Kurs eingepreist werden könnten.

Dass bei einem Leerverkauf mit Aktien spekuliert wird, die man nicht selbst besitzt, und die Shortseller zudem recht einseitig kommunizieren, sei laut "Handelsblatt" unwichtig. Auch viele Fonds würden Aktienkurse nur noch synthetisch nachbilden, ohne die Papiere tatsächlich zu halten, und Unternehmen ebenfalls einseitig kommunizieren. Dass die Shortseller die Risiken eines Geschäftsmodells hervorheben würden, sei somit ein unverzichtbares Korrektiv für die PR-Angaben eines Unternehmens.

Finanzökonomen nahmen laut "Neue Zürcher Zeitung" zudem Leerverkäufe während der Finanzkrise 2008 unter die Lupe und stellten dabei fest, dass diese zu mehr Liquidität und weniger Informationsasymmetrie geführt hätten. Shortseller hätten überbewertete Aktien außerdem oft zuerst entdeckt und eine schnelle Korrektur auf den fundamentalen Wert bewirkt. Ein Verbot von Leerverkäufen, wie es mancherorts gelegentlich gefordert wird, sei daher nicht hilfreich. Ähnlich sieht das offenbar auch die Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), die Short-Wetten gegenüber dem "Handelsblatt" als legitime Möglichkeit einstufte, die Erwartung fallender Kurse umzusetzen.

Redaktion finanzen.net

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Bildquellen: arka38 / Shutterstock.com, Viktoriia Hnatiuk / Shutterstock.com

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