Hohe Investitionen

VW-Aktie unter Druck: Volkswagen plant Fertigung von Elektro-SUV in Wolfsburg

07.12.22 16:19 Uhr

VW-Aktie unter Druck: Volkswagen plant Fertigung von Elektro-SUV in Wolfsburg | finanzen.net

Am zuletzt chronisch unterausgelasteten Stammsitz von Volkswagen soll ein weiteres Elektromodell die Beschäftigung absichern.

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Damit will der Konzern auch die teuren Verzögerungen in der Entwicklung eigener Software sowie beim künftigen Kernprodukt Trinity überbrücken. Angedacht sei ein vollelektrisches SUV für Wolfsburg, das die bestehende ID-Reihe "hervorragend ergänzen" könne, sagte VW-Markenchef Thomas Schäfer bei einer Betriebsversammlung am Mittwoch. Das Hauptwerk wird schon für einen Überlauf der Produktion des ID.3 aus Zwickau vorbereitet. Bis Anfang 2025 will Deutschlands größtes Unternehmen dafür nun etwa 460 Millionen Euro investieren.

Der jetzt ins Spiel gebrachte, zusätzliche Wagen soll auf einer Weiterentwicklung des E-Baukastensystems MEB basieren ("MEB plus"). "Unser Ziel ist es, die Plattform auf das nächste Level zu heben", erklärte Schäfer, der von der Tochter Skoda kam und Ralf Brandstätter als Kernmarkenchef im Sommer abgelöst hatte. Die ganz neu konzipierte und digitalisierte Plattform SSP für den Trinity bleibe gleichzeitig ein zentrales Vorhaben. "Der Start erfolgt entsprechend der zeitlich entzerrten Software-Entwicklung", hieß es. "Eine Entscheidung, wo das Fahrzeug in Wolfsburg gefertigt wird, ist noch nicht getroffen."

Die geplante Extra-Fabrik für den Trinity könnte nach Informationen aus Konzernkreisen auf der Kippe stehen. Alternativ ließe sich die Verzögerung nutzen, um Teile des Stammwerks umzurüsten. VW betonte aber, man halte sich auch die Neubau-Option bis auf Weiteres offen.

"Zusammen mit dem Betriebsrat arbeiten wir gerade intensiv daran", sagte Schäfer zu dem Elektro-SUV für die Zentrale. VW hatte vor allem wegen extremer Lieferengpässe bei Mikrochips und weiterer Elektronik deutlich weniger Fahrzeuge an vielen Standorten fertigen können - insbesondere Wolfsburg lag weit unter den einmal vereinbarten Zielen.

Schäfer ist außerdem für die Koordination des Massengeschäfts im Konzern mit den Marken Skoda, Seat/Cupra und VW-Nutzfahrzeuge zuständig. Er will die Komplexität der Modellvarianten und Arbeitsabläufe verringern, auch um bessere Renditen zu erreichen.

Die kommenden Monate dürften nach seiner Erwartung schwierig werden. "Der Start ins Jahr 2023 wird uns alles abverlangen", sagte Schäfer vor der Belegschaft. "Wir haben nach wie vor zu wenig Halbleiter und Teile, der Wettbewerb bleibt knallhart, Energie- und Rohstoffkosten belasten uns zusätzlich." Überdies bestehe die Gefahr, dass die Rekordinflation die Autonachfrage spürbar drückt. Schon das laufende vierte Quartal sei "wirklich schwierig", so der Manager. "Wir kämpfen darum, ein ordentliches Jahresergebnis für die Marke einzufahren."

Obendrein bekommt VW Druck von Tesla, den chinesischen Autobauern und dem selbstverschuldeten Verzug beim Thema Software. Letzteres hatte jüngst mit zur Ablösung von Herbert Diess durch den neuen Konzernchef Oliver Blume geführt. Ursprünglich sollte der Trinity im Jahr 2026 starten. Die Großserien-Plattform für 40 Millionen Fahrzeuge wird dem Vernehmen nach nun mindestens bis zum Ende des Jahrzehnts verschoben.

Im Frühjahr hatte der VW-Aufsichtsrat noch den Beschluss für einen separaten Standort getroffen. Begründung für die zwei Milliarden Euro schwere Investition war, dass die Hauptwerk-Umrüstung für Trinity bei fortlaufender Fertigung anderer Modelle zu kompliziert gewesen wäre. Nun werden Modell- und Software-Strategie doch noch mal umgekrempelt.

Die Töchter AUDI und Porsche AG mahnten mehrfach, sie könnten nicht bis zum Abschluss einer gänzlich neuen Programmversion 2.0 warten. Ihre Software wird daher als Version 1.2 parallel zum markenübergreifenden Konzept weiterverfolgt. Schäfer warnte am Mittwoch: "Die Kunden werden nicht warten, bis wir uns intern lange sortiert haben.

Wiedeking: Keine Kenntnis von Abgasmanipulationen bei Volkswagen

Im Musterverfahren gegen die VW-Dachgesellschaft Porsche SE (PSE) haben der frühere Vorstandschef Wendelin Wiedeking und der damalige Finanzvorstand Holger Härter jegliches Wissen von Abgasmanipulationen bei Volkswagen verneint. Die beiden früheren Manager erklärten am Mittwoch vor dem Oberlandesgericht Stuttgart, dies sei nie Thema im Aufsichtsrat bei Europas größtem Autobauer gewesen. In dem Rechtsstreit geht es um Schadenersatzklagen von PSE-Anteilseignern. Diese werfen dem Großaktionär von Volkswagen vor, zu spät über den Abgasskandal informiert zu haben.

Wiedeking sagte: "Ich hatte keine Kenntnis, dass Volkswagen nicht in der Lage gewesen sein sollte, einen auch den strengen US-Umweltvorschriften entsprechenden Dieselmotor zu entwickeln." Erst recht habe er keine Kenntnis davon gehabt, dass bei dem Unternehmen offenbar illegale Abschalteinrichtungen verwendet worden seien. Er habe erst 2015 aus der Presse von den Vorgängen erfahren, sagte der 70-Jährige, der auch Chef des Autobauers Porsche war. Er gehörte dem VW-Aufsichtsrat von 2006 bis 2009 an.

"Ich bin kein Freund des Dieselmotors", sagte Wiedeking weiter. Der damalige Finanzvorstand Holger Härter, ebenfalls ein früheres Aufsichtsratsmitglied von Volkswagen, sagte, bei der geplanten Übernahme der Wolfsburger durch den Sportwagenbauer sei der Dieselmotor nie Thema gewesen. Porsche habe einst auf Wunsch von VW-Patriarch Ferdinand Piëch ein Dieselmodell des Cayenne in sein Angebot aufgenommen. Härter beklagte rückblickend eine mangelnde Transparenz beim Rechnungswesen von VW. Dies sei sukzessive etwas besser geworden. Der 66 Jahre alte Härter und auch Wiedeking sind 2009 aus dem Konzern ausgeschieden.

Mit der Zeugenvernehmung der beiden Ex-Vorstände sollte geklärt werden, ob eine von einem Aktionär behauptete Entscheidung von Volkswagen im Juni 2008, mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattete Fahrzeuge mit Motor EA 189 zu verkaufen, für die Dachgesellschaft eine Insiderinformation darstellte - und ob deshalb eventuell gegen eine Veröffentlichungspflicht verstoßen wurde.

Die Kläger betonen, dass sie - im Unwissen über die Dieselbetrügereien - vor Jahren zu viel Geld für ihre PSE-Aktien bezahlt hätten. Ihre Argumentation: Wenn VW und dann auch die Holding die Märkte früher über den Skandal informiert hätten, hätte das auch früher den Aktienkurs gedrückt und sie hätten weniger für ihre Anteile bezahlen müssen. Die PSE hält die Klagen für "offensichtlich unbegründet". Man sei eine Beteiligungsholding und kein Autobauer. Daher sei man auch nicht mit der Entwicklung, Herstellung oder dem Vertrieb von auffällig gewordenen Dieselmotoren befasst gewesen.

Zum Musterkläger hatte das OLG einen britischen Fonds erklärt, der einen Anspruch von 5,7 Millionen Euro geltend macht. Der Prozess soll am 29. März 2023 mit einem Verkündungstermin fortgesetzt werden.

Zwischenzeitlich verliert die VW-Aktie im XETRA-Handel 0,79 Prozent auf 138,70 Euro.

WOLFSBURG / STUTTGART (dpa-AFX)

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