Automobilindustrie: Deutsche Autobauer am Abgrund? Tesla: Wahnsinn mit Methode!
Ich habe es an dieser Stelle schon mehrfach geschrieben: Es bleibt kein Stein mehr auf dem anderen in der Automobilindustrie.
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Die deutschen Autobauer machen es sich mit diversen Skandalen noch schwerer - und versuchen sich aus der Verantwortung zu stehlen. Kann das gut gehen? Tesla dagegen will mit dem Model 3 auf die Überholspur in den Auto-Mainstream. Lesen Sie, wie genau Tesla zum US-Auto-Dominator werden möchte.
Es ist ein gefährliches Spiel, das Daimler, BMW und der VW-Konzern mit seinen verschiedenen Marken da treiben: Der Dieselgipfel verlief aus Verbrauchersicht enttäuschend. Die Hersteller versuchen sich mit nur sehr begrenzt wirksamen, aber dafür einfachen und kostengünstigen Softwareupdates aus der Verantwortung zu stehlen. Anders kann man es nicht nennen.
Ob die Stickoxid-Belastungen in den Städten so nennenswert zurückgehen werden, ist sehr fraglich. Das Damoklesschwert der Fahrverbote schwebt weiter über den Dieselbesitzern. Die Gerichte haben den Konzernen bereits in die Parade gegrätscht - und könnten es wieder tun. Unterdessen zürnt die deutsche Qualitätspresse vom Schlage "Spiegel" oder "Zeit". "Mit Abgas in den Abgrund" heißt es da im Titel, die Dieselverkäufe würden dramatisch sinken, wenn es so weiter ginge, sei die Branche dem Untergang geweiht.
Sogar die "Auto-Bild", die "bislang nicht als Speerspitze umweltbewusster Mobilität" galt, wie Spiegel-Autor Michail Hengstenberg in seinem Kommentar süffisant anmerkt, habe nun Anfang Juli einen Sieben-Punkte-Plan veröffentlicht, der weit über die Pseudo-Maßnahmen des Dieselgipfels hinausgehe.
Dieser sieht u.a. die Schaffung einer industrieunabhängigen Kontrollbehörde (statt des industrienahen Kraftfahrtbundesamts (KBA)) und die Abschaffung der Dieselsubventionen vor. Vor allem aber fordert er eine echte Umrüstung aller Euro-5-Diesel mit einem sogenannten SCR-System, einer Abgasreinigung mit Harnstoffeinspritzung. Dieses System ist getestet und wirksam. Es senkt die Stickoxidemissionen (Nox) auch im Realbetrieb auf Euro-6-Norm-Werte ab. Allerdings ist es teuer, weshalb sich die Autobauer weigern, das System freiwillig und auf ihre Kosten einzubauen.
Gefährliches Spiel der deutschen Autobauer
VW-Boss Matthias Müller zieht eine solche Lösung offenbar nicht einmal in Erwägung. Er will, dass sich seine Ingenieure mit Zukunftstechnologien beschäftigen. Er hofft darauf, dass die Thematik bald wieder aus den Medien verschwindet und die Verbraucher schnell vergessen. Ähnlich wie bei den verrutschten Fußmatten von Toyota oder den eingerasteten Zündschlössern bei General Motors. Von denen spricht heute keiner mehr. In industrienaheren Blättern wie beispielsweise der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) ist die Thematik schon jetzt von den Titelblättern verschwunden.
Doch geht diese "Spielen auf Zeit"-Strategie wirklich auch in diesem Fall auf? Zweifel sind angebracht. Denn: Die Elektromobilitätsbewegung ist Teil des großen und langfristigen Klimaschutztrends. Basis ist dabei das Pariser Klimaschutzabkommen. Der darin enthaltene Klimaschutzplan besagt knallhart, dass der Verkehr der Zukunft bis 2050 vollständig ohne fossiles Öl und Gas auskommen muss. Und wenn man mal von den USA absieht herrscht weltweit ein relativ breiter Konsens darüber, dass dieser - enorm ehrgeizige - Plan auch einzuhalten ist.
Insofern bekommt das Vergehen der Autokonzerne eben eine ganz andere Dimension und selbst wenn VW und Co. in Deutschland von der Politik geschont werden, so dürfen sie in anderen Regionen der Welt nicht mit einem ähnlich großen Verständnis rechnen. In den USA sind wegen des Kartellverdachts bereits die nächsten Schadensersatzklagen angelaufen. Selbst in Deutschland ist das Vertrauen der (potenziellen) Kunden nachhaltig gestört.
Wenn die Konsumenten aber tatsächlich ab sofort dauerhaft viel weniger Diesel-Autos kaufen hätte das enorme Verwerfungen für die Autobauer und auch die Autozulieferer zur Folge. Bei BMW beispielsweise ist im Moment noch jedes dritte ausgelieferte Auto ein Diesel. Zudem liefert BMW auch Dieselmotoren an Toyota, für deren Europageschäft. Sind Dieselautos nicht mehr gefragt kann Toyota, die schon seit fünf Jahren keine eigene Forschung im Dieselbereich mehr betreiben, die Kooperation einfach beenden. BMW dagegen hätte ein großes Problem.
Extrem niedrige Bewertungen haben einen Grund
Die Börse preist diese Problematik bereits stark in die Kurse ein. Die KGVs der großen deutschen Autobauer liegen aktuell (auf Basis des 2017 erwarteten Nettogewinns) mit 5,5 für VW, 7,3 für BMW und 6,7 für Daimler so tief wie sonst nur in Vor-Rezessionsphasen. Das bedeutet: Der Markt preist bereits deutliche Gewinnrückgänge ein. Dabei spielen noch weitere Aspekte wie z.B. der einbrechende Automarkt in den USA eine Rolle.
Inzwischen haben auch die Autobauer erkannt, dass bei der Modellpolitik ein radikales Umdenken in Richtung Elektromobilität gefragt ist. Jetzt soll auf einmal alles sehr schnell gehen:
Mercedes setzt auf vollelektrische Modelle der neuen EQ-Reihe. Für 2019 ist der 408 PS-starke SUV EQC angekündigt, der um die 500 Kilometer mit einer Akkuladung schaffen soll. Spätestens im Jahr 2025 will Daimler bei elektrischen Premium-Autos führend sein, kündigt Daimler-Chef Dieter Zetsche an. Der Anteil der Elektromodelle am Gesamtabsatz von Mercedes-Benz soll in knapp acht Jahren zwischen 15 und 25 Prozent liegen. Die Frage ist: Wie schnell kann Daimler liefern? Bisher hat man nur ein reines Elektroauto im Programm, den Kompaktvan der B-Klasse B 250e, dessen Produktion aber wegen des anhaltenden Misserfolgs im kommenden Quartal auslaufen soll.
BMW hat einen ähnlichen Fahrplan: Mit dem BMW i3 haben die Münchener ein kleines Elektromodell bereits seit 2013 auf dem Markt, 2018 soll ein i8 Roadster folgen, 2019 der MINI E und 2020 soll es dann den hybriden BMW X3 auch als reines Elektroauto geben. Genau wie bei Daimler geht man dann für 2025 von einem Verkaufsanteil elektrifizierter Fahrzeuge zwischen 15 und 25 Prozent aus. Fast, als ob man sich abgesprochen hätte.
VW-Markenchef Herbert Diess brüstet sich unterdessen, man sei "für die elektrische Welt besser aufgestellt als jedes andere Unternehmen". Man sei in Wolfsburg einfach besser vorbereitet als die Konkurrenz. Um die verschärften Flottenziele der EU (95g/km CO2 ab 2021) zu erreichen brauche man knapp 100.000 Elektroautos auf der Straße. Das traue man sich zu. Bei VW heißt das Elektroauto-Label I.D. Die erste Baureihe, ein Kompaktmodell, soll 2019/2020 starten. Die Rahmendaten: Mindestens 500 Kilometer Reichweite, schnelles Laden, Konnektivität und viel Platz im Innenraum. Das Kompaktmodell soll in direkter Konkurrenz zu Teslas Model 3 gehen und dieses preislich sogar noch unterbieten.
Danach soll es Schlag auf Schlag gehen: Ein Crossover I.D. soll folgen, dann ein Minibus I.D. BUZZ. Weitere vorgesehene Modelle wie der I.D. Lounge und der I.D. AEROe sind noch nicht offiziell vorgestellt worden. Ziel ist bis 2025 zum führenden Anbieter bei Elektromobilität zu werden.
Besonders radikal soll die E-Revolution nun bei Audi angegangen werden, was darauf hindeutet, dass es beim profitabelsten Teil des Volkswagen-Konzerns hier noch Nachholbedarf gibt. Um schneller auf Elektrofahrzeuge umstellen zu können, sollen bei den Ingolstädtern bis 2022 etwa zehn Milliarden Euro bei der Entwicklung von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren eingespart werden. Dabei müssen die Firmen des VW-Konzerns künftig viel stärker kooperieren. Das zielt besonders auf das Verhältnis der konkurrierenden Audi und Porsche ab. Fahrzeugarchitekturen, Module und Komponenten sollen nicht mehr getrennt voneinander entwickelt werden.
Der Fahrplan sieht hier folgendermaßen aus: 2018 soll das SUV Audi Q6 E-Tron mit 500km Reichweite und 2019 der Audi E-Tron Sportback mit einem Allradantrieb kommen. Die Gesamtleistung beider Elektromotoren soll bei 320kw (435 PS) liegen. Die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h soll in 4,5 Sekunden gelingen. Drei weitere Elektromodelle sollen hinzu kommen. Der entscheidende Punkt aus Anlegersicht: Die Umsatzrendite von acht Prozent soll dennoch gehalten werden.
Was Konkurrent Tesla vor hat
Ob das gelingt hängt wohl auch maßgeblich davon ab, wie Konkurrent Tesla sich weiterentwickelt.
Das "Make it or break it"-Model 3 wird zur Nagelprobe für den kalifornischen Emporkömmling um Visionär Elon Musk. Über kaum ein anderes Unternehmen wird dabei so leidenschaftlich diskutiert, sowieso in den USA, aber auch in deutschen Börsenforen - und das bis ins kleinste Detail. Musk hat es geschafft, ähnlich wie Steve Jobs bei Apple, einen Kult um das Unternehmen und seine Produkte aufzubauen. Das Image von Musk als dem Superhelden, der die Welt vor dem Klimawandel rettet und gleichzeitig die tollsten und revolutionärsten Autos baut, verbreitet sich in aller Welt.
Viele lieben Musk und Tesla dafür, wohl mindestens genau so viele, die das Spiel durchschauen und etwas genauer hinschauen, hassen ihn eher. Sie erkennen, dass er zu einem Teil eben auch Scharlatan und Schaumschläger ist, der Visionen verbreitet, aber Termine nicht einhält und sogar bei Analystenkonferenzen Sachverhalte so darstellt, wie es ihm in den Kram passt. Ein Beispiel: Die Zahl der Vorbestellungen für das Model 3 (die ja immer mit einer Anzahlung von 1.000 US-Dollar verbunden sind), die ein Indiz für den künftigen Verkaufserfolg sind.
Musk spricht von netto 1.800 Vorbestellungen jeden Tag. Allerdings ist das nur auf einen zeitlich sehr engen Zeitraum bezogen. Tatsächlich ist der Bilanzposten "Customer Deposits", in dem der Wert der Vorauszahlungen festgehalten wird, um rund 18 Millionen auf 603 Millionen US-Dollar gesunken. Dabei handelte es sich um das dritte Quartal in Folge mit einem solchen Rückgang. Das passt nicht mit der obigen Aussage zusammen. Bei der Zahl der Vorbestellungen nennt Musk 518.000. Später stellt sich heraus, dass das eine Bruttoangabe ist und es netto nur 455.000 sind, weil es auch 63.000 Stornierungen gab.
Doch derlei "kleinere Ungenauigkeiten" nimmt der Markt Tesla nicht übel. Auch dass der Autoumsatz im Vergleich zum Vorquartal zurückgegangen ist und die Verkäufe für die bisher auf dem Markt befindlichen Modelle S und X ebenfalls zurückgehen, wirkte sich nicht negativ auf den Aktienkurs aus. Dass der negative Cashflow mit minus 1,15 Milliarden US-Dollar fast doppelt so hoch ist wie im ersten Quartal: dem Markt ist es egal!
Dass der offizielle Nettoverlust von 220 Millionen US-Dollar oder 1,33 US-Dollar je Aktie deutlich höher liegt, wenn man die Kosten für Aktienoptionsprogramme mit einrechnet und den Gewinn von 100 Millionen aus dem Verkauf von so genannten ZEV-Gutschriften (dahinter steckt eine Art Belohnungssystem des Bundesstaats Kaliforniern für Autobauer, die besonders viele emissionsfreie Autos auf dem Markt haben) rausrechnet: na und! Die Aktie stieg am Donnerstag dann trotzdem um satte 6,5 Prozent, weil die Pro-Forma-Zahlen eben über den Schätzungen der Analysten lagen.
Nüchterne Rechner und Short-Spekulanten treibt das fast in den Wahnsinn. Wie kann es sein, dass der Aktienkurs unter dem Strich seit Jahren immer weiter steigt, während gleichzeitig hohe Verluste auflaufen und Tesla eine Kapitalinfusion nach der nächsten braucht?
Der entscheidende Punkt ist: Tesla hat sich durch seine unkonventionelle Art einen Zeitvorsprung gegenüber der Konkurrenz herausgearbeitet - und zwar bei einer Technologie, die in den nächsten Jahren zum Standard in der Automobilindustrie werden könnte. Einer Industrie, die weltweit 3,5 Billionen(!) US-Dollar pro Jahr umsetzt. Eine Zahl, die sich laut McKinsey bis 2030 auf 6,7 Billionen US-Dollar nochmal fast verdoppeln soll. Der Zeitvorsprung von Tesla könnte sich also als ungeheuer wertvoll herausstellen, wenn es dem Unternehmen tatsächlich gelingen sollte, die Produktion für das Model 3 zügig hochzufahren.
Speziell in den USA könnte man dann enorm hohe Marktanteile von der Konkurrenz erobern. Zwar haben auch andere US-Autobauer wie beispielsweise General Motors mit dem Bolt bereits Elektroautos am Start. Diese können Tesla aber weder was die Produktionskapazitäten betrifft noch was die Qualität bzw. die Nachfrage der Konsumenten betrifft auch nur annähernd das Wasser reichen. Tesla könnte zumindest in den USA also auch künftig den Elektroautomarkt dominieren, was dann aber wegen der zu erwartenden exponentiellen Umsatzsteigerungen weit dramatischere Folgen für die Konkurrenz hätte.
Genau wegen dieser Perspektiven billigt der Markt dem Unternehmen eine Bewertung von 53,5 Milliarden US-Dollar zu. Damit ist Tesla inzwischen nach Marktkapitalisierung der wertvollste US-Autoanbieter vor General Motors und Ford.
Was Tesla anders macht
Was aber ist es genau, was Tesla anders macht? Es sind zwei Dinge:
1. Das Management-Team verkürzt die Entwicklungszeit für neue Modelle radikal. Das führt zum erwähnten Zeitvorsprung gegenüber der Konkurrenz.
2. Es will die Produktionskosten radikal reduzieren, um dann in der Folge günstiger zu sein als die Konkurrenz.
Zu Punkt 1: Spötter sagen, Tesla bringe Modelle auf den Markt, die eigentlich erst halbfertig sind. Damit haben sie gar nicht so unrecht. Schauen Sie sich bitte mal dieses Bild vom Cockpit eines Tesla Model 3 an: https://assets.wallstreet-online.de/_media/3210/board/20170731225736-m3-cockpit.jpg
Ich habe es diese Woche auch zum ersten Mal gesehen und ich war zunächst schockiert: Wer bitte gibt denn 43.000 US-Dollar für ein Auto mit (fast) komplett fehlenden Armaturen, und einem völlig unergonomischen Riesendisplay in der Mitte (Fahrer, die beispielsweise den Tachostand ablesen möchten, müssen den Blick komplett von der Straße abwenden. Würde so ein Auto aus Sicherheitsgründen überhaupt eine Zulassung in Deutschland erhalten?) aus, dessen Design noch dazu äußert billig wirkt?
In Deutschland wohl kaum jemand. Allerdings spielt das zunächst auch keine Rolle, denn das Model 3 soll hierzulande ohnehin erst Ende 2018/Anfang 2019 erhältlich sein. Aber wie um Himmels Willen kommt Tesla dazu, ein Auto auf den Markt zu werfen, für dessen Innenausstattung sich Daimler und Co. wahrscheinlich sogar bei einem Prototyp schämen würden?
Der Grund: Die Armaturen sind auf ein komplett autonom fahrendes Auto ausgelegt. Sobald tatsächlich der Autopilot selber fahren und der Mensch hinter dem Steuer in aller Ruhe seine Stulle essen oder Zeitung lesen kann, macht so etwas Sinn. Bis die Technologie allerdings soweit ausgereift, getestet und zugelassen ist, werden nach einhelliger Meinung von Experten noch einige Jahre vergehen. Tesla wirft das Produkt trotzdem auf den Markt. Das würde sich kein anderer Hersteller trauen.
Allerdings macht Tesla das nicht ganz freiwillig. Denn ein einziges Touchpanel anstelle eines Kabelbaums mit Schaltern und Tasten senkt die Kosten natürlich erheblich. Nur so ist das Unternehmen in der Lage, das Auto zu diesem Preis auf den Markt zu bringen. Wobei: Das angekündigte 35.000 US-Dollar-Modell gibt es trotzdemn erst ab 2018 und Kunden, die sich dann für diese Basisvariante entscheiden, haben nur die Hardware für den Autopiloten, die aber ohne Software nutzlos ist. Wer die Software will muss noch 8.000 US-Dollar obendrauf legen. Letztlich ist der Startpreis also wohl nicht viel mehr als ein Marketing-Gag.
Aber am Kabelbaumbeispiel wird auch deutlich, was Musk meint, wenn er sagt, das Model 3 sei konsequent auf eine einfache und kostengünstige Produktion hin optimiert. Nur so ist es möglich, dass die Stückzahlen bei der Serienproduktion so schnell nach oben gefahren werden können. Von zunächst 50, die bereits "zusammengeschraubt" wurden, auf geplante 1.500 im dritten Quartal und dann bereits eine fünfstellige Zahl in Q4. Ende 2018 soll die Jahresproduktion dann bis auf 500.000 Stück(!) hochgetaktet werden. Die Kunden können dabei keine Ausstattungsvarianten wählen. Variabel ist lediglich die Farbe!
Bis dahin soll dann auch die Batteriefabrik in Nevada, die Giga-Factory, die man gemeinsam mit Panasonic baut, soweit sein, dass sie genügend Batterien ausstößt. Und hier sind wir beim Skalierungsplan von Musk: Das große, große Problem bei Elektroautos sind bisher die teuren Batterien, die den Großteil der Kosten ausmachen. Aber steht die Massenproduktion in der Gigafactory werden die Kosten je Auto drastisch senken. Damit könnte Tesla unabhängig von einem möglicherweise entstehenden Produktionsengpass und damit steigenden Preisen für Lithium-Ionen-Akkus günstig produzieren.
Das wiederum gilt nicht für die deutschen Hersteller: Die Pläne für eine eigene Batterienproduktion in Deutschland stehen erst ganz am Anfang. Selbst wenn alles nach Plan läuft wird das Terra E-Konsortium damit nicht vor 2028 ihre volle Kapazität erreichen. Nennenswerte Stückzahlen dürften frühestens 2021 produziert werden. Noch handelt es sich dabei ohnehin nur um einen Plan: https://www.bloomberg.com/news/articles/2017-08-03/germany-giving-gigafactory-a-home-in-latest-challenge-to-tesla
Musk, das Marketing-Genie
Kann Musk also seinen Plan umsetzen und dabei zumindest einigermaßen im Zeitrahmen bleiben, hat er in der Tat die Möglichkeit den US-Markt abzugrasen bevor die Konkurrenz in ähnlich großem Stil produzieren kann. Und der US-Markt ist gigantisch: Über 17,5 Millionen neue Autos wurden dort in 2016 verkauft. Zum Vergleich: In Deutschland waren es 3,35 Millionen Stück, also weniger als 20 Prozent davon.
Aber wie schafft es Musk, dass ihm die US-Konsumenten das Auto tatsächlich abkaufen? Der gebürtige Südafrikaner ist ein Marketing-Genie! Die Autopilot-Software wird quasi halbfertig, man könnte weniger schmeichelhaft auch sagen: fehlerhaft, auf den Markt gebracht und dann mit permanenten Updates sukzessive verbessert. Umgangssprachlich bezeichnen die Insider das als "Banana-Software", weil sie quasi erst beim Kunden reift. Ein solches Geschäftsgebaren gilt eigentlich auch innerhalb der Software-Branche zumindest als unfein.
Musk gelingt es aber, das als tolles Feature zu verkaufen und die Analysten schlucken die Botschaft: Das Model 3 biete tolle "Over The Air"-Updates, die das Fahrzeug permanent verbessern würden. Das sei wie bei einem "Smartphone auf Rädern", schreiben sie und vergeben mehrheitlich Kaufempfehlungen.
Die Wurzeln von Musk und Tesla liegen im kalifornischen Silicon Valley, dem Mekka der Tech-Industrie. Die erste Firma von Musk war X.com, eine E-Mail-Payment-Firma, die später in Paypal aufging. Hier liegen nicht nur die Stärken von Tesla wie beispielsweise eine ausgereifte Design-Software (Stichwort: Verkürzung der Entwicklungszeit). Es prägt das gesamte Denken, die Unternehmensphilosophie.
Zu diesem Marketingtalent von Musk zähle ich auch das "Spiel mit der Zeit". Beim Model 3 hat er den angepeilten extrem ehrgeizigen Starttermin der Serienproduktion (Juli 2017) eingehalten - auf dem Papier zumindest. Denn die 50 gebauten Autos kann man objektiv natürlich schwerlich als Serienproduktion bezeichnen. Trotzdem konnte er es als Erfolg verkaufen. In den nächsten Monaten wird dann mit dem Hochfahren der Produktion natürlich zuerst mal der Kreis der absoluten Tesla-"Fanboys" abgearbeitet. Diese haben eine viel höhere Fehlertoleranz als normal" Kunden.
So gewinnt Tesla Zeit und kann z.B. die Autopilot-Software sukzessive verbessern bevor das Model 3 an kritischere Käufer oder gar ins Ausland geliefert wird. Mit den Over-the-Air (OTA)-Updates kann Tesla wertvolle Daten zur Verbesserung des Autopilots sammeln - und zwar viel mehr und schneller als die Konkurrenz!
Und in den USA hat der Elektroauto-Pionier noch einen weiteren Trumpf im Ärmel: sein "Supercharger"-Schnell-Ladenetzwerk, das quer über die USA aufgebaut wird und früher oder später eine möglichst flächendeckende Versorgung bieten soll. Zeitlich hängt man mit dem zwar weit hinter den ursprünglichen Planungen zurück. Trotzdem ist Tesla auch hier mit den aktuell 9.000 Ladestationen in den USA der Konkurrenz weit voraus. Angestrebt sind bis Ende 2017 15.000 Ladestationen. Auch in Europa läuft der Aufbau auf Hochtouren. Bisher gibt es 909 Supercharger-Stationen mit 6.118 Ladeplätzen: https://www.tesla.com/de_DE/supercharger?redirect=no
Enorme Risiken
Falls ich Sie jetzt davon überzeugt habe, die Tesla-Aktien zu kaufen: Warten Sie noch einen Moment! Die Risiken für uns Anleger haben es in sich. Sie sollten sie kennen. Das Hauptrisiko:
1. Das Model 3 könnte auch in den USA floppen. Es gibt Anzeichen dafür, dass die Nachfrage gar nicht so hoch ist wie erwartet (s.a. Customer Deposits oben).
Kein Wunder: Der Preis ist für ein Massenauto, für eine Art amerikanischen "Volkswagen", eigentlich viel zu hoch. Er liegt in der Praxis bei mindestens 43.000 US-Dollar inkl. Autopilotsoftware.
2. Es ist nicht klar, ob es Tesla tatsächlich gelingt, die mittelfristig angestrebte Bruttomarge von rund 25 Prozent zu erreichen und so den Cash-Burn in Grenzen zu halten. Denn niemand weiß, ob es gelingt die Produktion einigermaßen reibungslos hochzufahren. Tesla hat hier kaum Erfahrung und selbst Musk spricht diesbezüglich von einem bevorstehenden "Höllenritt". Außerdem arbeitet Tesla immer wieder mit Pro-forma-Zahlen und berücksichtigt bei den aktuellen Margenangaben auch die Gewinne aus dem Verkauf der oben beschriebenen ZEV-Gutschriften. Sonst lägen die Margen deutlich tiefer.
3. Erweist sich das Model 3 mittelfristig als qualitativ minderwertig und/oder gibt es z.B. vermehrt Unfälle (Stichwort: nicht ausgereifter Autopilot oder brennende Batterien) könnte das Image von Tesla stark leiden.
4. Tesla ist weit mehr als ein Autobauer, sondern letztlich ein verschachtelter und relativ undurchsichtiger Konzern. Mit dem Kauf der angeschlagenen Solarcity wurde Tesla zu einem der ganz großen Solarstromvermarkter der USA. "Solarenergiesysteme" stehen mit 6,2 Milliarden US-Dollar in der Tesla-Bilanz. Das Geschäftsmodell ist höchst umstritten. Viele Solaranlagen, die Solarcity installiert hat, wurden gar nicht verkauft. Sie gehören weiter Solarcity und wurden vom Hauseigentümer nur gemietet.
Entsprechend hoch waren die Investitionen für Solarcity. Viel Fremdkapital sollte eingeworben werden. Die Schuldpapiere waren aber bei den Investoren alles andere als ein Renner, so dass letztlich 65 Prozent der Solaranleihe von SpaceX gezeichnet werden mussten. Der Raketenbauer gehört ebenfalls Elon Musk. Letztlich holte Tesla Solarcity und deren Risiken dann ganz unter das Dach von Tesla. Wo sie nun vor sich hinschlummern...
Auch mit einem anderen ambitionierten Projekt, den Solardachziegeln, läuft es nicht rund. Die Serienproduktion sollte eigentlich schon im Juni starten. Nun hat man das Ganze auf Ende des Jahres verschoben. Kritiker befürchten, dass sich die langen Garantiezeiten von 20 Jahren für die Funktion der Solaranlage als Bumerang erweisen könnten. Die Technologie sei noch nicht ausgereift genug, heißt es.
5. Tesla hatte zuletzt einen hohen personellen Aderlass zu verkraften. In dieser Woche verließ der Leiter der Batterietechnologie-Sparte, Kurt Kelty, das Unternehmen. Erst im Juni hatte Chris Lattner, Leiter der Autopilotsparte, nach nur sechs Monaten gekündigt. Er war von Apple gekommen. Das könnte auch mit der Person Elon Musks zusammenhängen, der bekannt dafür ist, von seinen Mitarbeitern allerhöchsten Einsatz zu fordern und diese manchmal auch zu überfordern. Zudem gilt er als extrem launisch. So könnte Tesla auf Dauer viel Know-how verloren gehen.
MEIN FAZIT:
In der Automobilindustrie kämpfen derzeit angeschlagene deutsche Platzhirsche gegen einen aufstrebenden, aber überambitionierten Herausforderer, der teilweise mit gezinkten Karten spielt.
Es wird höchstspannend zu verfolgen, ob Tesla mit seiner radikalen und mutigen Strategie tatsächlich den Durchbruch in den Mainstream schafft. In den USA ist das zumindest nicht auszuschließen. In Europa ist es bisher eher nicht vorstellbar. Die Chancen aber auch die Risiken sind gewaltig.
Bei den deutschen Autobauern hängt viel davon ab, wie verheerend die Nachwirkungen des Abgasskandals und der Kartellvorwürfe für die künftigen Dieselverkäufe und das Image insgesamt sein werden. Einiges an Skepsis ist in den Kursen bereits eingepreist.
Allerdings dürfte die grundlegende technologische Umstellung vom Verbrennungs- auf den Elektromotor bzw. die anstehende Übergangsphase für die Hersteller äußerst herausfordernd werden. Es sind gewaltige Investitionen erforderlich. Zugleich dürften personelle Umwälzungen, die ebenfalls mit hohen Kosten verbunden sein werden, unausweichlich sein. Der ohnehin hohe Preisdruck in der Branche dürfte sich so zusätzlich verschärfen. Dem werden sich auch die Autozulieferer nicht entziehen können, auch wenn die meisten vom Dieselskandal nicht direkt betroffen sind.
Unter dem Strich ergibt das aus meiner Sicht weder für die Autobauer noch die herkömmlichen Zulieferer noch den Herausforderer Tesla ein gutes Chance-Risiko-Verhältnis. Ich würde daher alle genannten Werte eher meiden. Welche Titel tatsächlich zu den Gewinnern der Elektromobilitäts-Revolution im Autosektor gehören könnten, lesen Sie in der kommenden Ausgabe.
Hinweispflicht nach §34b WpHG: Die Geldanlage-Report-Redaktion ist in den genannten Wertpapieren / Basiswerten zum Zeitpunkt des Publikmachens des Artikels nicht investiert. Es liegt daher kein Interessenskonflikt vor. Die in diesem Artikel enthaltenen Angaben stellen keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren dar.
Armin Brack ist Chefredakteur des Geldanlage-Reports. Gratis anmelden unter: www.geldanlage-report.de. Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.
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