European Banking Congress

EZB-Präsidentin Lagarde: Bilanz wird "maßvoll und vorhersehbar" verkleinert - Kampf gegen Inflation nicht beendet

18.11.22 15:11 Uhr

EZB-Präsidentin Lagarde: Bilanz wird "maßvoll und vorhersehbar" verkleinert - Kampf gegen Inflation nicht beendet | finanzen.net

Die Europäische Zentralbank (EZB) betrachtet die Leitzinsen nach Aussage ihrer Präsidentin Christine Lagarde weiterhin als ihr wichtigstes Instrument, wird aber auch ihre Bilanz "maßvoll" verkleinern.

"Im gegenwärtigen Umfeld und in Anbetracht der Tatsache, dass die Zinssätze nach wie vor das wirksamste Instrument zur Gestaltung unseres geldpolitischen Kurses sind, ist es... angemessen, die Bilanz in einem maßvollen und vorhersehbaren Rahmen zu normalisieren", sagte Lagarde beim Frankfurt European Banking Congress.

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Im Dezember wird der EZB-Rat Lagarde zufolge die wichtigsten Grundsätze für den Abbau der Anleihebestände festlegen. "Parallel dazu werden unsere Instrumente zur Wahrung der ordnungsgemäßen Übertragung der Geldpolitik - insbesondere die flexiblen Reinvestitionen im Rahmen des Pandemie-Notkaufprogramms und das neue Transmissionsschutzinstrument - beibehalten", sagte Lagarde unter Verweis auf PEPP-Programm und ihr Transmission Protection Instrument (TPI)

Lagarde: EZB kämpft weiter entschlossen gegen Inflation

Europas Währungshüter versprechen einen entschlossenen Einsatz gegen die nach wie vor rekordhohe Inflation. "Wir gehen davon aus, dass wir die Zinssätze weiter anheben werden", sagte die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, am Freitag bei einem Bankenkongress in Frankfurt. "Letztendlich werden wir die Zinsen auf ein Niveau anheben, das die Inflation rechtzeitig auf unser mittelfristiges Ziel zurückführt."

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Bundesbank-Präsident Joachim Nagel mahnte "weitere entscheidende Schritte" an. Er hielte es für "falsch, aus Angst vor einem Abschwung mit weiteren entscheidenden Schritten zu warten". Die Geldpolitik dürfe nicht zu früh nachlassen. "Die Inflation ist eine harte Nuss, die es zu knacken gilt. Wenn wir sie knacken wollen, muss auch die Geldpolitik hart sein", sagte der Bundesbank-Präsident, der im EZB-Rat über den geldpolitischen Kurs mitentscheidet.

Ähnlich argumentierte bei dem Kongress der Chef der niederländischen Notenbank, Klaas Knot: Es brauche jetzt ein "entschlossenes Eintreten für Preisstabilität", sonst werde die "Zähmung der Inflation" wesentlich teurer werden.

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Die EZB strebt für den Euroraum mittelfristig Preisstabilität bei zwei Prozent Teuerung an. Im Oktober lagen die Verbraucherpreise im Währungsraum der 19 Länder um 10,6 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. "Die Inflation im Euroraum ist viel zu hoch", stellte Lagarde fest. Zudem sei das Risiko einer Rezession gestiegen, obwohl die jüngsten Konjunkturdaten positiv überrascht hätten.

Nach langem Zögern stemmt sich die EZB seit Juli mit kräftigen Zinserhöhungen gegen die extrem hohe Teuerung. Der Leitzins im Euroraum, der jahrelang auf dem Rekordtief von null Prozent eingefroren war, liegt inzwischen bei 2,0 Prozent. Deutsche-Bank-Chef (Deutsche Bank) Christian Sewing lobte Lagarde für das Umsteuern: "Ich möchte Sie zu der Art und Weise beglückwünschen, wie es Ihnen gelungen ist, die Geldpolitik umzukrempeln."

Lagarde kündige an, die EZB werde auch ihre anderen geldpolitischen Instrumente normalisieren. Die über Jahre durch milliardenschwere Wertpapierkäufe angeschwollene EZB-Bilanz müsse "maßvoll" und "auf vorhersehbare Weise" normalisiert werden: "Im Dezember werden wir die wichtigsten Grundsätze für den Abbau der Anleihenbestände in unserem Ankaufprogramm darlegen." Der EZB-Rat tagt wieder am 15. Dezember.

Bundesbank-Präsident Nagel sprach sich dafür aus, Anfang 2023 damit zu beginnen, den Umfang der milliardenschweren Anleihenbestände im Eurosystem zu reduzieren, indem nicht mehr alle Gelder aus fällig werdenden Papieren wieder neu investiert werden: "Die zusätzliche Straffung würde dazu beitragen, die Inflation zu senken."

Über den Kampf gegen die Inflation hinaus sieht Deutsche-Bank-Chef Sewing dringenden Bedarf, den europäischen Kapitalmarkt wettbewerbsfähiger zu machen. Europa müsse "dringend umsteuern, wenn wir die Zukunft Europas nicht in erster Linie von ausländischen Banken finanzieren lassen wollen", mahnte Sewing, der auch Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB) ist.

"Wir brauchen eine Agenda 2030 für Europa. Und der allererste Schritt muss sein, dass wir endlich einen echten europäischen Heimatmarkt schaffen", forderte Sewing. Ohne eine deutliche Steigerung privater Investitionen könne Europa nicht wettbewerbsfähig sein. "Wir werden weder die nachhaltige Transformation meistern noch technologisch mithalten können", warnte Sewing. "Deshalb ist es so wichtig, die Kapitalmarktunion endlich voranzutreiben, um einen liquiden und attraktiven Markt für in- und ausländische Investoren zu schaffen."

Bei der Kapitalmarktunion geht es im Kern darum, bürokratische Hürden zwischen den einzelnen Staaten der Europäischen Union abzubauen, um Unternehmen mehr Möglichkeiten zu geben, sich Geld zu beschaffen. Seit 2015 liegen Pläne der EU-Kommission dafür auf dem Tisch.

Sewing forderte zugleich eine Neujustierung der Bankenregulierung: Es werde "immer deutlicher, dass der derzeitige regulatorische Rahmen wenig zur Stärkung der europäischen Banken beiträgt". EZB-Präsidentin Lagarde betonte ebenfalls die Bedeutung eines widerstandsfähigen Finanzsektors zur Bewältigung der milliardenschweren Herausforderungen der kommenden Jahre: "Eine zu weitgehende Regulierung würde die Banken anfälliger für Schocks machen und sie weniger in die Lage versetzen, die Übergänge zu unterstützen, von denen unser künftiges Wachstum abhängen wird."

Nagel: EZB sollte Anleihebestände ab Anfang 2023 reduzieren

Die Europäische Zentralbank (EZB) sollte nach Ansicht von EZB-Ratsmitglied Joachim Nagel mit einem schrittweisen Abbau ihrer Anleihebestände beginnen. Beim Frankfurt European Banking Congress forderte Nagel außerdem weitere "resolute" Zinsschritte, da die EZB-Geldpolitik noch expansiv sei, aber restriktiv werden müsse.

"Wir sollten Anfang nächsten Jahres damit beginnen, den Umfang unserer Anleihebestände zu reduzieren, indem wir nicht mehr alle fällig werdenden Anleihen vollständig reinvestieren", sagte Nagel laut veröffentlichtem Redetext. Die "sehr hohen Anleihebestände" des Eurosystems übten weiterhin einen erheblichen Abwärtsdruck auf die Anleiherenditen im Euroraum aus. "Es passt nicht zusammen, die Renditekurve am kurzen Ende anzuheben und sie am langen Ende niedrig zu halten", argumentierte er.

EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte zuvor in der gleichen Veranstaltung in Aussicht gestellt, dass der EZB-Rat im Dezember die "wichtigsten Grundsätze" für den Abbau der Anleihebestände festlegen würde.

Diskussionen darüber, ob die EZB-Zinsen restriktiv seien, bezeichnete der Präsident der Deutschen Bundesbank als "verfrüht". "Auch nach den Zinserhöhungen befindet sich der relevante Leitzins noch im expansiven Bereich", sagte Nagel unter Bezugnahme auf den Bankeinlagensatz, der gegenwärtig bei 1,50 Prozent liegt. Darauf deuteten verschiedene Messgrößen hin, wie zum Beispiel die immer noch sehr niedrigen kurzfristigen Realzinsen oder der Abstand zwischen den Taylor-Sätzen und dem Leitzins.

"In abnormalen Zeiten mit zweistelliger Inflation reicht eine bloße Normalisierung der Geldpolitik möglicherweise nicht aus. Wenn sich die hohe Inflation zu verfestigen droht, müssen wir unsere Leitzinsen entschlossen weiter anheben und einen restriktiven Kurs einschlagen", forderte Nagel. Er warnte davor, aus Angst vor einem Abschwung mit weiteren entscheidenden Schritten zu warten.

Eine langsamer wachsende oder schrumpfende Produktion sei Teil des monetären Transmissionsprozesses. "Aber soweit wir sehen können, reicht diese Entwicklung allein nicht aus, um die Inflation wieder auf Kurs zu bringen", sagte Nagel.

FRANKFURT (Dow Jones / dpa-AFX)

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