Euro am Sonntag

US-Geldpolitik: Die Folgen für Ihr Geld

22.09.15 21:12 Uhr

US-Geldpolitik: Die Folgen für Ihr Geld | finanzen.net

Die US-Notenbank Fed zögert, das Ende der Nullzinspolitik einzuleiten. Nun warten die Finanzmärkte weiter auf den historischen Schritt, der erhebliche Auswirkungen auf die Börsen weltweit haben könnte.

von Andreas Höß, Euro am Sonntag

Ob es die Sterne waren? "Sie wurden zu lange zurückgehalten und wollen jetzt unbedingt ihre Flügel ausbreiten", schrieb die Astrologin Sally Brompton am Donnerstag in ihrem täglichen Horoskop in der "New York Post" zum Sternzeichen Löwe. "Sie werden bald ihre Chance bekommen, aber bleiben Sie erst einmal, wo Sie sind."

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Das Horoskop wirkt wie auf eine Person zugeschnitten - und war es vielleicht auch: auf Janet Yellen, geboren am 13. August 1946 und damit Sternzeichen Löwe. Sie ist Chefin der US-Notenbank Fed und mit dem Auftrag angetreten, die Ära des billigen Geldes endlich zu beenden. Am Donnerstag musste sie verkünden, ob der geldpolitische Rat ­ihres Hauses ein sogenanntes "Lift-off" wagt und den US-Leitzins erstmals seit der Finanzkrise von der Nulllinie wieder in normalere Höhen hebt. Er wagte es nicht. Die US-Zinsen bleiben vorerst bei 0 bis 0,25 Prozent. Dorthin hatte die Fed sie 2008 gesenkt, um in der größten Krise seit Kriegsende die Wirtschaft und die Finanzmärkte zu stabilisieren.

Die Entscheidung der Fed wurde mit so großer Spannung erwartet wie selten. Seit Monaten kündigen die Fed-Mitglieder eine baldige Zinserhöhung an. Und seit Monaten wird diese hitzig diskutiert. Der Nobelpreisträger Paul Krugman findet den Abschied von Nullzinsen "eine schlechte Idee", andere halten ihn hingegen für mehr als überfällig. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel - eine Art Dachorganisation der Zentralbanken - warnte schon mehrmals, das billige Geld würde der Konjunktur nicht mehr helfen, sondern nur noch Finanzblasen erzeugen. Schließlich wächst die US-Wirtschaft seit mehr als 70 Monaten wieder.

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In der Vergangenheit wurde spätestens 35 Monate nach Ende einer Rezession der Leitzins angehoben, der die wichtigste Stellschraube der Geldpolitiker ist. Von ihm hängt ab, wie billig sich der Staat, seine Bürger und seine Unternehmen verschulden können - und wie rentabel es ist, sein Geld zur Bank zu bringen, statt es auszugeben oder mit Risiko zu investieren. Gleichzeitig stärken höhere Zinsen den US-Dollar, was exportierte US-Waren im Ausland teurer und Importe von Waren und Rohstoffen in die USA billiger macht. So geht von der Verschiebung des Zinserhöhungszyklus’ auch ein psychologisches Signal aus: Die Notenbanker erachten Wirtschaft und Finanzmärkte offenbar als zu instabil, um mit schärferen Bedingungen zurechtzukommen.

Sorgen um China und Finanzmärkte

Die Fed lege ihr Augenmerk wieder "eher auf die Dinge die schiefgehen könnten als auf jene, die gut laufen", so Harm Bandholz, US-Chefökonom der Unicredit. Besonders die von China ausgehenden Turbulenzen bereiten den Geldpolitikern Kopfschmerzen. Sie befürchten, dass die dortige Wachstumsschwäche negativ auf die US-Wirtschaft ausstrahlen könnte. Zudem hat der Crash an Chinas Börsen an den Aktien- und Rohstoffmärkten Spuren hinterlassen, und die gefallenen Rohstoffpreise haben die Inflation gedrückt. Man sehe globale Risiken und beobachte die Situation genau, erklärte Yellen ihr Zögern. "Wir möchten uns etwas mehr Zeit nehmen, um die Lage zu beurteilen."

An den Börsen sieht man den Eiertanz des wichtigsten Währungshüters der Welt mit gemischten Gefühlen. Zwar hatten im Vorfeld der Sitzung nur noch knapp ein Drittel der Anleger an eine Zinswende im September geglaubt. Ablesbar ist das an den sogenannten Fed Fund Futures, einem Terminkontrakt auf den US-Leitzins. Trotzdem schürte die Mutlosigkeit der Notenbanker offenbar auch unter Anlegern Sorgen um die Konjunktur und die Finanzmärkte. In den USA, Japan und Europa notierten die Aktienmärkte nach dem Fed-Entscheid im Minus, der deutsche Leitindex DAX verlor am Freitag Nachmittag über drei Prozent.

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Andererseits haben Großanleger ihr Kalkül seit Jahren auf die Nullzinsen eingestellt und bei ihrer Jagd nach Rendite verstärkt in riskante, aber renditeträchtige Anlageklassen wie Aktien, Wertpapiere aus Schwellenländern oder hochverzinste Anleihen von wenig zahlungskräftigen Staaten und Unternehmen investiert. Besonders bei Rohstoffen und Aktien aus den USA und Schwellenländern gab es in diesem Jahr bereits erhebliche Schwankungen und Verluste. Denn theoretisch machen höhere Zinsen weniger riskante Anlagen am Geldmarkt oder Investitionen in neue und ­höher verzinste US-Staatsanleihen rentabler, was die Berechnungsgrundlage und Risikobewertung an den Finanzmärkten ändert. Und ewig kann die Fed das Ende des Krisenmodus nicht aufschieben, da die US-Wirtschaft trotz starkem Dollar, schwacher Inflation und Finanzmarktstress besser läuft als erwartet.

"Nach gängiger Meinung sollte eine Straffung der Geldpolitik die Finanzmärkte im Allgemeinen und riskante Anlageklassen im Besonderen belasten. Diese Annahme wird jedoch durch die Empirie nicht gestützt", heißt es in einer Studie von Allianz Global Investors, welche die durchschnittlichen Erträge verschiedener Anlageklassen in den sechs Zinsanhebungszyklen der Fed seit 1983 ausgewertet hat. Laut Statistik erzielten in diesen Zeiträumen vor allem Risikoanlagen wie Rohstoffe und Aktien hohe Erträge.

Eins zu eins übertragbar seien die historischen Erkenntnisse auf die aktuelle Situation aber nicht, räumt auch Martin Hochstein ein, der Autor der Studie. So sei eine ähnlich gute Entwicklung von US-Staatsanleihen in diesem Zins­erhöhungszyklus schwer vorstellbar, da die niedrigen Kupons der bereits bestehenden Anleihen deren erwartbare Kursverluste kaum kompensieren würden. Außerdem habe jede Zinsperiode ihren eigenen Charakter. Im Zinszyklus ab 1994 seien die Börsenkurse abgestürzt, da der damalige Fed-Chef Alan Greenspan die Märkte mit einer schlecht kommunizierten und extrem schnellen Anhebung der Leitzinsen auf dem falschen Fuß erwischt und damit Börsen und Wirtschaft stark verunsichert habe.

Langsamer Anstieg mit Ansage

Aus dieser Episode hat auch die Fed gelernt. Sie versucht, die Wirtschaft und die Märkte nicht nur mit Stellungnahmen und Worten möglichst schonend auf das vorzubereiten, was kommen wird. Seit 2012 veröffentlichen die Fed-Mitglieder auch, welchen Leitzins sie zu welchem Zeitpunkt angemessen finden. Demnach halten 13 Fed-Mitglieder eine Zinserhöhung noch in diesem Jahr für sinnvoll, drei 2016 und einer erst 2017. Ein normales Zinsniveau von rund drei Prozent erwarten sie frühestens in zwei bis drei Jahren. Nur ein Fed-Mitglied - Jeffrey M. Lacker - wollte die Zinsen bereits vergangene Woche anheben.

Die Anhebung könnte also noch behutsamer angegangen werden als bisher gedacht - und das kommt bei den Anlegern gut an, die ohnehin bekräftigen, dass ihnen der sogenannte Zinspfad weit wichtiger ist als der Zeitpunkt der ersten Erhöhung. Da der Lift-off bei der Sitzung am Donnerstag aber ausge­blieben ist, wird dennoch weiter spekuliert werden. Als mögliche Termine gelten der 28. Oktober, wo aber eigentlich keine Pressekonferenz nach der Sitzung stattfinden soll. Im Falle einer Zinsanhebung würde diese wohl extra angesetzt. Deshalb rechnen die meisten Analysten eher damit, dass der historische Schritt am 16. Dezember kommt. Vielleicht stehen die Sterne ja dann günstiger, und Yellen kann beweisen, dass der Abschied vom Nullzins möglich ist.

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