Chef-Faktor: Mit diesen Aktien verdienen Sie kräftig mit!
Ein Drittel der Firmen aus DAX, MDAX, SDAX und TecDAX hat während der vergangenen fünf Jahre eine neue Führung bekommen. Wo sich das für Anleger auszahlt.
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von Klaus Schachinger, Euro am Sonntag
Nur noch wenige Tage. Nach der Hauptversammlung der Munich Re Ende April wird Joachim Wenning den Chefposten des weltweit größten Rückversicherers übernehmen. Der Konzern ist, zumindest auf den ersten Blick, in einer komfortablen Position. Über die vergangenen Jahrzehnte haben die Münchner, die in ihrem Kerngeschäft Risiken von Erstversicherern wie der Allianz absichern, hohe Reserven aufgebaut. Voriges Jahr erwirtschaftete die Munich Re 2,6 Milliarden Euro Gewinn, die Dividende wurde erneut angehoben.
Wenning aber kann sich nicht auf den Erfolgen der Vergangenheit ausruhen. Einige Trends sind beunruhigend. So dürfte der Gewinn im laufenden Jahr zum vierten Mal in Serie sinken. Das hat Gründe: Die einst hohen Renditen, die der Versicherer mit der Anlage der Prämien am Kapitalmarkt erzielte, sind durch das historische Zinstief geschmolzen. Im Kerngeschäft sind die Prämien für Rückversicherungen wegen der geringeren Nachfrage schon längere Zeit unter Druck. Jetzt wird auch die bisher robuste Nachfrage bei Cat-Bonds - besondere Policen zur Absicherung von seltenen, aber sehr hohen Schäden durch Naturkatastrophen - deutlich schwächer. Darüber hinaus trimmt die Munich Re die Erstversicherungstochter Ergo mit einem großen und teuren Umbau auf mehr Effizienz.
Vieles von dem, was Rendite und Profite bei der Munich Re bremst, ist durch allgemeine Entwicklungen im Versicherungsgeschäft zu erklären. Dennoch hat Wenning einige Hebel, um den negativen Gewinntrend mit eigener Kraft zu stoppen. Der promovierte Ökonom, der den Konzern seit 25 Jahren kennt und im Vorstand derzeit für Lebensrückversicherung und Personal zuständig ist, kündigte an, für einige in den Führungsetagen des Versicherers unbequem zu werden und auch "gegen den Strom zu schwimmen". Genau darauf hoffen Börsianer.
Ein Chefwechsel kann großen Einfluss auf die Kursentwicklung einer Aktie haben, weil ein neuer Mann an der Spitze viele Dinge bewegen kann. Aber ist ein neu besetzter Chefsessel wirklich eine Garant für steigende Aktienkurse? €uro am Sonntag hat nachgeforscht.
Die Redaktion hat Führungswechsel bei allen Unternehmen aus DAX, MDAX, SDAX und TecDAX in den vergangenen fünf Jahren untersucht. Von den 160 Unternehmen haben laut Datenbank der Redaktion 48 ihren Vorstandsvorsitzenden in diesem Zeitfenster mindestens einmal ausgetauscht.
Der Chef als Kurstreiber
Im Einzelfall sind die Auswirkungen auf den Aktienkurs beeindruckend: Beim Autowaschanlagenbauer Washtec ist der Börsenwert unter neuer Führung um 390 Prozent gestiegen, beim Chipkonzern Infineon um fast 300 Prozent.
Die Daten zeigen aber auch: Nicht jeder Chef bringt den Aktienkurs nach oben. Von den 48 neuen Bossen haben nur 24 seit Amtsantritt den Börsenwert ihres Unternehmens stärker erhöht, als der Vergleichsindex in der gleichen Zeit gestiegen ist. Das entspricht ziemlich genau der statistischen Wahrscheinlichkeit. Bemerkenswert ist dagegen ein anderes Ergebnis der Untersuchung: In der Summe haben die neuen Bosse die Indizes klar geschlagen. Wer die Aktien aller 48 Unternehmen am ersten Tag des neuen Vorstandsvorsitzenden gekauft hat, konnte den Index bis heute im Schnitt um 20 Prozentpunkte überbieten. Das liegt daran, dass die besonders erfolgreichen neuen Bosse - wie die von Washtec und Infineon - den Aktienkurs extrem deutlich nach oben treiben.
Im Detail ist jeder Fall anders. Einige Firmen profitierten in der Praxis nicht nur vom Chefwechsel, sondern auch von einem generell günstigen Wirtschaftsumfeld. Manchmal sind die Probleme so tief greifend, dass der starke Mann Zeit braucht und die Erfolge erst nach Jahren im Aktienkurs sichtbar werden. Dass Veränderungen bei Großkonzernen komplizierter sind als bei einer kleinen Firma, liegt auf der Hand. Trotzdem lassen sich erfolgreiche neue Chefs in drei Kategorien einteilen: Aufräumer, Beschleuniger und Revolutionäre.
Aufräumer sind Manager, die mit dem klaren Ziel eingesetzt werden, ein Unternehmen in turbulenten Zeiten zurück in die Spur zu bringen. Prominente Beispiele sind Matthias Müller bei dem durch die Dieselaffäre erschütterten VW-Konzern. Oder John Cryan, der die Deutsche Bank nach den Verwerfungen der Finanzkrise und hohen Geldstrafen neu aufstellen muss. Bei den Unternehmen der zweiten Reihe fällt Thomas Blades, seit Juli vergangenen Jahres Chef des Ingenieurdienstleisters Bilfinger, in die Kategorie Aufräumer.
Beschleuniger haben einen etwas einfacheren Job. Sie übernehmen eine solide Firma, die neuen Schwung braucht. Wie die Munich Re. Oder die Allianz, die mit Oliver Bäte seit nahezu zwei Jahren einen neuen Mann an der Spitze hat. Überfällige Veränderungen in der Versicherungsbranche wie die Digitalisierung können gerade in einem komplexen Konzern eine große Herausforderung sein. Bäte, so hört man aus firmennahen Kreisen, steht wegen seiner Digitalisierungsoffensive bei Traditionalisten der Allianz in der Kritik.
Bei Infineon hat Konzernchef Reinhard Ploss bei der bisher größten Übernahme der Münchner auch die Firmenkultur des US-Konzerns International Rectifier weitgehend reibungslos integriert. Die Strategie seines Vorgängers Peter Bauer, der den einst stark angeschlagenen Chipkonzern neu ausrichtete, setzt Ploss fort.
Tief greifende Veränderungen setzt Jürgen Köhler beim Grafitspezialisten SGL Carbon durch. Ein Meilenstein bei der Neupositionierung ist der Verkauf des einstigen Stammgeschäfts Grafitelektroden, das zuletzt hohe Verluste brachte. Köhler hat den Weg für profitables Wachstum mit Spezialanwendungen aus Grafit freigeräumt.
Joe Kaeser, seit 2013 an der Spitze von Siemens und von den Lesern von €uro und €uro am Sonntag zum Unternehmer des Jahres gekürt, gilt ebenfalls als Revolutionär. Auch weil er in dieser Zeitung den bevorstehenden Börsengang der Medizintechniksparte Healthineers als Vorlage für Parkettdebüts weiterer Konzernbereiche in Aussicht stellte.
Auf den nächsten Seiten folgen Firmen, die nach Meinung der Redaktion dank neuem Chef künftig überdurchschnittliche Wertzuwächse aufweisen werden können.
Aussichtsreiche Unternehmen mit Chef-Faktor (pdf)
Allianz
Schwieriger Wandel
von Klaus Schachinger
Wenn sich Führungskräfte in einem konservativen Konzern wie der Allianz mit gerade mal zehn Chefs in 127 Jahren auf schnelle Veränderungen in der Firmenkultur einstellen müssen, entstehen schon mal verhärtete Fronten. Oliver Bäte bekommt das zu spüren. Der Manager trat im Mai 2015 mit dem Versprechen an, die Allianz zu modernisieren, solange die Gewinne noch üppig fließen.
Vor seiner Zeit bei Europas größtem Versicherer arbeitete Bäte beim internationalen Beraterkonzern McKinsey. Für schwierige Veränderungen in einem Konzern von der Größe der Allianz sind diese Erfahrungen wertvoll. Bäte erhöht das Tempo und den Druck, macht ehrgeizige Renditevorgaben, verlangt niedrigere Kosten und höhere Gewinne. Bei der überfälligen Digitalisierung des Geschäfts setzt der Erfolg kleinerer Wettbewerber und die wachsende Bedeutung der Auswertung digitaler Daten den Primus unter Zugzwang. Altbewährte Abläufe und Vertriebswege, die Allianz-Vertreter einflussreich und den Konzern über Jahrzehnte erfolgreich gemacht haben, stellt Bäte auf den Prüfstand.
Weil der Ex-McKinsey-Manager nach Ansicht einiger Traditionalisten im Konzern häufig provoziert und unkonventionell agiert, soll es bei der Umsetzung seiner Pläne regelmäßig Widerstand geben. Allerdings kann sich Bäte bisher auf die Unterstützung seines Vorgängers Michael Diekmann verlassen. Der langjährige Chef hat den Manager intern als seinen Nachfolger aufgebaut, weil er ihm zutraut, den schwierigen Wandel des Traditionsunternehmens umzusetzen. Investoren sehen das offenbar ähnlich. Mit Bäte an der Spitze liegt der Wertzuwachs der Aktie bei 21,4 Prozent. Im Vergleich zum DAX hat die Allianz ebenfalls gut abgeschnitten. Auch, weil der Konzern unter Bäte seinen amerikanischen Vermögensverwalter Pimco wieder in die Spur brachte.
Um die Führung in neuen Märkten aufzubauen - etwa Policen gegen Firmendatendiebstahl durch Hacker oder die Schadensregelung bei autonomem Fahren -, müssen neue Ansätze entwickelt werden. Diese Nischen könnten für neue Konkurrenten wie den US-Internetkonzern Alphabet interessant werden. Die Geldspeicher der Allianz sind gut gefüllt. Im Vergleich zu 2014 ist das Eigenkapital mehr als doppelt so hoch. Bäte hat also Reserven für Zukäufe. Damit soll in einigen Ländern die für Skaleneffekte wichtige Hürde von zehn Prozent Marktanteil überschritten werden.
Bilfinger
Die Zukunft hat drei Zahlen
von Sven Parplies
Eine solche Fluktuation gibt es eigentlich nur bei chaotischen Fußballvereinen: Als Tom Blades vergangenen Sommer den Chefposten bei Bilfinger übernahm, war er der vierte Vorstandschef binnen zwei Jahren. Die Mannheimer waren in die Krise geraten, weil mit fallendem Ölpreis und der deutschen Energiewende die Nachfrage nach Ingenieurdienstleistungen deutlich gesunken war. Verstärkt wurden die Probleme durch die komplexen Strukturen des durch viele Übernahmen gewachsenen Konzerns.
Blades, ein in Hamburg geborener Brite, verzichtete auf spektakuläre Schnellschüsse und nahm sich stattdessen Zeit, die Probleme im Konzern, aber auch dessen Stärken zu ergründen. Dass Blades selbst Ingenieur ist, als Manager bei Linde und Siemens Erfahrungen mit komplexen Strukturen gesammelt hat, war bei der Analyse hilfreich.
Seit Februar steht die neue Strategie. Drei Zahlen heben die neuen Prioritäten hervor: zwei, vier und sechs. Die erste ist die wichtigste: Bilfinger will sein Geschäft auf die zwei Segmente Industrieanlagenbau und Instandhaltung konzentrieren. "In unseren Zielindustrien steigt die Anzahl an Anlagen und weltweit werden Anlagen älter und wartungsintensiver", so Blades zum Kern des neuen Bilfinger-Konzerns. Die Mannheimer wollen in den vier Regionen Kontinentaleuropa, Nordwesteuropa, Nordamerika und Naher Osten wachsen und Kunden aus sechs Industrien bedienen: Chemie, Energie, Öl, Pharma, Metallurgie und Zement. Ab dem kommenden Jahr sollen die Baustellen im Konzern abgearbeitet sein.
Dann strebt Blades Umsatzverbesserungen im Jahresschnitt um mindestens fünf Prozent an. Die Gewinnmarge (Ebitda) soll bis zum Jahr 2020 auf fünf Prozent steigen. Als Zeichen der Zuversicht zahlt Bilfinger nach der Nullrunde des Vorjahres wieder eine Dividende und will für bis zu 150 Millionen Euro eigene Aktien zurückkaufen.
Die Bilfinger-Aktie hat nach deutlichen Kursgewinnen im Herbst vergangenen Jahres zuletzt an Schwung verloren. Eine gewisse Vorsicht der Investoren ist nachvollziehbar. Schließlich hat Bilfinger demonstriert, wie schwierig ein Neuanfang in der Praxis sein kann. Großaktionär Cevian aber scheint dem neuen Chef zu vertrauen. Der Finanzinvestor gab Anfang März bekannt, dass er seine Beteiligung an Bilfinger von knapp 26 auf 29,5 Prozent aufgestockt hat. Auch Blades selbst hat ein Zeichen gesetzt. Im Februar kaufte er Bilfinger-Aktien für knapp 200.000 Euro.
Infineon
Ende der Achterbahnfahrt
von Klaus Schachinger
Es läuft. Am 4. Mai legt Europas größter Chipkonzern Infineon Quartalszahlen vor. Dass die US-Behörde CFIUS, welche die Übernahme von US-Firmen durch ausländische Unternehmen überwacht, den Kauf des amerikanischen Chipentwicklers Wolfspeed durch die Münchner in letzter Minute untersagt hatte, haben Aktionäre dann wohl abgehakt.
Infineon gehört in seinen Märkten weltweit jeweils zu den drei führenden Unternehmen. Und weil die Münchner rund drei Viertel ihres Umsatzes von zuletzt 6,5 Milliarden Euro mit Halbleitern für Autokonzerne und Firmen aus verschiedenen Industrien einfahren, brummt das Geschäft. Mitte April hatte der Konzern seine Prognosen für das Quartal und das Geschäftsjahr (bis Ende September) erhöht und will im Verlauf des Jahres auch mehr Geld in die eigene Chipfertigung investieren.
Bei sogenannten Leistungshalbleitern, ein Segment für Industriechips, bei dem die Münchner weltweit führend sind, leistet sich Infineon in Dresden die modernste Fertigungstechnologie. Inzwischen trägt die höhere Auslastung dort auch signifikant zu höheren Margen bei. Chef Reinhard Ploss dürfte das als promovierten Verfahrenstechniker stolz machen. Der Konzern hatte die Fertigung von Leistungshalbleitern auf größeren Scheiben mit 300 Millimeter Durchmesser unter seiner Führung weltweit als erster Konzern in Betrieb genommen.
Mit dem Kauf des US-Spezialisten für Leistungshalbleiter International Rectifier im Jahr 2015 für drei Milliarden Dollar lieferte der Vorstand unter Führung von Ploss den Beweis, dass die Münchner auch große Übernahmen reibungslos integrieren können. Mit den Amerikanern hat Infineon seine Marktführerschaft im Chipsegment deutlich ausgebaut. Ploss, der den Konzern seit 1986 kennt, als die heutige Infineon noch zu Siemens gehörte, hat die Strategie seines Vorgängers Peter Bauer weiterentwickelt. Statt einzelner Halbleiter soll Infineon zunehmend Chipsysteme liefern.
Mit dem Verkauf der Sparte für Handychips 2011 an Intel hat Ploss-Vorgänger Bauer den Konzern auf Halbleiter für Unternehmen und ihre Zulieferer fokussiert. Mit dem heutigen Portfolio ist die einst nervenaufreibende Achterbahnfahrt zwischen hohen Gewinnen und großen Verlusten vorbei. Ploss hat Infineon mit Chips und Sensoren für Entwicklungen wie Fahrassistenzsysteme, autonomes Fahren und die Digitalisierung von Produktionen stark aufgestellt.
Medigene
Rundum neu
von Julia Groß
Als die Münchner Biotechfirma Anfang 2014 das Start-up Trianta aus der Nachbarschaft übernahm und ankündigte, sich fortan auf Krebsimmuntherapie zu konzentrieren, erntete die Nachricht bei Investoren kaum mehr als ein Achselzucken. Noch eine Firma, die beim enormen Rummel um Medikamente, die das Immunsystem gegen Tumore aktivieren, mitmischen wollte. Und dann ausgerechnet Medigene: Ein Urgestein der deutschen Biotechszene, das zwar mit der Warzensalbe Veregen als erstes deutsches Biotechunternehmen eine Marktzulassung in den USA erreicht, sich mit seinen anderen Medikamentenprojekten jedoch ziemlich verzettelt hatte.
Vom Geschäft der alten Medigene ist heute kaum etwas übrig. Konsequent hat Dolores Schendel, die zunächst von Trianta als Forschungsvorstand ins Unternehmen kam und seit 2016 auch das Amt des CEO übernommen hat, die Altlasten verkauft, um Medigene wirklich als Immuntherapiefirma neu auszurichten. Nur Veregen, das immerhin einen Jahresumsatz von rund drei Millionen Euro einbringt, ist noch im Portfolio. Doch auch hier gibt man sich gegenüber "strategischen Alternativen" aufgeschlossen. Medigene ist heute ein schlank aufgestelltes Unternehmen mit einer exzellenten wissenschaftlichen Grundlage. Als ehemalige Direktorin des Instituts für Immunologie am Helmholtz-Zentrum München hat die bestens vernetzte Schendel mehrere Technologien zur Krebsbekämpfung für Medigene mitgebracht. Sie beruhen darauf, patienteneigene Immunzellen mit Oberflächenmerkmalen auszustatten, sodass sie Tumorzellen erkennen können. Solche Therapien sind denkbar als Ergänzung zu Krebsmedikamenten, aber auch als alleinige Behandlungsmethode.
Wie begehrt dieser Ansatz ist, zeigt die 2016 bekannt gegebene Kooperation mit Bluebird Bio. Die US-Firma gilt als eine der führenden auf diesem Gebiet. Dass Medigene ihr vier Produktkandidaten liefert, ist Bluebird bis zu einer Milliarde Dollar wert. Auf weitere Kooperationen dieses Kalibers sollen Aktionäre sich jedoch lieber nicht freuen, sagt die gebürtige Amerikanerin Schendel. Sie will mit der kleinen Mannschaft vorrangig die eigenen Produktentwicklungen vorantreiben. Zwei Studien werden im laufenden Jahr starten. Bis die neuen Therapeutika marktreif sind, wird es noch dauern. Das Geld reicht zumindest noch bis Ende 2018. Was zählt, sind aber die attraktiven Perspektiven: Medigene ist wieder international konkurrenzfähig.
SGL Carbon
Vor der Trendwende
von Florian Westermann
Der Chef des Technologiekonzerns SGL Carbon, Jürgen Köhler, kämpft seit seinem Amtsantritt Anfang 2014 mit Sparprogrammen gegen die Krise. Trotzdem verlor die Aktie unter Köhlers Regie in der Spitze 70 Prozent.
Besonders das Geschäft mit Grafitelektroden, das unter der schwachen Nachfrage aus der Stahlindustrie leidet, sorgte immer wieder für Unmut. Im vergangenen Jahr fuhr der Konzern, an dem auch die Autobauer BMW und VW beteiligt sind, einen Verlust von 112 Millionen Euro ein. Doch die Trendwende ist in greifbarer Nähe. Für 2017 rechnen Analysten nur noch mit einem geringen Nettoverlust, bevor 2018 der Sprung in die Gewinnzone gelingen soll.
Für das schwächelnde Geschäft mit Grafitelektroden fand Köhler im Oktober einen Käufer. Der Verkauf an die japanische Chemiefirma Showa Denko soll bis Mitte des Jahres abgeschlossen sein. Dass der Deal scheitert, gilt als unwahrscheinlich. Die Analysten vom Bankhaus Lampe rechnen fest damit, dass Köhler den Konzernumbau in diesem Jahr abschließen wird. Der Verkauf der Grafitelektrodensparte und der ebenfalls anstehende Verkauf des Kathodengeschäfts dürften über 400 Millionen Euro bringen. Gestützt durch die beiden Großaktionäre Skion - die Beteiligungsgesellschaft der Industriellenerbin Susanne Klatten - und BMW, besorgte sich SGL weitere 180 Millionen Euro über eine Kapitalerhöhung.
Mit gestärkter Bilanz wird der SGL-Chef den Fokus künftig auf Carbonfasern und Spezialgrafitprodukte legen. Besonders aussichtsreich erscheint neben der Energie- und Luftfahrtbranche das Geschäft mit Leichtbaustoffen für die Automobilindustrie. Immer strengere Abgasvorschriften zwingen die Autobauer zum verstärkten Einsatz von Verbundstoffen. Je leichter ein Fahrzeug ist, desto weniger Kohlendioxid emittiert es. Einer Studie von McKinsey zufolge wächst der Markt für Leichtbau von 70 Milliarden Euro im Jahr 2015 auf über 300 Milliarden im Jahr 2030. Gestützt von der Autoindustrie dürfte die Nachfrage nach kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffen (CFK) dabei um jährlich fast ein Fünftel zulegen. Gegenüber Stahl lässt sich durch den Einsatz von Faserverbundwerkstoffen wie CFK die Hälfte des Gewichts einsparen.
Mit den Elektromodellen i3 und i8 gilt BMW als Vorreiter in dem Segment. Zusammen mit BMW betreibt SGL bereits ein Gemeinschaftsunternehmen zur Versorgung der Münchner mit CFK-Bauteilen. Auch bei der 7er-Luxuslimousine setzt BMW auf CFK. Der Werkstoff dürfte in Zukunft bei weiteren Baureihen zum Einsatz kommen. Um die hohen Kosten bei der CFK-Fertigung zu senken, sind vollautomatische Prozesse unabdingbar. Durch die Erfahrung mit BMW sehen die Analysten vom Bankhaus Lampe SGL anderen Anbietern gegenüber klar im Vorteil.
Köhler kann aber nicht nur auf die Zusammenarbeit mit BMW bauen. Mit Volvo setzt bereits der nächste Autobauer im großen Stil auf Verbundwerkstoffe. Bei zehn bis zwölf weiteren Entwicklungsprojekten arbeitet der MDAX-Konzern laut Bankhaus Lampe mit Erstausrüstern aus der Autobranche zusammen. SGL-Chef Köhler ist auf dem besten Weg, verloren gegangenes Terrain zurückzugewinnen. Die SGL-Aktie ist somit eine riskante Wette auf den Turnaround.
Siemens
Visionäre Veränderung
von Florian Westermann
Mit einer Wertsteigerung von über 70 Prozent hat die Siemens-Aktie seit dem Amtsantritt von Joe Kaeser vor knapp vier Jahren den DAX hinter sich gelassen. Der Run auf die Titel setzte allerdings erst vor einem Jahr ein - davor waren sie wie Blei in den Regalen gelegen.
Vor der Ära Kaeser mangelte es dem Industrieriesen an einem klaren Ziel. Das alte Management werkelte ständig an neuen Zielen, ein klarer Fokus fehlte. Auch Kaeser tat sich anfangs schwer, den Industriegiganten mit 350 000 Mitarbeitern auf Kurs zu bringen.
Siemens trennte sich von Sparten wie Haushaltsgeräte, Hörgeräte oder der Lichttechnik Osram und richtete den Konzern auf die Bereiche Industrieautomatisierung, Energietechnik und Gesundheitstechnik aus. Tausende Mitarbeiter mussten gehen. Einschnitte, die Siemens auf den Wachstumskurs zurückbrachten.
Mit einem Börsenwert von über 100 Milliarden Euro liegt Siemens inzwischen nur knapp hinter SAP auf Rang 2 im DAX. Die alten Höchststände aus dem Jahr 2000 übertraf der Aktienkurs erst kürzlich. Die Chancen stehen gut, dass die positive Entwicklung weitergeht. Für das bis Ende September laufende Geschäftsjahr erhöhte Kaeser unlängst den Ausblick. Der Siemens-Boss will die operative Marge auf bis zu zwölf Prozent steigern. Auch bei der Dividende schöpft er aus dem Vollen. Seit drei Jahren erhöht der Konzern die Zahlung. Analysten rechnen damit, dass Siemens im kommenden Jahr erneut mehr Geld an seine Anteilseigner ausschüttet.
Auch der geplante Börsengang der Medizintechniksparte Healthineers, dem größten Gewinnbringer im Konzern, sorgt für Fantasie. Kaeser will die Sparte aber nicht komplett abgeben und die Mehrheit behalten. Ein Minderheitsanteil dürfte dem Konzern zwischen fünf und zehn Milliarden Euro in die Kassen spülen. Weiteres Geld könnte Kaeser mit dem Börsengang von Sparten wie der Industrieautomatisierung oder dem Energiemanagement einnehmen.
Damit würde Kaeser Siemens eine völlig neue Struktur verpassen. "Ich kann mir durchaus eine Zukunft vorstellen, wo wir Anlegern die Möglichkeit geben, nicht nur in ein Unternehmen Siemens Healthineers oder Siemens-Gamesa Erneuerbare Energien gezielt zu investieren, sondern auch in ein leistungsstarkes digitales Industrieunternehmen", sagte der Siemens-Chef im Gespräch mit €uro am Sonntag. Und wer die Sicherheit eines starken Mischkonzerns mit geringer Volatilität und robuster Dividendenrendite schätze, könne in die konsolidierende Einheit investieren, betonte der Manager. Im Aufsichtsrat regt sich allerdings Widerstand gegen solche Pläne. Auf einer Sitzung des Kontrollgremiums Anfang Mai wird sich Kaeser wohl vielen kritischen Fragen stellen müssen.
Unter Dach und Fach ist indes der Zusammenschluss des Windanlagengeschäfts mit dem spanischen Windkraftkonzern Gamesa. Zudem machen Gerüchte um eine Fusion des Zuggeschäfts mit der Zugsparte von Bombardier die Runde.
Ob sich Kaeser mit seinen Visionen für den Konzernumbau durchsetzen kann, bleibt abzuwarten. Bei den Anlegern würden seine Ideen wohl für viel Freude sorgen. So gut wie sicher scheint indes Kaesers Vertragsverlängerung im Sommer. Damit bliebe dem Siemens-Boss Zeit bis 2022, um den Konzern weiter voranzubringen.
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