Euro am Sonntag-Titel

Dividendenjäger aufgepasst! Wo es die meisten Dividenden gibt

19.11.15 20:00 Uhr

Dividendenjäger aufgepasst! Wo es die meisten Dividenden gibt | finanzen.net

Deutschlands Topkonzerne werden im kommenden Jahr mehr als 30 Milliarden Euro Dividende ausschütten. Wo Anleger Kasse machen, wer zittern muss.

von Sven Parplies, Euro am Sonntag

Man muss schon weit in den Geschichtsbüchern zu­rück­blättern. Seit 1952, als die Deutsche Bank nach Ende des Zweiten Weltkriegs neu formiert wurde, hat das Finanzhaus regelmäßig Dividende gezahlt. Selbst auf dem Höhepunkt der großen Finanzkrise, als viele Konkurrenten ihre Ausschüttung gestrichen hatten, zahlte die Deutsche Bank weiter eine Dividende - als Zeichen der Stärke. Jetzt reißt die Serie. Vorstands­chef John Cryan hat entschieden, dass es für das laufende und das kommende Jahr kein Geld für die Aktionäre ­geben wird. Der Dividenden-­Schock kommt ausgerechnet in jenem Jahr, in dem sich die Commerzbank zurückmeldet. Der kleine Lokalrivale stellt erstmals seit sieben Jahren eine Zahlung in Aussicht. 20 Cent je Aktie hat er beiseitegelegt.



Der Rollenwechsel der Banken wird nicht die einzige spektakuläre Entscheidung in der ­Dividendensaison des DAX bleiben. Das zeigt eine Analyse von €uro am Sonntag, bei der die Redaktion Geschäftsberichte und Prognosen, Dividendenpolitik und Historie der deutschen Topkonzerne ausgewertet hat.

Insgesamt dürften die Indexmitglieder erstmals mehr als 30 Milliarden Euro ausschütten. Möglich wird die Rekordsumme durch 24 Dividendenerhöhungen, aber auch den Wechsel in der Zusammensetzung des Index: DAX-Neuling Vonovia wird knapp 400 Millionen Euro mehr ausschütten als Absteiger Lanxess im vergangenen Jahr.

Topzahler Allianz

Verlassen können sich Anleger auf die Schwergewichte: Die Allianz wird nach unserer Hochrechnung ihre Ausschüttung um sechs Prozent auf 7,25 Euro je Aktie anheben. Damit würde der Versicherungskonzern nach der Hauptversammlung im Mai 3,3 Milliarden Euro verteilen - mehr als jeder andere Konzern im Deutschen Aktienindex. Knapp dahinter erwarten wir mit 3,2 Milliarden Euro Daimler. Siemens hat bereits angekündigt, um 20 Cent auf 3,50 Euro aufzustocken. Das entspricht 2,9 Milliarden Euro.


Spannend wird es bei Volkswagen. Der Skandal um manipulierte Abgaswerte hat den Konzern tief erschüttert. Knapp neun Milliarden Euro haben die Wolfsburger bereits für die Aufräumarbeiten zur Seite gelegt. Trotz hoher Sonderlasten werden sie im laufenden Jahr viel Geld verdienen. Nach neun Monaten waren es bereits 8,5 Milliarden. Geld für eine Dividende auf Vorjahresniveau, als Volkswagen 2,3 Milliarden Euro ausschüttete, wäre also vorhanden.

Allerdings müssen Vorstand und Aufsichtsrat genau abwägen: Die Kosten für den Abgasskandal können noch deutlich steigen. Einige Analysten erwarten Schadenersatzforderungen im mittleren zweistelligen Milliardenbereich. Zugleich laufen Verhandlungen mit Gewerkschaften, die Kosten im Konzern zu drücken. Eine Nullrunde bei der Dividende würde in diesem Umfeld also Sinn machen.


Bleibt die Frage, welche Rolle die Großaktionäre spielen: Knapp über 50 Prozent der Stimmrechte liegen bei der Porsche Automobil Holding, 20 Prozent beim Land Niedersachsen, 17 Prozent beim Wüstenstaat ­Katar. Formal haben Großak­tionäre keinen besonderen Einfluss auf die Dividende - in der Praxis aber wagen nur wenige Unternehmenslenker eine Machtprobe.

Die Schätzungen der Analysten für die im DAX notierten VW-Vorzüge gehen weit ausei­nander: von sechs Cent bis zum Vorjahreswert von 4,86 Euro je Aktie. Wir kalkulieren mit einer Kürzung um zwei Euro auf 2,86 für die Vorzüge und 2,80 Euro für die Stammaktie. Das würde VW 1,2 Milliarden Euro kosten. Sollte der Konzern die Dividen­de stärker drücken, würde der DAX die Ausschüttungssumme des Vorjahres wohl nicht überbieten können.

Die Lage bei Volkswagen zeigt, wie komplex die Dividendenentscheidung sein kann. Streng genommen beteiligen Unternehmen über die Ausschüttung ihre Aktionäre am Jahresergebnis. Das bedeutet: Steigt der Gewinn, geht es mit der Dividende in ähnlichem Umfang nach oben. Ohne Jahresgewinn fällt die Dividende aus. Im Idealfall steigt die Ausschüttung jedes Jahr an. Einige amerikanische Unternehmen wie Coca-Cola oder Procter & Gamble steigern ihre Ausschüttung sogar seit mehr als 50 Jahren kontinuierlich. Das erfordert ein starkes Geschäftsmodell - und etwas Fingerspitzengefühl.

Wer die Dividende in Boom­phasen zu stark hebt, bekommt in Krisenzeiten Probleme. Um flexibel, aber auch berechenbar zu sein, haben viele Unternehmen einen Korridor für die Ausschüttungsquote ausgegeben. Siemens beispielsweise will 40 bis 60 Prozent des Gewinns nach Steuern unter seinen Ak­tionären verteilen. In Jahren mit deutlichen Gewinnsteigerungen liegt die Quote am unteren Rand, in schwächeren Jahren am oberen.

Signale richtig lesen

Die Ausschüttung ist nicht nur eine Gewinnbeteiligung der Aktionäre, sondern auch ein Signal an die Finanzmärkte. Wenn die Deutsche Bank die Dividende streicht, weist das auf tiefer gehende Probleme hin. Meist entwickelten sich Aktien nach einer Streichung langfristig schlechter als der Gesamtmarkt. Wird dagegen nach längerer Pause wieder gezahlt - wie jetzt bei der Commerzbank -, ist das ein klar positives Signal, das an der Börse meist mit Kursgewinnen belohnt wird. Das erklärt auch, warum die Deutsche Bank beteuert, ab dem Jahr 2017 eine "Dividende in Höhe ­einer wettbewerbsfähigen Ausschüttungsquote" zu zahlen.

Ein Zeichen erwarten Aktionäre auch von der Deutschen Post. Dort ist der Konzerngewinn nach neun Monaten um 39  Prozent eingebrochen. Dennoch rechnen die meisten Analysten und auch wir mit einer moderaten Dividendensteigerung, da das Konzernergebnis durch Sonderbelastungen wegen technischer Probleme in der Logistiksparte belastet wurde. Die Post selbst sieht 2015 als "Jahr des Übergangs". Eine Dividendensteigerung wäre deshalb ein Signal, dass der gelbe Riese an eine Trendwende glaubt.

Lufthansa wackelt

Auch die Lufthansa muss überlegen, wie wichtig ihr die Dividende ist. Die Airline ringt seit Monaten mit Piloten und Flugbegleitern um einen Tarifvertrag - eine Dividendenzahlung könnte die Stimmung im Konzern weiter verschlechtern. Zudem dürfte kaum ein Investor die Lufthansa-Aktie wegen der Dividende kaufen, da der Konzern aufgrund seines stark zyklischen Geschäftsmodells in dieser Beziehung extrem unzuverlässig ist. Der Vorstand der Airline hat bereits Stellung bezogen: "Gemessen an den aktuellen Geschäftszahlen werden wir wohl wieder eine Dividende vorschlagen können", erklärte die Lufthansa mit Bekanntgabe der jüngsten Konzernergebnisse.

Eine Trendwende zeichnet sich bei der Deutschen Telekom ab. Erstmals seit acht Jahren könnte die Zahlung an die Aktionäre steigen. Bei den Versorgern, die lange als sichere Bank für hohe Dividenden galten, bleibt die Lage angespannt. Der Vorstand von RWE will sich noch nicht äußern. Analysten erwarten aber erneut eine Kürzung - es wäre die fünfte in neun Jahren. Eon hat dagegen bekräftigt, erneut 50 Cent zu zahlen.

Serientäter Fresenius

Routine ist die Dividenden­erhöhung bei Fresenius. Der Gesundheitskonzern wird seine Ausschüttung zum 23. Mal in Serie aufstocken. Der Vorstand hat einen Aufschlag von "deutlich mehr als 20 Prozent" in Aussicht gestellt. Die Tochtergesellschaft Fresenius Medical Care wird die Ausschüttung zum 19. Mal in Serie anheben. Bei Bayer können sich Anleger auf den elften Aufschlag in zwölf Jahren einstellen. Die Dividendenrendite dieser Aktien liegt aber deutlich unter dem Durchschnitt.

Ohnehin ist der DAX ein schwieriger Index für Dividendenfreunde. Klassisch defensive Branchen wie Nahrungsmittel sind nicht vertreten. Die Versorger leiden unter Sondersituationen. Die Masse der Unter­nehmen kommt aus zyklischen Branchen. Wer eine hohe Dividendenrendite mit DAX-Aktien will, muss also größere Kursrisiken in Kauf nehmen.

Aktien statt Bargeld

Tauschprogramm: Die Dividende wird meist als Bargeld ausbezahlt. Einige Unternehmen bieten als Alternative Aktien. Prominentester Fall ist die Deutsche Telekom, die seit drei Jahren ein Tauschprogramm anbietet. Zuletzt konnten Investoren für Pakete von jeweils 31 T-Aktien die Bargelddividende in ein neues Papier tauschen. Beim Energiekonzern Eon konnten Aktionäre nach ähnlichem Muster einen Teil der Bargelddividende - 36 von 50 Cent - in neue Aktien umwandeln. Der Tausch ist freiwillig.

Profiteure: Aktien statt Bargeld. Das lohnt sich für Anleger, die langfristig in ein Unternehmen investieren wollen. Aber: Die neuen Papiere verwässern das Gewicht einer einzelnen Aktie und der Bewertungskennziffern wie Gewinn je Aktie. Vorteil für das Unternehmen: Je mehr Anleger neue Aktien wählen, desto weniger Bargeld muss ausgeschüttet werden. Das schont die Konzernbilanz.

Akzeptanz: Bei der Telekom wurde die Dividende in diesem Jahr für 49 Prozent der Papiere in Aktien getauscht. Dadurch hat der Konzern mehr als eine Milliarde Euro gespart. Zugleich stieg die Zahl der T-Aktien um 71 Millionen Stück. Bei Eon lag die Annahmequote bei 37 Prozent. 20 Millionen Aktien im Wert von 260 Millionen Euro wurden neu ausgegeben.

Prognose: Die DAX-Dividenden für 2015 A bis F (PDF)
Prognose: Die DAX-Dividenden für 2015 H bis V (PDF)

Investor-Info

Dividende
Ein neuer Rekord

Die 30 DAX-Konzerne dürften im kommenden Jahr so viel Geld an ihre Aktionäre verteilen wie nie zuvor. Seit 2009 sind die Ausschüttungen der Indexmitglieder um mehr als 50 Prozent gestiegen. Die Dividenden der größten deutschen Unternehmen sind aber nicht immun gegen Rückschläge, wie das Jahr 2009 zeigt. Auch 2013 gab es in der Summe etwas weniger Geld als im Vorjahr.

Rendite
DAX schlägt Bundesanleihe

Die europäische Staatsschuldenkrise und die Zinspolitik der Zentralbank haben die Rendite von Bundesanleihen auf ein Rekordtief ­gedrückt. Wer der Bundesrepublik für zehn Jahre Geld leiht, bekommt derzeit lediglich 0,6 Prozent Zinsen - die Dividendenrendite des DAX liegt bei drei Prozent. Anfang 2011 lagen die Renditen der Zehnjährigen und der DAX-Dividende fast gleichauf.

Dividendenrendite
Mehr ist nicht immer besser

Der DivDAX bündelt jene 15 DAX-Aktien mit der höchsten Dividendenrendite. Seit 1999 hat der DivDAX den DAX um mehr als 70 Prozentpunkte geschlagen. Rechnet man allerdings erst ab dem Jahr 2008, hat der DAX die Nase vorn. 2015 liegt der Dividendenindex bislang sieben Prozentpunkte zurück.

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Bildquellen: Ralph Orlowski/Getty Images, VojtechVlk / Shutterstock.com

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