Start-ups: Einen Markt für Risikokapital schaffen
Allen Absichtserklärungen aus Politik und Wirtschaft zum Trotz - die Förderung von Start-ups und Innovationen in Deutschland hinkt im internationalen Vergleich weit hinterher.
Werte in diesem Artikel
von Cornelius Boersch, Gastautor von Euro am Sonntag
Unternehmensgründungen und Förderung der Start-up-Kultur sind in aller Munde. Gern schmücken sich Politik und Wirtschaft mit öffentlichkeitswirksamen Vorzeigeprojekten und -preisen laut die Innovationskraft disruptiver Geschäftsmodelle an. Doch als strategischer Investor und operativer Helfer von solchen Start-up-Unternehmen stellen wir fest: Oft fehlt das tiefere Verständnis für diese Geschäftsmodelle und die Bereitschaft, dort echtes oder politisches Kapital zu investieren.
In den USA standen im vergangenen Jahr umgerechnet rund 60 Milliarden Euro an Risikokapital zur Verfügung, bei uns waren es nur knapp 1,7 Milliarden. Deutschland wird ganz offenkundig in diesem Bereich seiner wirtschaftlichen und innovativen Führungsrolle nicht gerecht. Warum nicht?
Start-ups sind zu Beginn kleine dynamische Einheiten mit einer hohen Innovationskraft. Sie setzen auf neue Technologien, viel früher und schneller als das große Unternehmen machen. Ihr Ziel ist es, marktreife Produkte zu entwickeln - ein ganz entscheidender Beitrag für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft. Um aber am Markt zu bestehen und die Produkte zu entwickeln, brauchen die Start-ups ein gutes Finanzierungsumfeld. Das ist in Deutschland nicht der Fall. Zum Teil haben die Unternehmungen erhebliche Finanzierungsprobleme.
Das Risiko, das mit den Erfolgs- und Wachstumschancen verbunden ist, ist natürlich schwieriger zu beurteilen als bei etablierten Unternehmen. Ist Venture Capital die Lösung? Je innovativer und jünger ein Unternehmen, desto wichtiger ist diese Finanzierungsform. Denn fehlende Unternehmenshistorie, Mangel an Sicherheiten und hohe Unsicherheit über den Erfolg von Innovationen bewirken eine Zurückhaltung bei den Fremdkapitalgebern. Entsprechend wichtig ist Wagniskapital für sie. Es ist eine sinnvolle, ja überlebenswichtige Finanzierungsalternative. Allerdings hat der Markt für Risikokapital in Deutschland erheblichen Nachholbedarf.
Zum einen sind die Rahmenbedingungen nicht vorteilhaft und zum anderen gibt es eine erhebliche Zurückhaltung bei den Investoren. Die zielen auf kurzfristige Renditeversprechungen ab. Start-ups können aber in aller Regel nur ein langfristiges und unsicheres Renditeversprechen abgeben. Bis sie erfolgreich am Markt sind, brauchen E-Commerce-Unternehmen zwischen sechs und acht Jahren, Technologieunternehmen sogar zwischen zehn und zwölf. Investoren brauchen also einen langen Atem. Und natürlich ist der Prozess bis dahin zäh und mit vielen Finanzierungsrunden gepflastert.
Trends im digitalen Bereich
nähern sich international an
Company Builder beziehungsweise Inkubatoren nehmen hier eine zentrale Funktion ein und sind dadurch ein interessantes Vehikel, um in diese Assetklasse zu investieren. Hinter dem Company Building verbirgt sich die Idee, Start-ups "industriell" zu produzieren, um von der hohen Wertschöpfung in der sehr frühen Phase des Unternehmensaufbaus zu profitieren. Damit lassen sich höhere Renditen erzielen als mit dem eher passiven Investieren durch eine Risikokapitalgesellschaft. Die Statistik zeigt, dass sich mit klassischen Venture-Capital-Investitionen nur selten Geld verdienen lässt, weshalb der Ansatz des Company Buildings bei vielen Fachleuten als einer der Megatrends der nächsten Jahre gesehen wird.
Mit Blick auf das Risiko zeigt es sich, dass es durchaus sinnvoll ist, bereits etablierte Geschäftsmodelle zu kopieren. So funktioniert ein erfolgreiches Digitalmodell in London oder Berlin genauso wie eines in Kuala Lumpur oder Jakarta. Die Bedürfnisse und Trends im digitalen Bereich nähern sich zunehmend an.
Auch lässt sich das Risiko vermindern, wenn Start-ups sich in einer kontrollierten Umgebung mit viel Unterstützung entwickeln.
Sogenannte Inkubatoren leisten hier weltweit einen wichtigen Beitrag, wo den Start-ups insbesondere im Onlinemarketing, in der Kapitalbeschaffung, oder auch bei HR-Themen geholfen werden kann.
Durch diese beiden Ansätze lassen sich die Renditen bei Investitionen in Start-ups steigern. Das verpönte Copycat-Modell hat erheblich zur Minderung des Risikos beigetragen. Über börsennotierte Beteiligungsgesellschaften bekommen auch interessierte Retail-Investoren Zugang zu dieser Assetklasse. Mountain Partners hat sich daher dazu entschieden, bei der im m:access-Segment notierten Ecommerce Alliance einzusteigen, einer operativen Beteiligungsgesellschaft mit Fokus auf reifere digitale Unternehmen.
Trotz des Hypes um Start-ups in den vergangenen Jahren sind die Investitionsbedingungen in Deutschland nach wie vor schlecht. So sind deutsche Börsengänge für Internet- oder Techunternehmen weiterhin sehr selten. Dabei sind IPOs oft ein renditestarker Exitkanal für Venture Capital. Aufgrund des erheblichen Aufwands sind sie allerdings nicht für jedes Start-up geeignet. Auch ist das gegenwärtige Marktumfeld für Techunternehmen im Allgemeinen schwierig. Ein erfolgreicher Börsengang (Initial Public Offering, IPO) bietet zwar die besten Renditeaussichten für Investoren, aber andere Kanäle sind möglicherweise besser geeignet, die spezifischen Bedürfnisse der Start-ups aufzugreifen.
Exitkanäle für den Ausstieg aus einer Beteiligung sind daher typischerweise Trade Sales, also der Verkauf an einen strategischen Investor, beispielsweise ein Industrieunternehmen der gleichen Branche. Auch "Secondaries", also der Weiterverkauf an eine andere Kapitalbeteiligungsgesellschaft, spielen eine wesentliche Rolle. Die Nachfrage nach Venture Capital durch Start-ups ist in Deutschland ja vorhanden. Die Gründe für das vergleichsweise geringe Angebot sind neben rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen vor allem die Exitperspektiven. Denn die Anreize für Investitionen sind umso höher, je besser die Möglichkeiten sind, beim Ausstieg aus Beteiligungen eine hohe Rendite zu erzielen.
Es wäre wünschenswert, wenn die Deutsche Börse und auch die Politik ihre Bemühungen bezüglich eines Risikokapitalmarktes weiter verstärken würden. Ebenso müssten Anlagerichtlinien für die großen Kapitalsammelstellen dereguliert werden, um Investitionen in jüngere Unternehmen oder auch Private Equity stärker zu ermöglichen. Dadurch könnte ein gut funktionierendes Ökosystem entstehen, in dem sich Start-ups entwickeln und groß werden. Denn sie sind für unsere Volkswirtschaft entscheidende Treiber von Innovation und Wachstum und damit für künftigen wirtschaftlichen Wohlstand.
Kurzvita
Cornelius Boersch,
Gründer von
Mountain Partners
Boersch hat zahlreiche Technologiefirmen aufgebaut und erfolgreich verkauft. Seit 1995 hat er in über 250 Start-ups, vor allem im digitalen Bereich investiert. So war er Business Angel und Investor bei Scout, Alando-Ebay, Smartrac oder auch Lieferando.
Boersch, der 1998 an der Universität Essen promovierte, ist Gründer der Mountain Partners AG, die sich als weltweit erfolgreicher Company Builder etabliert hat. Sein Unternehmertag am Tegernsee gilt als eine der Flagship-Netzwerkveranstaltungen in Europa. Viele Jahre war er einer der engsten Berater von Guido Westerwelle und von anderen
deutschen Politikern.
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