Banken: Bei Filialen zu Tode gespart
31.07.16 16:00 Uhr

Allein die Deutsche Bank will bis Ende 2017 rund 190 Filialen schließen. Warum Automaten Mitarbeiter jedoch nicht ersetzen können.
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von Roman Becker, Gastautor von Euro am Sonntag
Es gehört zu den modernen Ritualen, dass Banken und Sparkassen ankündigen, Filialen zu schließen. Sie versuchen damit, Kosten zu senken und Gewinne zu steigern. Doch tatsächlich ist es wie beim Schokoriegel: Dem kurzfristigen Nutzen folgt der mittel- und langfristige Schaden.
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Der kleine Hunger nach besseren Margen ist nachvollziehbar, wenn die stationären Systeme argwöhnisch auf ihre Direktbankkollegen schielen. Wenn Banken im großen Stil Filialen schließen, nehmen sie ihren treuen Kunden das letzte Argument, ihr Kunde zu bleiben. Was als Sparmaßnahme beginnt, endet im Untergang.
Diese Strategie mag helfen, eine Durststrecke zu überstehen, bis das Zinsniveau wieder steigt. Doch die Welt dreht sich weiter und das Zinsniveau ist zwar ein erfolgskritischer Faktor, aber nicht der einzige.
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Wenn ein Kunde unserer Tage seine Geldgeschäfte nicht über eine Direktbank abwickelt und sich stattdessen für eine Betreuung in der Filiale entscheidet, hat das einen Grund: Der Kunde sucht einen persönlichen Ansprechpartner, der ihm bei Bedarf zur Seite steht und Auskunft geben kann.
Kunden haben das Bedürfnis
nach persönlichem Kontakt
Aus unserer Forschung wissen wir, dass es Unternehmen immer dann gelingt, eine stabile, lang anhaltende und wertschöpfende Bindung zu ihren Kunden aufzubauen, wenn sie den zentralen Kundennutzen erkennen und kontinuierlich bedienen. Aus dieser Passung entsteht Identifikation und gefühlte Einzigartigkeit. Wächst diese emotionale Bindung, so werden aus Kunden Fans. Deswegen sprechen wir hier vom Fan-Prinzip. Von stationären Banken wissen wir, dass deren Kunden sich eher weniger mit Finanzthemen auskennen oder sich weniger dafür interessieren und deshalb den persönlichen Kontakt wünschen.
Wenn Unternehmen die zentralen Bedürfnisse ihrer Kunden nicht mehr bedienen, lässt die Bindung nach, und eher früher als später geht der Kunde. Wenn Filialbanken Geschäftsstellen abbauen und Mitarbeiter durch Automaten ersetzen, berauben sie sich eines zentralen Unterschieds zu den Direktbanken. Statt auf die eigenen Stärken zu setzen, reduzieren sie ihre Leistungen in entscheidenden Bereichen. Wenn so eine Filialbank lieber Direktbank spielt, treibt sie ihre treuen Kunden zu denen, die dank zehn Jahren Erfahrungsvorsprung Direktbank am besten können.
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Um nicht missverstanden zu werden: Nicht jede Filiale muss um jeden Preis erhalten bleiben. Wir haben für ein Institut gemessen, dass deren Bankkunden bereit sind, eine Wegstrecke von bis zu zehn Minuten in Kauf zu nehmen, ohne dass ihre Bindung sinkt - ein Wert, den es sicher für jedes Haus individuell zu erheben gilt. Eine maßvolle Konsolidierung des Filialnetzes ist also aus unserer Sicht unschädlich.
Der "Fan" bleibt trotz
Zusatzkosten bei seiner Bank
Doch was können Filialbanken tun? Ganz einfach. Wir raten dazu, ihre Zusatzleistungen auszubauen und konsequent zu bepreisen. Das klingt gewagt, den Kunden gegenüber weniger charmant und katapultiert wohl manchen Vorstand aus seiner Komfortzone. Aber unsere Fan-Forschung belegt, dass zufriedene und emotional gebundene Kunden - also die Fans - gern bereit sind, für den Mehrwert zu zahlen. Dies allerdings setzt motiviertes und qualifiziertes Personal voraus - daran hapert es jedoch häufig.
Unsere Analysen sind eindeutig: Der Fan-Kunde wird trotz Zusatzkosten bei seiner stationären Bank bleiben, wenn, weil und solange er den entscheidenden Nutzen für sich sieht. Kunden hingegen, die aufgrund kostenpflichtiger Zusatzleistungen zur Konkurrenz abwandern, sollte eine Bank freiwillig ziehen lassen. Solche "Söldnerkunden" sind zwar zufrieden, aber nicht emotional gebunden. Sie sind Zinshopper und haben für Banken nur einen geringen Kundenwert. Liebe Banken, Sie sollten die aktuelle Lage als Chance begreifen, um sich bewusst, konsequent und erfolgversprechend am Bedürfnis Ihrer Kunden auszurichten.
Kurzvita
Roman Becker, Geschäftsführer des
Marktforschers und Beraters Forum!
Becker ist Gründer und Geschäftsführer von Forum! in Mainz sowie Autor des Fachbuchs "Das Fan-Prinzip. Mit emotionaler Kundenbindung Unternehmen erfolgreich steuern" (mit Gregor Daschmann).
Das Unternehmen sieht sich als Pionier der Analyse emotionaler Kunden- und Mitarbeiterbindung. Es misst und optimiert die Beziehungsqualität zwischen Unternehmen und deren Kunden.
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