ING-Chef Hammers: Wir haben eine klare Strategie
Ralph Hammers, der Chef des niederländischen Finanzkonzerns ING hat die Versicherungstochter NN Group am vergangenen Mittwoch an die Börse gebracht. Es war der größte Börsengang in Europa seit drei Jahren.
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von Peter Schweizer, Euro am Sonntag
Es war wahrscheinlich sein Meisterstück: Gerade einmal zehn Monate im Amt, konnte sich Ralph Hamers, der Vorstandsvorsitzende des niederländischen Finanzkonzerns ING, am Mittwoch über einen gelungenen Börsengang der Versicherungstochter NN Group (Nationale Nederlanden) freuen. Die Erstnotiz lag um rund acht Prozent über dem in der Mitte der Angebotsspanne gewählten Zeichnungspreis von 20 Euro je Aktie. Mit dem Verkauf nahm Hamers die Erledigung der letzten großen Auflagen in Angriff, die von der EU-Kommission im Zuge der Rettung der Bank verordnet worden waren.
Mit dem Zusammenbruch der Lehman-Bank im September 2008 war nämlich auch die ING in Schieflage geraten und hatte zehn Milliarden Euro Staatshilfe in Anspruch nehmen müssen. Deren Genehmigung hatte die EU-Kommission vor gut fünf Jahren an die Bedingung geknüpft, dass sich der Finanzkonzern von Teilen des Auslandsgeschäfts und der gesamten Versicherungssparte trennt.
Das Bankgeschäft fand relativ schnell Interessenten. Für das Versicherungsgeschäft wählten die ING-Strategen einen anderen Weg. Im vergangenen Jahr wurde zunächst die amerikanische Versicherungstochter Voya an die Börse gebracht. Ebenfalls mit einem Börsengang begann nun die Aufspaltung des integrierten Bank- und Versicherungskonzerns im Heimmarkt.
Regulierer spalten Konzern
Dass dieser Verkauf nun vom ING-Urgestein Ralph Hamers umgesetzt wurde, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Hamers, seit zehn Monaten Vorstandsvorsitzender der ING, ist seit 1991 beim Konzern und war in unterschiedlichen Funktionen am Aufbau des Allfinanzunternehmens beteiligt, das zur Jahrtausendwende als Musterbeispiel galt.
Mit Allfinanz ist es jedoch aus, seit die Regulierer mit dem Too-big-to-fail-Problem konfrontiert sind. Seitdem versuchen sie, Finanzinstitute auf ein Maß zu stutzen, das Bankenpleiten ohne Kollateralschäden erlaubt. Überall wo Finanzkonzerne Staatshilfen in Anspruch nehmen mussten, wurden diese deshalb mit Entflechtungs- und Verkleinerungsauflagen verknüpft. Dieses Schicksal ereilte auch die ING.
€uro am Sonntag: Herr Hamers, Sie haben zu Beginn Ihrer Karriere bei der ING einen Allfinanzkonzern mit aufgebaut, jetzt bauen Sie ihn als Vorstandsvorsitzender wieder ab. Traurig?
Ralph Hamers: Na ja, dabei hat man schon etwas gemischte Gefühle. Aber die Zeiten haben sich geändert, die politischen Vorgaben sind klar und damit auch die Gestalt der neuen ING. Diese zu formen ist eine spannende und herausfordernde Aufgabe, die sehr befriedigend ist.
Wie sieht diese neue Gestalt aus?
Die ING wird eine reine Bank werden und will in Europa die führende
"Direct first"-Bank sein.
Bevor wir über die Zukunft sprechen, lassen Sie uns einen Blick auf die Erledigung der regulatorischen Auflagen werfen.
Da sind wir spätestens seit dieser Woche voll on track. Es gibt ja zwei Abteilungen, die wir erledigen müssen. Von den zehn Milliarden Euro Staatshilfe, die wir in der Finanzkrise in Anspruch nehmen mussten, haben wir inzwischen mehr als 9,3 Milliarden zurückgezahlt - plus fast 3,2 Milliarden Euro an Zinszahlungen. Spätestens im Mai kommenden Jahres werden wir auch die letzten Tilgungen und Zinsen geleistet haben. Der niederländische Steuerzahler wird dann mit der Hilfe für uns mehr als 3,5 Milliarden Euro verdient haben. Dazu kommen die Auflagen, uns aus bestimmten Geschäftsbereichen zurückzuziehen. Da haben wir mit dem gelungenen IPO unserer heimischen Versicherungssparte in dieser Woche den letzten großen Brocken auf den Weg gebracht …
... aber noch nicht abgeschlossen.
Nach dem Börsengang halten wir noch knapp 70 Prozent an NN. Im kommenden Jahr sollten wir auf deutlich unter 50 Prozent kommen, und ich bin sicher, dass es uns gelingen wird, die Vorgabe der EU-Kommission zu erfüllen und uns 2016 endgültig vom Versicherungsgeschäft zu verabschieden. Die Investoren haben uns sehr freundlich begrüßt, sodass wir das Emissionsvolumen aufstocken konnten und immerhin 1,5 Milliarden Euro platziert haben. NN ist damit an der Börse mit über sieben Milliarden Euro bewertet. Das sehen wir als großen Erfolg und sind in Hinblick auf die weiteren Tranchen überaus zuversichtlich.
Und die restlichen Auflagen?
Auch da sind wir deutlich vorangekommen und konnten im ersten Quartal unsere verbliebenen Beteiligungen in den USA weiter reduzieren und die Beteiligungen in Südamerika komplett verkaufen.
Entschuldigen Sie, wenn ich insistiere. Die Kosten des Konzernumbaus sind Ihnen tatsächlich nicht aus dem Ruder gelaufen?
Ich denke, wir bewegen uns im Rahmen unserer Planungen, die aufgrund der Bewertungschwierigkeiten ja sowieso nur Bandbreiten sein konnten, denn niemand konnte uns sagen, wie der Markt die Assets, die wir verkaufen mussten, bewerten würde. So haben wir beim Verkauf des US-Geschäfts Buchverluste erlitten, in Asien gab es dagegen Buchgewinne. Insgesamt, das ist wichtig, sind wir on track und können uns jetzt auf den Aufbau der neuen ING konzentrieren.
Wenn man auf die Zahlen des ersten Quartals schaut, ging es in der Bank aber auch noch um Altlasten.
Es stimmt, dass wir da auch noch ein paar Hausaufgaben zu erledigen haben. Aber unser Kostensenkungsprogramm liefert die ersten Erfolge, obwohl wir durch die Kosten der Regulierung in diesem Jahr zusätzlich belastet werden. In den vergangenen beiden Jahren konnten wir
die Kostenertragsquote bereits um fünf Prozentpunkte auf 57 Prozent senken. Mittelfristig wollen wir bei 50 bis 53 Prozent landen. Wir glauben auch, dass wir die Aufwendungen für die Risikovorsorge in diesem Jahr wieder zurückführen können.
Der Aktienkurs bewegt sich seit einiger Zeit allerdings nur seitwärts.
Wir werden die Märkte überzeugen, dass wir liefern. Wir erfüllen bereits jetzt alle regulatorischen Kapitalanforderungen, wir senken die Kosten weiter, wir wollen ab 2015 eine Eigenkapitalrendite von zehn bis 13 Prozent erwirtschaften und für das Geschäftsjahr 2015 auch wieder eine Dividende zahlen. Und wir haben eine klare Strategie für unser Geschäftsmodell und für jede Region klar definierte Ziele.
Was heißt das?
Nun, im Heimatmarkt Niederlande und Belgien ist unser Wachstumspotenzial aufgrund unserer Marktführerschaft begrenzt. Da müssen wir uns darauf konzentrieren, das Ergebnis durch höhere Kosteneffizienz zu verbessern. In Märkten wie Deutschland sind wir Herausforderer, und da geht es um Wachstum. Mit der ING-DiBa haben wir im Konsumentengeschäft bereits eine sehr starke Position erreicht, aber im Commercial Banking gibt es noch Potenzial. Da investieren wir kräftig und stocken auch das Personal ordentlich auf.
Und das Geschäftsmodell?
Wir kombinieren Leistungsstärke im Einlagengeschäft mit Endkunden einerseits und ein profitables Geschäftskundengeschäft andererseits.
Das ist aber nichts Besonderes.
So, wie wir es machen, eben doch. Wir wollen die führende europäische "Direct first"-Bank sein, denn wir glauben, dass der Wettbewerb in den nächsten Jahren von technologischen Fragen beherrscht wird. Sehen Sie, wir wollen sicherlich auch leistungsstarke Bankprodukte anbieten, aber wir glauben, dass man sich im Wettbewerb künftig eher über die Art unterscheidet, wie man dem Kunden Zugang zum Banking ermöglicht.
Was hat man sich darunter vorzustellen?
Wir beobachten, dass Kunden immer stärker direkte und mobile Kanäle nutzen, wenn sie mit einer Bank kommunizieren. Zugleich kommunizieren sie auch häufiger mit der Bank. Zudem gibt es immer mehr Selbstentscheider - je nördlicher man in Europa kommt, übrigens umso mehr. Wer den Kunden für sich gewinnen will, muss auf diese Entwicklungen reagieren. Wir investieren deshalb massiv in Technologie. Natürlich bleiben wir über alle Kanäle für den Kunden erreichbar - aber eben "direct first". Online und mobil wollen wir das marktführende Angebot machen. Und dort, wo das nötig ist, wie im Firmenkreditgeschäft, oder extra gewünscht wird, wollen wir eine kompetente persönliche Beratung liefern.
Schlussfrage: Wird es durch den Stresstest der Europäischen Zentralbank noch einmal Überraschungen in der Bankenwelt geben?
Das glaube ich nicht. Eigentlich weiß jeder, worauf er sich einzustellen hat. Ich erhoffe mir umgekehrt von der einheitlichen europäischen Bankenaufsicht einen faireren Wettbewerb. Bislang sind wir nämlich nicht glücklich mit dem Umstand, dass die nationalen Regulatoren die Anforderungen unterschiedlich definieren.
zur Person:
Banker mit geradem Karriereweg
Ralph Hamers ist ein Manager, der seinen Laden kennt. Der 48-jährige Ökonometriker ist seit 1991 beim ING-Konzern. Nach verschiedenen Stationen im Kreditbereich übernahm er 1999 die Leitung der rumänischen Tochtergesellschaft und wechselte ab 2002 zwischen verschiedenen Leitungspositionen im internationalen Filial- und Kreditgeschäfzum Beispiel als CEO in Belgien und den Niederlanden. Am 1. Oktober 2013 wurde Hamers zum CEO berufen. In seiner Freizeit
steht der Vater von Zwillingen am Rand von Sportplätzen und feuert seine Sprösslinge an.
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