Euro am Sonntag

Internetsicherheit: Auf dem großen Schirm

01.05.16 03:00 Uhr

Internetsicherheit: Auf dem großen Schirm | finanzen.net

Weltweit steigt die Anzahl der Cyberangriffe rasant. Cloud-Computing, Smartphones und die Digitalisierung in den Firmen erhöhen das Risiko. Wie Anleger vom Boom der Sicherheitsbranche profitieren.

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von Klaus Schachinger, Euro am Sonntag

Amerikas Ostküste. Mehr ist über den Standort von Operations Center East, dem größten und modernsten Rechen- und Datenschutzzentrum von Visa, nicht bekannt. Besucher, die Zugang zum Gelände hatten, berichten, dass es wie ein Hochsicherheitsgefängnis bewacht wird. Fahrzeuge, die sich den ­Gebäuden mit mehr als 50 Meilen pro Stunde unerlaubt nähern, werden äußerst effizient gestoppt. Die Anlagen sind erdbebensicher und halten starken Hurrikans stand.



Auch gegen Angriffe aus dem Web schützt sich der weltweit größte Kreditkartenkonzern aufwendig. Das Datenkontrollzentrum mit seiner Bildschirmwand erinnert an James-Bond-Filme. Mehr als 40 virtuelle Wälle, sogenannte Firewalls, schützen die Daten. Hochleistungsrechner filtern pro Sekunde bis zu 2.500 Transaktionen. Bei den bis zu 80 Milliarden Transfers jährlich ergattern Diebe im Web weltweit 0,6 Prozent des Geldes. Aus Sicht von Visa eine sehr ­geringe Quote.

Cyberangriffe steigen rasant

Doch selbst dieser Aufwand ist noch keine Sicherheitsgarantie. Seit 2009 steigt die Anzahl der bekannten Angriffe weltweit jährlich um 60 Prozent. Im vergangenen Jahr waren es 60 Millionen Attacken. Darunter auch spektakuläre Fälle wie der Diebstahl der Daten von 80 Millionen Versicherten aus den Rechenzentren des US-Krankenversicherers Anthem. Aufsehenerregende Einbrüche wie dieser sorgen in den IT-Sicherheitsabteilungen vieler Unternehmen für höchste Nervosität. "In den Firmen setzt sich die Einsicht durch, dass es eine 100 Prozent sichere Abwehrstrategie nicht gibt", sagt Keith Weiss, Analyst bei Morgan Stanley. Die US-Bank hat Sicherheitsexperten von amerikanischen Unternehmen befragt und die voraussichtlichen Änderungen in der IT-Sicherheitsbranche während der nächsten fünf Jahre analysiert.

Die wichtigste Botschaft: Firmen werden deutlich mehr Geld für IT-Sicherheit ausgeben. Marktforscher IDC erwartet, dass der Markt für IT-Sicherheit bis 2020 jährlich um neun Prozent auf dann gut 86 Milliarden Dollar zulegen wird. Zum Vergleich: Die Gesamtbudgets für Computertechnologie (IT) sollen 2016 nur um vier Prozent zulegen.


Der weltweite Trend der Digitalisierung, der mit internetfähigen Handys und Tablets begonnen hat, geht mit hohem Tempo weiter. Inzwischen speichern auch Unternehmen alle wichtigen Unterlagen wie etwa Patente digital.

Hinzu kommt in den nächsten Jahren die nächste Welle: Immer mehr Geräte und Maschinen werden an firmeninterne Datennetze angeschlossen, um mit spezieller Software Maschinendaten auszuwerten. Fachleute sprechen vom "Internet der Dinge". Es geht darum, die Effizienz in der Fertigung zu erhöhen, hierzulande ist dieser Trend in der Produktion als Industrie 4.0 bekannt. Auch diese Datenquellen müssen vor Hackerangriffen geschützt werden.


Sollten die Zukunftstrends Internet der Dinge und Industrie 4.0 schon 2020 in den Unternehmen zum Alltag gehören, würden die Gesamtausgaben für IT-Sicherheit stärker zulegen und auf 128 Milliarden Dollar steigen, sagt IDC. Gegenüber der Summe von 56 Milliarden Dollar, die 2015 investiert wurde, wäre das mehr als eine Verdopplung.

Klar ist, dass die Absicherung der Netzwerke komplexer wird. Zugleich gibt es Engpässe beim IT-Sicherheitspersonal. "Schon jetzt haben viele Firmen zu wenig eigene Spezialisten, um nach jedem heftigeren Angriff das Netzwerk zu flicken", berichtet Morgan-Stanley-Experte Weiss aus seinen Gesprächen in den Unternehmen.

Umfassende IT-Security gefragt

Um bei Angriffen trotzdem schnell reagieren zu können, suchen immer mehr Unternehmenskunden einen Ansprechpartner für alle digitalen Sicherheitsbelange. Der Nachfragetrend unterstützt den Experten zufolge breit aufgestellte Sicherheitsanbieter. Deren Plattformen ermöglichen es zudem, vieles zu automatisieren, sagt Weiss. Der Morgan-­Stanley-Experte geht deshalb davon aus, dass der Anteil der fünf größten ­Anbieter von IT-Security langfristig von 26 auf 40 Prozent des Branchenumsatzes steigen wird.

Für die Konzerne ist der Trend dennoch kein Selbstläufer. Softwareriese Symantec etwa, bekannt durch seine Antivirensoftware Norton, steckt seit geraumer Zeit in einer Wachstumsfalle. Auf den zusätzlichen Sicherheitsbedarf bei Handys und Tablets hat der Softwareriese zu spät reagiert und auch bei den gegenwärtigen Veränderungen bisher wenige Produkte, die den Offerten der Konkurrenz überlegen sind. Die Talfahrt der Aktie ist noch nicht zu Ende.

Auch Check Point Software, vor einiger Zeit der unangefochtene Primus bei Firewalls, ist ins Hintertreffen geraten. Check Points Kundenpool ist zwar immer noch um ein Vielfaches größer als jener des Aufsteigers und Rivalen Palo Alto Networks. Dank einer überlegenen Technologie wird der seit 2012 börsennotierte Herausforderer jedoch auch künftig schneller wachsen als der behäbige Primus, heißt es bei Analysten. Zudem bietet Palo Alto auch Software für die Analyse und Überwachung des Datenverkehrs in Datenwolken (engl. cloud) an.

Komplett auf Sicherheit in der Cloud programmiert ist Aufsteiger Proofpoint. Die US-Firma hat sich auf Datenschutz bei der populären Anwendung E-Mail fokussiert. Weil Firmen ihre elektronische Korrespondenz häufig den Cloud-­Dienstleistern überlassen, trauen Analysten Proofpoint weiterhin Wachstumsraten von bis zu 20 Prozent zu.

Die mächtigen Konkurrenten Symantec und Microsoft hält Proofpoint dank seiner besseren Software auf Abstand. Dass es auch Quereinsteiger in der Branche weit bringen können, zeigt das Beispiel Cisco. Die globale Nummer 1 für Datenweichen hat sich neun Prozent des 25-Milliarden-Dollar-Markts für Netzwerksicherheit geschnappt. Bei den Firmenkunden sei es dem Konzern gelungen, seine Kompetenz um Datensicherheit zu erweitern.

Auch im Operations Center East von Visa wird man diese Verschiebungen beim nächsten großen Software-Update wohl berücksichtigen.

Investor-Info

Palo Alto Networks
Herausforderer

Die Kalifornier setzen Primus Check Point Software mächtig unter Druck. Über eine Kooperation hat der Anwärter auf die Poleposition bei Fire Walls auch Zugang zu Rechenzentren. Bis 2018 erwarten Analysten jährlich Umsatzzuwächse von mehr als 30 Prozent. Der Gewinn soll stärker zulegen. Die Aktie ist hoch bewertet. Für Risikofreudige.

Proofpoint
Aufsteiger

2017 wird Proofpoint erstmals Gewinne schreiben. Analysten trauen dem Spezialisten für die Absicherung von E-Mails in der Cloud zu, weitere Nischen zu besetzen und damit den Markt von sechs auf neun Milliarden Dollar zu erweitern. 2015 erreichte die Firma 265 Millionen Dollar Umsatz, bis 2018 soll es mehr als doppelt so viel werden. Spekulativ.

Cisco
Quereinsteiger

Cisco ist Nummer 1 bei Datenweichen für das Internet, das Kerngeschäft macht aber weniger als die Hälfte der 49 Milliarden Dollar Umsatz aus. Der Techriese etabliert sich in angrenzenden Bereichen wie der IT-Sicherheit. Dank hoher Cashreserven ist die attraktive Dividende nachhaltig. Solide Techaktie auch für risikoscheue Anleger.

Cyber Security ETF
Sicherheitspaket

Mit dem Cyber Security ETF des britischen Anbieters ETF Securities setzen Anleger breit gestreut auf die Entwicklung der Branche (ISIN: DE 000 A14 ZT8 5). Palo Alto Networks und Cisco gehören zu den zehn größten Positionen im zugrunde liegenden Index.

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