Russland-Wahl: Neue Zeiten für Anleger?
Wladimir Putin will sein Land nach den Präsidentschaftswahlen zu alter Stärke zurückführen. Doch ohne grundlegende Reformen droht der Stillstand.
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von Astrid Zehbe, Euro am Sonntag
Es wirkte ein bisschen so, als bereite sich Russland auf ein Endzeitszenario vor: Aus dem Wasser schießen Torpedos, Drohnen kreisen am Himmel, und Marschflugkörper mit atomaren Sprengköpfen schlagen in die Erde ein. Dazu wird die Sarmat, eine neue Interkontinentalrakete mit der 2.000-fachen Sprengkraft der Atombomben von Hiroshima und Nagasaki, präsentiert.
Die Videoshow über das russische Atomprogramm, die während der Rede von Präsident Wladimir Putin zur Lage der Nation Anfang März abgespielt wurde, sollte Eindruck schinden - im Westen, aber auch bei der eigenen Bevölkerung. Unter Putin, so die deutliche Botschaft, ist Russland stark und wird es auch bleiben.
Bei seinen Landsleuten scheint das längst angekommen zu sein. Am 18. März will sich Putin erneut zum Präsidenten wählen lassen. Und es gibt kaum Zweifel, dass ihm das auch gelingen wird. Umfragen sehen den 65-Jährigen mit circa 70 Prozent weit vorn - und das, obwohl das Land wirtschaftlich harte Zeiten hinter sich hat. Sanktionen, Inflation und Rezession prägten die vergangenen Jahre.
Doch nun könnte das Blatt sich wenden. Nach zwei Jahren der Schrumpfung ist die Wirtschaft 2017 wieder gewachsen (siehe Investor-Info) - und Putin hat ehrgeizige Ziele. Es will Russland nicht nur als Militärmacht stärken, sondern das Land auch in den Kreis der fünf größten Volkswirtschaften der Welt zurückführen. Doch ohne nachhaltige Reformen wird das kaum gelingen.
Wiederholte Versprechen
Dabei klingen Putins Versprechen jenseits seiner militärischen Pläne nicht schlecht. Ein Wahlprogramm blieb er zwar schuldig, bei offiziellen Terminen wie zuletzt der Rede zur Lage der Nation wurde er jedoch nicht müde, seine Vorhaben zu erläutern. Der wichtigste Punkt ist die Erhöhung der Staatsausgaben, um vor allem in den Gesundheits-, Bildungs- und Infrastruktursektor zu investieren. Zusätzlich sollen Renten und Löhne steigen, damit sich die Lebensqualität der russischen Bürger verbessert und die Kaufkraft steigt. Wirtschaftspolitisch steht eine stärkere Ausrichtung auf Hochtechnologie im Mittelpunkt, um die Abhängigkeit von Energieexporten zu reduzieren.
Das Problem ist, dass all diese Ankündigungen nicht neu sind. Putins Wahlversprechen bei den vorigen Präsidentschaftswahlen im Jahr 2012 klangen ähnlich - und blieben größtenteils unerfüllt. Stattdessen zettelte der Präsident mit der Annektierung der Halbinsel Krim 2014 einen Konflikt an, der Wirtschaftssanktionen unter anderem vonseiten der EU und der USA nach sich zog und dem Handel schadete.
Immerhin scheint das Land das Schlimmste vorerst überstanden zu haben. Im vergangenen Jahr wuchs die Wirtschaft wieder, wenn auch nicht so stark wie in anderen Schwellenländern angesichts der robusten Weltkonjunktur. Der gestiegene Ölpreis spült dazu wieder mehr Geld ins Land. Höhere Realeinkommen kurbelten zuletzt die Einzelhandelsumsätze an. Und die Ratingagentur Standard & Poor’s hat Russlands Bonität Ende Februar von Ramschniveau ("BB+") in den Investment-Grade-Bereich ("BBB-") hochgestuft. Die Analysten lobten vor allem die soliden Staatsfinanzen mit der niedrigen Verschuldung von nicht mal 20 Prozent der Wirtschaftsleistung.
Das sind gute Voraussetzungen, doch ohne Reformen bleibt das Wachstumspotenzial gering. "Sowohl die Geld- als auch die Fiskalpolitik sind in erster Linie auf Stabilität bedacht und liefern keine positiven Impulse für die Konjunktur", sagt Daria Orlova von der Dekabank. Der zur Erhöhung des Potenzialwachstums dringend notwendige Reformprozess werde durch den mangelnden Willen der Machthaber behindert. Zudem verstärke das internationale Sanktionsregime die wirtschaftliche Isolation Russlands.
Banken in der Kreditklemme
Besonders hart haben die drastischen Finanzsanktionen das Land getroffen. Denn sie erschweren es, Wertpapiere im Ausland zu verkaufen, was wiederum die Refinanzierung der Banken und deren Möglichkeiten erschwert, Kredite an russische Unternehmen zu vergeben. Diese schwierige Finanzierungssituation hemmt Investitionen der Privatwirtschaft und damit die so dringend notwendigen Innovationen, die von der wuchernden Staatswirtschaft kaum zu erwarten sind.
Dass die Handelsbarrieren in absehbarer Zeit abgeschafft werden, ist unwahrscheinlich - im Gegenteil. Sollte sich herausstellen, dass Moskau hinter der mutmaßlichen Vergiftung eines russischen Ex-Spions vergangene Woche in der englischen Stadt Salisbury steckt, werde Großbritannien mit neuen Sanktionen reagieren, kündigte der britische Außenminister Boris Johnson an.
Noch schärfere Töne kommen aus den Vereinigten Staaten. Wegen des dringenden Verdachts auf Manipulation im amerikanischen Wahlkampf drohen die USA mit weiteren Strafmaßnahmen bereits in den kommenden Tagen.
Die US-Sanktionen und die wirtschaftliche Zukunft des Landes verunsichern nicht nur Unternehmen, sondern auch Anleger. Einzelinvestments in russische Unternehmen sind aufgrund der hohen Risiken darum kaum empfehlenswert. Eine gute Alternative sind Fondslösungen, da sich auf diese Weise breit gestreut investieren lässt. Dass sich trotz der Wirtschaftsprobleme im Land mit russischen Aktien Rendite machen lässt, haben einige aktiv gemanagte Russland-Fonds bewiesen.
Investor-Info
Wirtschaftswachstum
Raus aus der Rezession
Ursache für die Rezession 2015 und 2016 war vor allem der Einbruch am Ölmarkt. Gestiegene Preise für den Rohstoff sorgten zuletzt für eine Erholung der Wirtschaft. Die Abhängigkeit von Energieexporten sollte Ökonomen zufolge dennoch verringert werden.
Parvest Equity Russia Classic
Rendite dank Ölaktien
Das Fondsmanagement investiert in ein Kernportfolio mit Titeln aus dem Vergleichsindex MSCI Russia, welches um kleine und mittlere Werte ergänzt wird. Mit mehr als 35 Prozent sind Energieunternehmen derzeit am schwersten gewichtet. Diese haben dank des Ölpreisanstiegs zur guten Wertentwicklung des Fonds beigetragen.
Baring Russia
Lukrative Finanztitel
Nach Öltiteln sind Bankaktien mit circa einem Fünftel am zweitschwersten im Portfolio gewichtet - trotz Finanzsanktionen. Denn dank geringerer Auslandsverflechtung und niedrigerer Kreditausfälle konnten einige Institute wie die Sberbank of Russia PJSC,
die knapp zehn Prozent des Portfolios ausmacht, ihre Gewinne erhöhen.
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