Euro am Sonntag-Analyse

US-Bilanz: Warum die Trump-Rally stocken könnte

30.04.17 10:00 Uhr

US-Bilanz: Warum die Trump-Rally stocken könnte | finanzen.net

Mit Vollgas in die Vertrauenskrise: Was die ­irrlichternde Politik des neuen ­US-Präsidenten Donald Trump für Anleger bedeutet.

von Julia Groß, Euro am Sonntag

Dass Donald Trump nicht viel darauf gibt, was er früher einmal gesagt hat, ist bekannt. Just vor der viel beachteten 100-Tage-Marke seiner Präsidentschaft treibt er seine 180-Grad-Wenden jedoch auf die Spitze. Starker Dollar, schwacher Dollar? Trump wechselt die Meinungen im Wochentakt. Kommt nach dem vorläufigen Scheitern der Gesundheitsreform jetzt wenigstens das versprochene Steuererleichterungs- und Infrastrukturpaket? Ja sicher, bis zum August, oder doch erst viel später, vielleicht aber zuvor noch ein neuer Anlauf zur Abschaffung von Obamacare, dem Krankenversicherungssystem des Vorgänger-Präsidenten: All diese Varianten waren in den vergangenen Tagen aus dem Weißen Haus zu vernehmen, und jederzeit könnten neue dazukommen.



Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht. Diese sprichwörtliche Erkenntnis in Bezug auf Trumps Aussagen setzt sich zunehmend auch bei allen durch, die direkt oder indirekt davon betroffen sind. Zwischen Februar und April ist der Anteil der Amerikaner, die glauben, dass der Präsident seine zahlreichen Wahlversprechen einlöst, von 63 auf 45 Prozent gefallen. 70 Prozent der regelmäßig von ihrem Berufsverband befragten US-Betriebswirte schlossen sich vor wenigen Tagen der Einschätzung an, dass die Finanzmärkte den Einfluss der Politik auf die Wirtschaftsentwicklung überschätzt haben. Viele Investmentbanker zeigten sich zuletzt deutlich gedämpft in ihrem US-Konjunkturoptimismus. "Das bereinigte Kurs-Gewinn-Verhältnis des S & P 500 beträgt jetzt fast 30 - ein sehr hoher Wert, der in den 100 Jahren seit Beginn der Erhebungen nur zwei Mal überschritten wurde", warnt etwa James Swanson, Investmentstratege der US-Fondsgesellschaft MFS.

Die Trump-Rally bröckelt

Noch ist es nicht zu einer stärkeren Korrektur an den Aktienmärkten gekommen, doch die Furcht davor wächst. Die Trump-Rally ist angeknackst. Denn die Annahme, dass Donald Trump mit seiner Mehrheit in beiden Parlamentskammern zügig für Steuererleichterungen, hohe Infrastrukturausgaben und weniger Regulierung sorgen würde, hat sich bisher nicht erfüllt. Der Höhenflug der Aktienmärkte in den Wochen nach der Wahl hat die positiven Effekte dieser Maßnahmen auf Konjunktur und Unternehmensgewinne jedoch bereits vorweggenommen - und zwar in einem recht optimistischen Ausmaß.



Inzwischen schrumpfen die Erwartungen zusammen: "Vieles spricht dafür, dass Trump eine Steuerreform umsetzt, bei der es nur zu kleineren Entlastungen der Unternehmen kommen wird. Auch die angekündigten Infrastrukturausgaben werden sich wohl auf einen zweistelligen Milliardenbetrag belaufen und nicht die einst spekulierte Billionengrenze übertreffen", sagt Chris-Oliver Schickentanz, Chief Investment Officer bei der Commerzbank. "Entsprechend wächst am hoch bewerteten Aktienmarkt der USA das Enttäuschungspotenzial."

Die gescheiterte Abschaffung von Obamacare Ende März war die kalte Dusche für Investoren. Einerseits, weil sie die tiefen Gräben in der republikanischen Partei offenlegte. Selbst bei einem parteiinternen Kernanliegen wie der Krankenversicherung konnten sich die zerstrittenen Fraktionen nicht einigen. "Es wird sehr schwer, Mehrheiten für Kompromisse zu finden, wenn man bewusst auf eine starke Polarisierung des politischen Umfelds hingearbeitet hat", sagt Didier Saint-Georges, Direktor der Fondsgesellschaft Carmignac.


Andererseits braucht die US-Regierung aber auch das Geld, das sie bei der Gesundheitsreform einsparen wollte, für die geplanten Steuergeschenke und das Infrastrukturprogramm. Der große Wurf in Sachen Steuern scheint auch schon deshalb ausgeschlossen, weil dazu Stimmen von Demokraten gebraucht würden. Die verweigern jedoch die Mitarbeit, solange Donald Trump seine eigene Steuererklärung nicht veröffentlicht. Eine Forderung, der sich inzwischen auch ein Dutzend Republikaner angeschlossen hat. Ihr Argument: Man wisse ja nicht, ob Trump sich mit neuen Steuerregeln nicht vor allem selbst einen Vorteil verschaffe. Ohne diese Parlamentarier kann Trump wohl nur kleinere Änderungen am Steuerrecht durchdrücken - wenn er denn einen Plan dafür hat.

Denn die eine Zeitlang hoch gehandelte Bordertax ist wieder vom Tisch, andere Ideen erscheinen noch wenig durchdacht. In Sachen Infrastrukturpaket herrscht seit Wochen totale Funkstille. Seine Protektionismus-Agenda verfolgt Trump eher mit Worten als mit Taten: Er droht zwar ständig mit Strafzöllen, ist jedoch sofort bereit, Anschuldigungen gegen die zuvor als schlimmste Gegner beschuldigten Chinesen fallen zu lassen - wenn sie ihm gegen Nordkorea zur Seite stehen.

Anleger ziehen ihr Geld ab

In den vergangenen Wochen schraubten Ökonomen ihre Wachstumserwartungen für die US-Wirtschaft bereits deutlich zurück. In der monatlichen Umfrage des "Wall Street Journal" erwarten sie jetzt für das erste Quartal im Durchschnitt nur noch 1,4 Prozent Wachstum beim Bruttoinlandsprodukt. Nach der Wahl hatten sie noch 2,3 Prozent prognostiziert.

In der ersten April-Woche zogen Anleger bereits 15 Milliarden Dollar aus US-Aktienfonds ab, das war der größte Mittelabfluss seit 2015. Und während nach Trumps Wahlsieg vor allem Finanz- und Industriewerte Kursgewinne verbuchten, wandten sich US-Investoren in den vergangenen vier Wochen wieder defensiven Sektoren wie dem Konsum zu. "Vorsicht ist ein Muss", sagt Philippe Ithurbide, Leiter Research, Strategie und Analyse bei Amundi. Wie viele seiner Kollegen sieht auch er die attraktiveren Bewertungen und die größeren Chancen bei europäischen Aktien und in den Schwellenländern.

Investor-Info

Aktienmärkte
Die Trump-Rally

Alle sprechen vom Trump-Trade, doch vergleicht man die Entwicklung von DAX, Euro Stoxx 50 und S & P 500 seit der US-Wahl, schnitten deutsche und europäische Aktien sogar noch besser ab als US-Werte. Ein Grund dafür ist, dass die US-Börse bereits vor der Wahl ordentlich zugelegt hatte - in den neun Monaten vor der Wahl um fast 13 Prozent. Zweiter Grund: Weil Trump bisher nicht geliefert hat, ging der Rally in den USA in den vergangenen Wochen langsam die Luft aus.

Rückblick
Techwerte und Deutschland

€uro am Sonntag hat im Umfeld der US-Wahl zahlreiche Empfehlungen abgegeben. In der Rückschau zeigt sich: Wer erst nach Trumps Sieg auf die vermeintlichen Sieger aus dem US-Bau- oder Rohstoffsektor setzte, war häufig zu spät dran. Zu den Gewinnern zählten dagegen Techkonzerne wie Amazon, Apple und Facebook, die wir unabhängig von der Politik als Favoriten identifiziert hatten. Hier gab es Kurssteigerungen von bis zu 18 Prozent. Ebenfalls als Top-Empfehlungen erwiesen sich Rheinmetall, Hochtief und ein ETF auf US-Finanzwerte. Bei Letzterem, dem iShares S & P 500 Financials (ISIN: IE 00B 4JN QZ4 9), empfehlen wir, Gewinne zu realisieren.

Ausblick
Alle schauen auf Europa

Bei Industrie- und Rüstungswerten kann es sich lohnen, noch zu warten. US Steel (ISIN: US 912 909 108 1) etwa dürfte von Trumps Einsatz für einheimische Stahlproduzenten profitieren, Lockheed (US 539 830 109 4) vom Säbelrasseln im Nahen Osten und Korea. Ansonsten sind die Märkte in Europa und den Schwellenländern stark in den Fokus der Investoren gerückt, weil sie günstiger bewertet sind als die US-Börsen. Anleger können diese Themen über ETFs spielen, etwa mit dem Comstage Stoxx Europe 600 (LU 037 843 458 2) oder dem Amundi MSCI Emerging Markets (FR 001 095 967 6).

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Bildquellen: Win McNamee/Getty Images, Commerzbank

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