Aston Martin verpatzt Börsendebüt: Was Ferrari besser macht
Die britische Sportwagenmarke Aston Martin fährt an die Börse. Vorbild ist Ferrari - die Aktie der Italiener ist ein echter Renner.
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von Stephan Bauer, Euro am Sonntag
Der Name: Bond, James Bond. Das Auto: Aston Martin DB5, silberfarben, Speichenfelgen. Vor über 50 Jahren driftete Schauspieler Sean Connery als Agent Ihrer Majestät hinter dem Steuer des DB5 mit Eleganz um Haarnadelkurven und machte die britische Automarke mit einem Schlag weltberühmt. Beim jüngsten Einsatz geriet der Erfinder des DB5, das heutige Unternehmen Aston Martin Lagonda (AML), auf dem Londoner Börsenparkett ins Schleudern. Um ein Haar wäre die Mission der Briten gescheitert.
Die Sorge der Investoren vor einem harten Brexit prägte die Zeichnungsphase für die Aktie, noch zuletzt gab es Spekulationen um eine Absage. Ursprünglich waren bis zu 22,50 Pfund pro Aktie aufgerufen. Am Mittwoch, dem ersten Handelstag, sackte der Kurs des Sportwagenherstellers dann gar unter den Emissionspreis von 19 Pfund.
Dabei wollte Andy Palmer mit dem Börsengang ein Zeichen setzen. "Es hat 105 Jahre gedauert, bis wir an der Börse waren. Wir machen uns jetzt keinen Kopf, was in den ersten Handelstagen passiert", wischt der Chef selbstbewusst Zweifel beiseite. Bescheidenheit wäre trotz der Zitterpartie auch fehl am Platz, immerhin ist die Aktie trotz der Kursverluste gemessen am Umsatz noch fast zehnmal so teuer wie der deutsche Premiumhersteller BMW.
Coole Geschichte
Die Story des Traditionsunternehmens ist schon lässig, beinahe wie Bond. Vom kultigen, aber notorisch defizitären Nischenspieler, der bis Anfang der 80er-Jahre Teil des untergegangenen Autokonzerns British Leyland war, hat es Aston Martin heute in die Riege der weltweit angesehensten Sportwagenmarken geschafft. Anfang der 90er lagen die Briten im Markenregal des US-Autokonzerns Ford, 2007 witterten private Investoren aus Italien und Kuwait ein Geschäft und übernahmen für schlappe 660 Millionen Euro das Steuer.
Palmer, Ex-Vorstand des japanischen Autokonzerns Nissan, trat 2014 als Chef an. Die Finanzierung einer breiteren Modellpalette gelang, 2017 spurteten die Briten mit einem Umsatzschub von 50 Prozent über die Gewinnschwelle. Bei 990 Millionen Euro Umsatz schaffte die Firma knapp 24 Prozent Marge - allerdings vor Abschreibungen. Danach blieben rund zehn Prozent übrig.
Der Chef will mehr. Die italienische Sportwagenikone Ferrari ist Vorbild des 54-Jährigen, der bei den bescheidenen Japanern Perfektion im Automobilbau gelernt hat. Top-Motoren, Top-Design, erlesene Kunden, die sich brav in die Reihe stellen, um ein sündteures Sondermodell zu ergattern - welcher Automanager wollte das nicht?
Tatsächlich gilt Ferrari als Musterbeispiel einer erstklassig geführten Automobilfirma. Ex-Fiat-Chef Sergio Marchionne hatte die Vision, aus der Sportwagenboutique, die seit Jahren in der obersten Rennsportklasse Formel 1 um Weltmeistertitel mitfährt, ein börsengelistetes Unternehmen zu machen. Vor drei Jahren spaltete der im Frühjahr verstorbene Manager Ferrari von Fiat ab. Marchionne spekulierte, dass die starke Marke, die hohe Qualität und das herausragende Design Gründe genug seien, auch Börsianer zu Ferraristi, zu Fans des gelben Markenwappens mit dem Cavallino Rampante, dem sich aufbäumenden Pferdchen, zu machen.
Von null auf fast 200 Prozent
Die Rechnung ging auf. Die Emission gelang reibungslos. Seit der Premiere im Oktober 2015 hat sich der Kurs von Ferrari fast verdreifacht. Motor dieser Performance ist die hohe Profitabilität: Ferrari schaffte 2017 eine - bereinigte - operative Marge von 22,5 Prozent und damit das Doppelte von Aston Martin.
Bis 2022 sollte die Anzeige laut Marchionne sogar auf 25 Prozent stehen. Das gilt als extrem ehrgeizig, immerhin erreichen selbst Premiumhersteller wie Mercedes oder BMW nicht einmal die Hälfte.
Entsprechend skeptisch waren Investoren, als Louis Camilleri Mitte September erstmals seine Pläne präsentierte. Der Nachfolger Marchionnes jedoch blieb auf Kurs, bloß statt angepeilter zwei Milliarden Euro Bruttogewinn - eine Verdopplung gegenüber 2017 - gab Camilleri bis 2022 eine Spanne von 1,8 bis zwei Milliarden Euro vor.
Auf ein bewährtes Rezept dürfte der Ex-Vorstand des Tabakriesen Philip Morris dabei auch künftig vertrauen: Sondermodelle wie der soeben auf dem Pariser Autosalon präsentierte einsitzige Ferrari 750 Monza SP1 sind ein beliebter Kniff, um die Gewinnmarge zu tunen. Die Fahrzeugbasis ist schließlich schon vorhanden (hier der Sportwagen 812 Superfast mit Zwölfzylinder-Aggregat), die Leistung wird noch etwas nachjustiert (810 statt 800 PS), das Design modifiziert - und sodann das Zauberwort "limitierte Stückzahl" auf das Etikett gedruckt. Fertig ist eine Komposition, die in den Ohren steinreicher Sammler wie Musik klingt. 499 glückliche Ferraristi wurden soeben auserkoren, welche die pro Stück 1,6 Millionen Euro teuren Exemplare erhalten.
Die Italiener wollen ihrem SP1 sowie dem Zweisitzer SP2 weitere Modelle folgen lassen, die an die Rennsporterfolge in den 50er- und 60er-Jahren erinnern. Hersteller von Luxusuhren oder exklusiven Lederaccessoires spielen auf ähnlicher Klaviatur und schrauben traditionell ihre Margen mit Sondermodellen in begrenzter Stückzahl nach oben.
Es ist nicht die einzige Parallele: Das Umsatzvielfache der Aktie von Ferrari liegt bei knapp sieben. Sie schwebt damit in Höhen, von denen Manager gewöhnlicher Autohersteller träumen, die Luxuskonzerne wie die französischen LVMH oder Hermès aber erreichen. Bei Investoren sind diese Aktien auch deshalb so beliebt, weil die Kundschaft in der Regel selbst in Krisenzeiten genug Geld hat, um weiter zu kaufen.
Auf die Superreichen, die schon mal eine Million lockermachen, um ein begehrtes Spielzeug zu bekommen, hat es auch AML-Chef Palmer abgesehen. Einen Aston Martin gibt’s erst ab etwa 100.000 Euro aufwärts. Der Chef weiß auch schon, wie er den High Net Worth Individuals, wie die Klientel im Fachjargon heißt, die Marke verkauft.
"Bei Ferrari liegt der Fokus auf Performance, bei Rolls-Royce dreht sich alles um den perfekten Komfort. Wir besetzen im Luxussegment die Nische automobiler Kunst", sagt Palmer.
Mehr als Sprüche
Dass es in der Branche mehr als clevere Marketingsprüche braucht, um ein Unternehmen in der Gewinnspur zu halten, ist Palmer bewusst. Eine stets gut gefüllte Produktpipeline beispielsweise. Wettbewerber Ferrari fährt seit Jahren Sportwagen mit acht oder zwölf Zylindern, als Coupé oder Cabrio, mit Front-, Heck- oder Mittelmotor vor. Palmer schaffte es vor Kurzem, ein altes Aston-Leiden loszuwerden. "Jahrelang brachen unsere Erträge regelmäßig eine Weile nach dem Verkaufsstart eines neues Modells ein, weil wir nichts Neues auf Lager hatten. Und weil die Erträge sanken, fiel es schwer, Neues zu entwickeln. Inzwischen ist die Pipeline groß genug, um den Prozess am Laufen zu halten", sagt der Manager.
Die Italiener sind schon eine Runde weiter. Ferrari drängt in neue Marktsegmente. Mehr "Touring"-Modelle wolle man anbieten, sprich solche mit mehr Platz für Gepäck, heißt es in Maranello. 2022 soll sogar so etwas wie ein SUV kommen - obwohl Camilleri das für geräumige Geländewagen stehende Kürzel so gar nicht gefällt. Der "Purosangue", zu deutsch "Vollblüter", werde etwas ganz Neues, verspricht der Chef.
Wie erfolgreich sich Sportwagenmarken auch im Gelände schlagen können, hatte die deutsche Ikone Porsche als Erste demonstriert. Noch Anfang der 90er-Jahre bauten die Zuffenhausener, damals fast pleite, bloß Rennvehikel wie den Klassiker 911. Der Absatz drehte in der Krise des Unternehmens 1993 gerade mal noch um die 11 000 Touren. Unter Wendelin Wiedeking startete Porsche dann 2002 den Ausflug ins grobe Geläuf. Der Cayenne schlug ein.
Auch die 2009 nachgeschobene Familienlimousine Panamera läuft bestens. Der Absatz der Schwaben hat sich auf knapp 250.000 Autos pro Jahr vervielfacht. Zielgruppe und Produktmix verschoben sich naturgemäß ein Stück in Richtung edle Familienkutschen. Im vergangenen Jahr war nur noch jeder achte verkaufte Porsche ein 911er. Der kleine Cayenne-Bruder Macan, für weniger als 70.000 Euro zu haben, stemmte hingegen allein fast 40 Prozent des Absatzes. Die Mischung macht Porsche-Eigner Volkswagen immer noch Laune: Die Marge lag mit rund 18 Prozent fast beim Doppelten von Daimler.
Ins Gelände, in den Himmel
Ins Gelände will auch Palmer: Ende 2019 soll Aston Martins erster SUV-Sportwagen-Crossover im neuen Werk in Wales vom Band laufen, das Projekt heißt DBX. Anschließend will Palmer Mercedes und Rolls-Royce ans feine Leder: Rein elektrische Sportwagen und Limousinen der Luxusmarke Lagonda zu Preisen ab 300.000 Euro wollen die Briten ab 2021 auf den Markt bringen.
Die Pläne sind groß, die Risiken hoch. Die Fabrik in St. Athan etwa soll 2019 anlaufen, doch es muss nicht immer alles gelingen bei einem Produktionsstart. Der DBX wird zudem auf harte Konkurrenz treffen, vom BMW X6 über den Cayenne bis Teslas Modell X. Experten sind skeptisch. "Die Bilanz ist immer noch fragil, die geplante Reise zu höherer Profitabilität ist unsicher", urteilte das US-Researchhaus Bernstein. Dieter Zetsche, Chef des Daimler-Konzerns, der mit knapp fünf Prozent an AML beteiligt ist, zeigte sich auf dem Pariser Autosalon froh, dass der Börsengang dann doch noch über die Bühne ging: "Sie haben damit Wert geschaffen."
Investor-Info
Aston Martin
Riskanter Ritt
Die Probleme beim Börsengang zeigen es: Die Ambitionen der Briten sind groß, die Skepsis des Marktes ist es ebenfalls. Nach dem Turnaround 2017 muss die runderneuerte Sportwagenfirma erst noch beweisen, dass sie nachhaltig attraktive Modelle und Gewinne liefern kann. Die Erstnotiz in Frankfurt ist erfolgt, die Umsätze dünn. Abwarten.
Ferrari
Nicht nur für Fans
Die Marke der Italiener ist stark, die Autos sind bei überaus zahlungskräftigen Kunden aus aller Welt äußerst begehrt. Die operative Marge liegt über 20 Prozent, der Umsatz wächst moderat, aber stetig. 2019 soll es hier um sieben, 2020 um neun Prozent nach oben gehen, die Profitabilität steigen. Das Wachstum dürfte langfristig durch die Expansion in weitere Felder gestärkt werden. Attraktiv.
Auto- und Luxusaktien
Börsianer begehren Teures
Seit dem Börsengang 2015 hat sich die Aktie von Ferrari fast verdreifacht. Damit hat das Papier auch jenes des französischen Luxuskonzerns LVMH übertroffen, das sich in diesem Zeitraum nach Gesamtentwicklung, also einschließlich Dividende, verdoppelte. Zum Vergleich: Die Aktie von BMW stagnierte. Hier schlagen sich negative Faktoren wie der globale Handelskonflikt nieder, die Kunden reagieren empfindlicher auf Preiserhöhungen. Ferraris Bewertungskennziffern ähneln LVMH und übertreffen BMW bei Weitem - das Umsatzvielfache etwa ist rund 13-mal so groß.
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Bildquellen: Aston Martin, Shaun.P / Shutterstock.com
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