Die überschuldete Generation des Westens
Während Schwellenländer wie Indien und Brasilien ihre Schuldenlast auf viele junge Menschen verteilen können, drohen im Westen Staatspleiten.
Werte in diesem Artikel
von Andreas Höß
Ken Rogoff zeigte Ende 2009 in seinem Buch „This Time is Different“, dass auf Finanzkrisen in der Geschichte meist Staatspleiten folgen. Und er prognostizierte, dass auch diesmal wieder Staaten in Zahlungsschwierigkeiten kommen werden. Vor Kurzem noch eine Minderheitenmeinung, scheint die Voraussage des Harvard-Ökonomen nun konsensfähig geworden zu sein. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) warnte am Dienstag in seinem Halbjahresbericht, dass die Risiken für die Stabilität des Finanzsystems vom Bankensektor auf den Staatssektor übergegangen seien. Am sichtbarsten sind diese Risiken in Griechenland. Anleger verlangten am Dienstag 3,65 Prozent Zinsen, um Athen 13 Wochen lang 1,95 Milliarden Euro zu leihen. Im Januar konnte der Schuldenmacher vom Peloponnes noch weniger als die Hälfte für Tagesgeldzins anbieten.
Das griechische Beispiel zeigt: Haben die Zweifel an der Bonität eines Schuldners erst einmal eine kritische Masse erreicht, explodieren die Risikoaufschläge für neue Kredite schnell und machen eine Staatspleite wahrscheinlicher. Bedenklich, denn nicht nur Südeuropa lebt über seine Verhältnisse. Auch die etablierten Industriestaaten befinden sich in einer gefährlichen fiskalischen Schieflage. Laut IWF müsse die griechische Schuldenkrise ein „Weckruf“ für jene Staaten sein, denen die Kontrolle über ihre Schulden langsam entgleitet. Angesprochen fühlen dürfen sich auch Japan, die USA oder Deutschland, obwohl deren Wirtschaftsleistung deutlich über der griechischen liegt. Die Staatsschulden sollen dort laut OECD bis 2011 auf 204, 100 und 85 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) steigen.
Doch selbst diese beunruhigenden Zahlen schönen die Bilanzen. Denn neben der von der OECD erfassten expliziten Schuldenlast häufen sich implizite Schulden wie Renten- und Pensionsansprüche, für die bis jetzt keine Rücklagen gebildet wurden. Das Forschungszentrum Generationenverträge gab am Mittwoch bekannt, dass sich allein die deutschen Beamtenpensionen bis 2050 auf über 100 Milliarden Euro pro Jahr steigern könnten. Eine Studie des Instituts vom September 2009 besagt, dass die implizite Verschuldung Deutschlands 2007 mit 185 Prozent fast dreimal so hoch lag wie die explizite. Insgesamt ergab sich daraus eine sogenannte Nachhaltigkeitslücke von 250 Prozent des BIP. Um diese Nachhaltigkeitslücke in Zukunft zu schließen, wären am BIP gemessene Steuererhöhungen um fünf Prozent oder Ausgabenkürzungen um 4,8 Prozent nötig. Beides schwer durchsetzbare Maßnahmen. Da wohl auch das Wirtschaftswachstum in Zukunft gering ausfallen wird, bleibt allein die Finanzierung über zusätzliche Schulden.
„Das große Versprechen der derzeitigen Sozialsysteme, den individuellen Lebensstandard bei Arbeitslosigkeit, Krankheit, Pflegebedürftigkeit und im Alter zu sichern, kann schon jetzt nicht mehr eingehalten werden“, bilanziert Professor Meinhard Miegel, Leiter des Instituts für Wirtschaft und Gesellschaft in Bonn. „Bisher ist in früh industrialisierten Ländern wie Deutschland den langfristigen Faktoren des demografischen Wandels und hoher öffentlicher Schulden viel zu wenig Bedeutung beigemessen worden.“
Diese Faktoren wirken in dreierlei Weise: Erstens stehen in alternden Gesellschaften weniger Beitragszahlern mehr Leistungsempfänger gegenüber. Die EU-Kommission schätzt, dass 2030 in Deutschland auf 100 Personen im erwerbsfähigen Alter 46 Rentner kommen. Zweitens fließt mehr Geld in Umlagesysteme statt in konjunkturfördernde Investitionen. „Alternde und schrumpfende Gesellschaften werden daher langfristig niedrigere Wachstumsraten haben als Volkswirtschaften mit wachsender Bevölkerung“, so Professor Michael Heise, Chefvolkswirt und Leiter der Unternehmensentwicklung der Allianz. Und drittens verringert laut Bank für internationalen Zahlungsausgleich der teure Schuldendienst Investitionen in Bildung oder Infrastruktur, was ebenfalls Wachstum bremst. Verstärken sich diese Faktoren gegenseitig, droht die Überschuldung.
Wackelt deshalb die Fiktion des risikoarmen Zinssatzes, die bisher für Bundesanleihen oder US-Bonds galt, da sich zu Währungs- und Kursschwankungen nun ein Emittentenrisiko gesellt? „Anleger verschließen die Augen vor diesen Problemen, da sie die Wahrscheinlichkeit eines Zahlungsausfalls in Deutschland und den USA untergewichten“, so Conrad Mattern, Experte für Behavioral Finance und Vorstand bei Conquest Investment Advisory. Trotzdem keimen erste Zweifel an der Bonität einst wohlhabender Staaten. Ablesbar sind diese am im Vergleich zum Vorjahr um 27 Prozent gestiegenen Nettovolumen der Kreditausfallversicherungen für deutsche Anleihen. Zudem orientieren sich institutionelle Anleger schrittweise in Richtung Schwellenländer. Pimco, der weltgrößte Akteur auf den Rentenmärkten, schichtete vergangene Woche bereits ein Prozent seines 220 Milliarden US-Dollar schweren Anleiheportfolios von nicht in US-Dollar notierten Industriestaatenbonds in Schwellenländeranleihen um.
Dass sicherheitsbewusste Anleger eher auf Bonds aus Emerging Markets als auf deutsche Staatsanleihen setzen, scheint trotz geringerer Staatsschulden und dynamischerer Gesellschaften noch ein Zukunftsszenario. „Obwohl die Benchmarkfunktion von Bunds und Treasuries langfristig zu hinterfragen ist, werden sie diese noch lange behalten“, so Tim Haaf, Portfoliomanager der Allianz und Pimco-Vizepräsident. Sollte bei Anlegern aber die Erkenntnis reifen, dass die Industriestaaten angesichts struktureller und demografischer Probleme ihre Schulden nur noch unter Schwierigkeiten bedienen können, werden sie kräftige Risikoaufschläge beim Zins verlangen. Dann droht auch Staaten, deren Pleite heute abwegig erscheint, eine griechische Tragödie.
Investor-Info:
Bond Fund für Schwellenländer - Hohe Rendite, hohes Wachstum
Staatsanleihen in einheimischer Währung aus den Emerging Markets bieten hohe Renditen, gelten aber im Vergleich zu Industrienationen-Bonds als risikoreicher. Doch in Sachen Wirtschafts-und Bevölkerungswachstum haben die Schwellenländer die Nase vorn. Unter den größten Positionen des in US-Dollar notierten Julius Bär Local Emerging Bond Fund (ISIN: LU0107852195) sind Staatsanleihen aus Brasilien, Mexiko und Polen. Das Management setzt auch auf Gewinne der Schwellenländerwährungen.
Globaler Bondfonds - Breite Risikostreuung
Der Templeton Emerging Markets Bond Fund (ISIN: LU0029876355) investiert ebenfalls in variabel- und festverzinsliche Schuldentitel von Unternehmen und der öffentlichen Hand aus Schwellenländern. Anders als der Emerging Bond Fund von Julius Bär kauft Fondsmanager Michael Hasenstab nicht nur Bonds in Landeswährung, auch in US-Dollar notierte Anleihen von Emerging Markets werden berücksichtigt. Diese machen fast die Hälfte des Portfolios aus. Ebenfalls stark vertreten sind die Landeswährungen Südkoreas (zwölf Prozent) und Brasiliens (acht Prozent). Seit seiner Auflage im Jahr 1991 gewann der Emerging-Markets-Bond-Fonds von Franklin Templeton in Euro umgerechnet fast 420 Prozent an Wert. In den vergangenen fünf Jahren betrug der Wertzuwachs 78 Prozent. Damit gehört der Fonds zu den besten seiner Klasse.
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28.01.2025 | Allianz Buy | Joh. Berenberg, Gossler & Co. KG (Berenberg Bank) | |
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14.01.2025 | Allianz Buy | Joh. Berenberg, Gossler & Co. KG (Berenberg Bank) |
Datum | Rating | Analyst | |
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28.01.2025 | Allianz Buy | Joh. Berenberg, Gossler & Co. KG (Berenberg Bank) | |
20.01.2025 | Allianz Buy | Joh. Berenberg, Gossler & Co. KG (Berenberg Bank) | |
17.01.2025 | Allianz Buy | Goldman Sachs Group Inc. | |
14.01.2025 | Allianz Buy | Joh. Berenberg, Gossler & Co. KG (Berenberg Bank) | |
13.12.2024 | Allianz Buy | Deutsche Bank AG |
Datum | Rating | Analyst | |
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15.01.2025 | Allianz Hold | Jefferies & Company Inc. | |
13.12.2024 | Allianz Hold | Jefferies & Company Inc. | |
11.12.2024 | Allianz Neutral | UBS AG | |
10.12.2024 | Allianz Neutral | UBS AG | |
10.12.2024 | Allianz Neutral | UBS AG |
Datum | Rating | Analyst | |
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06.08.2021 | Allianz Underperform | RBC Capital Markets | |
02.08.2021 | Allianz Underperform | RBC Capital Markets | |
21.04.2021 | Allianz Underperform | RBC Capital Markets | |
19.02.2021 | Allianz Underperform | RBC Capital Markets | |
27.01.2021 | Allianz Underperform | RBC Capital Markets |
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