Das große TV-Duell

Netflix: Wie der Konzern ARD und Co aufmischen will

17.09.14 16:00 Uhr

Netflix: Wie der Konzern ARD und Co aufmischen will | finanzen.net

Die US-Onlinevideothek Netflix tritt an, um den ­deutschen TV-Markt zu erobern. Bei der Konkurrenz, wie ARD oder ProSiebenSat.1, steigt die Nervosität.

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von Florian Westermann, Euro am Sonntag

Den kommenden Dienstag sollten sich TV-Junkies rot im Kalender anstreichen. Auf dem Programm steht ein Wirtschaftsthriller mit ungewissem Ausgang. Einer der Hauptdarsteller ist Reed Hastings. Der Chef der amerikanischen Internetvideothek Netflix drängt nach seinem durchschlagenden Erfolg in den USA nun mit Wucht nach Europa. Zum Launch-Event der Video-on-Demand-Plattform in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Frankreich, Belgien und Luxemburg reist der 53-Jährige aus dem fernen Kalifornien extra nach Berlin.

Das Netflix-Prinzip ist einfach: Filme, Serien und Dokumentationen werden über das Internet per Videostream auf den Fernseher, den Computer oder das Smartphone übertragen. Zu jeder Zeit auf Knopfdruck, ohne störende Werbeblöcke und am besten ganze Serienstaffeln am Stück. Kunden zahlen dafür eine monatliche Pauschale - in den USA sind es rund acht Dollar. Das ist attraktiv, schließlich zahlen Abonnenten von Kabelfernsehen dort zum Teil über 100 Dollar im Monat. Daneben lockt Netflix mit hochgelobten Eigenproduktionen wie der Politserie "House of Cards" mit Oscarpreisträger Kevin Spacey in der Hauptrolle oder der Frauenknastserie "Orange is the new Black".

Es ist kein Zufall, dass die große Netflix-Party in der boomenden Filmmetropole Berlin stattfindet. Einen Fehlstart in Deutschland, dem wichtigsten europäischen TV-Markt, will Hastings vermeiden. Schließlich ist der Abruf von TV-Inhalten über das Internet auch hierzulande auf dem Vormarsch. Bis 2018 wird sich der Umsatz der hiesigen Onlinevideo­theken nach einer Prognose der Beratungsfirma Goldmedia auf 449 Millionen Euro nahezu verdreifachen. Rund 50 Anbieter buhlen derzeit um die Gunst der Kunden. Als besonders aussichtsreich gilt das Segment Video-on-Demand auf Abo-Basis, wie es Netflix anbietet. Die Umsätze in dem Bereich sollen sich von 33 Millionen Euro im vergangenen Jahr auf knapp 300 Millionen Euro verneunfachen.

Die Nerven liegen blank
In den USA hat Hastings den Sprung vom Statisten zum Hauptdarsteller der Branche längst geschafft. Gegründet als reiner DVD-Versand zählt Netflix heute allein im Heimatmarkt 36 Millionen Streaming-Kunden. Weltweit sind es mehr als 50 Millionen Menschen. Läuft alles nach dem Drehbuch des Netflix-Chefs, kommen im laufenden Quartal fast vier Millionen Neukunden dazu.

Eine wichtige Rolle bei Hastings’ Expansionsplänen spielt Deutschland. Die Konkurrenz gibt sich äußerlich gelassen - doch in Wirklichkeit liegen die Nerven blank. Kurz vor dem Markteintritt der Amerikaner verordnete Maxdome-Geschäftsführer Andreas Heyden der führenden deutschen Onlinevideothek eine Kraftkur. Neben einem neuen Auftritt hat die zu ProSiebenSat.1 ­gehörende Internetvideothek über 80 Staffeln von Top-US-Serien neu ins Portfolio aufgenommen. Flankiert wird das Ganze von einer groß angelegten Werbekampagne.

Auch Konkurrent Watchever setzt auf neue Inhalte. Die Tochter des französischen Medienriesen Vivendi peppte ihr Portfolio erst kürzlich mit über 700 Stunden neuer Serien und Filme auf. Trotzdem halten sich hartnäckig Gerüchte, wonach Vivendi angesichts der Konkurrenz aus den USA die Segel streichen und die Tochter verkaufen will.

Snap aus dem Hause Sky läutete jüngst sogar einen ruinösen Preiskampf ein. Der Münchner Bezahlfernsehsender senkte den Abo-Preis auf vier Euro im Monat. Die Konkurrenten - Netflix eingeschlossen - verlangen etwa das Doppelte. Sky-Chef Brian Sullivan dürfte Snap ­ohnehin nur als reine Abwehrmaßnahme sehen. Unlängst ließ der TV-Boss durchblicken, dass er dem Geschäftsmodell der Onlinevideotheken skeptisch gegenüberstehe. Die Abo-Preise seien zu niedrig und die Filmrechte zu teuer. Das Risiko, ins Hintertreffen zu geraten, möchte er aber offenbar nicht eingehen.

Inhalte entscheiden den Kampf
Über den Preis allein wird man den Markt aber nicht erobern. Experten verweisen darauf, dass es vielmehr auf die Inhalte ankommt. "Der Preis ist sicher ein Aspekt. Der Kunde erwartet darüber hinaus aber Premiumangebote bis hin zu exklusiven Inhalten", sagt Klaus Böhm, Director Media beim Prüfungs- und Beratungsunternehmen Deloitte.

Das dürfte Hastings zumindest zum Deutschland-Start von Netflix Kopfzerbrechen bereiten. Die Erstausstrahlungsrechte für die prestige­trächtige Erfolgsserie "House of Cards" liegen ausgerechnet bei Sky. Hastings hatte die Rechte vor seinen Deutschland-Plänen an die Münchner verkauft.

Dem Netflix-Gründer fehlt damit ein wichtiges Zugpferd. Im Portfolio sind anfangs etwa die Büro-Comedy "Stromberg", "Die Sendung mit der Maus" und Filme mit Til Schweiger enthalten. Wohl auch deshalb gibt sich der Milliardär noch zurückhaltend. Nur den Fuß in die Tür zu bekommen wird Hastings langfristig aber nicht reichen. Und so dürfte die Marschroute feststehen: Nur die Marktführerschaft kann das Ziel des Visionärs sein.

Spätestens ab dem kommenden Jahr dürfte die Schonzeit für die deutsche Konkurrenz vorbei sein. In Hastings’ Köcher befinden sich internationale Produktionen wie die Sci-Fi-Serie "Sense8" um Menschen mit telepathischen Fähigkeiten und die historische Abenteuerreihe "Marco Polo". In Zukunft will der Amerikaner sogar deutsche Formate produzieren, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Die scheut nämlich oftmals die hohen Kosten und das damit verbundene Risiko für Eigenproduktionen.

Mister Gnadenlos
Auch Amazon-Chef Jeff Bezos schreckt das nicht. Der oft als gnadenlos charakterisierte Selfmade-Milliardär setzt wie Hastings auf selbst produzierte Serien wie die Polit-Comedy "Alpha House" oder die Comedy "Betas". Zu sehen sind die Episoden über den Streaming-Dienst Amazon Instant Video. Bezos verfolgt mit seiner Strategie hauptsächlich das Ziel, die Kunden durch ein umfassendes Medienangebot noch fester an den Versandhändler zu binden. Für 49 Euro jährlich können Abonnenten des Schnelllieferdienstes Prime auf 13.000 Filme und Serien zugreifen. Bezos’ Strategie könnte aufgehen. Mit dem Kampfpreis spricht der Amazon-Lenker Kunden an, die vor allem an TV-Inhalten interessiert sind, in Zukunft aber möglicherweise auch öfter bei Amazon einkaufen.

Bei der Film-Flatrate aber belässt es Bezos nicht. Mit der Set-Top-Box Fire TV bekommen Kunden von Amazon Prime Filme und Serien einfach auf den Fernseher. Die ersten Geräte waren an einem Tag ausverkauft. Der Andrang ist inzwischen so groß, dass Kunden wohl bis zu vier Monate auf die Lieferung warten müssen. Mit so einem Hype hatte wohl auch Bezos nicht gerechnet. Es könnte der Anfang eines neuen Fernsehzeitalters sein.

Wer bietet was
In Deutschland buhlen etwa 50 Internetvideotheken um die Gunst der Kunden. Beim Marktführer Maxdome können Abonnenten für 7,99 Euro im Monat auf über 50.000 Filme und Serien­episoden zurückgreifen. Aktuelle Topfilme und Serien sowie Sportevents kosten zusätzlich. Der Konkurrent Watchever setzt ganz auf das Konzept Flatrate. Der Dienst ist mit 8,99 Euro im Monat etwas teurer, verzichtet aber auf Zusatzgebühren. Deutlich günstiger bietet Snap seinen Service an. Der Ableger des Bezahlsenders Sky kommt ab 3,99 Euro im Monat ins Haus. Allerdings ist das Angebot vergleichsweise gering. Amazon verlangt für die Nutzung seiner Onlinevideothek 7,99 Euro im Monat. Kunden des Schnelllieferdienstes Prime wird das Angebot kostenfrei hinzugebucht. Der Prime-Service kostet 49 Euro pro Jahr. Der Dienst von US-Marktführer Netflix dürfte hierzulande ab 7,99 Euro im Monat zu haben sein.

Investor-Info

Netflix
Der Jungspund

Trotz hoher Investitionen in das Programm und die Auslandsexpansion schreibt Amerikas führende Onlinevideothek hohe Überschüsse. 2014 rechnen Analysten mit einem Plus beim bereinigten Nettogewinn von 60 Prozent auf 220 Millionen Euro. 2015 soll der Gewinn ähnlich stark zulegen. Wegen des hohen KGVs nur für risikofreudige Anleger.

Amazon
Der Überschwängliche

Amazon-Chef Jeff Bezos stellt Wachstum über Profit. Von den 70 Milliarden Euro, die im laufenden Jahr durch die Bücher des Onlinehändlers fließen sollen, wird wohl gerade einmal eine schwarze Null herauskommen. Im nächsten Jahr werden es vo­raussichtlich netto knapp 800 Millionen Euro Gewinn. Das KGV sinkt damit auf rund 70. Die Aktie ist trotz der hohen Bewertung ein Basisinvestment.

ProSiebenSat.1
Der Bodenständige

Vorstandschef Thomas Ebeling zufolge ist der Konzern auf gutem Weg, die mittelfristigen Wachstumsziele zu erreichen. 2014 dürfte der bereinigte Gewinn um ein Viertel auf 420 Millionen Euro klettern. Mit einem KGV im mittleren Zehnerbereich hat die Aktie Potenzial. Zudem ist die Dividende attraktiv.

Sky Deutschland
Der Wackelkandidat

Unterm Strich schreibt der Pay-TV-Sender rote Zahlen. 2014 dürfte ein Verlust von 90 Millionen Euro anfallen. Erst im Geschäftsjahr 2016 (30. Juni) rechnen Analysten mit dem Erreichen der Gewinnschwelle. Mit dem Markteintritt von Netflix wird es für Sky nicht einfacher, profitabel zu arbeiten.

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Bildquellen: Holger Rauner © ProSiebenSat.1 Media AG, Netflix

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20.01.2023Netflix SellGoldman Sachs Group Inc.
18.11.2022Netflix SellGoldman Sachs Group Inc.
11.10.2022Netflix SellGoldman Sachs Group Inc.
20.07.2022Netflix SellGoldman Sachs Group Inc.

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