Tech-Investor kritisiert Teslas Full Self-Driving: "Noch lange nicht autonomes Fahren"
Ende April reiste Tesla-Chef Elon Musk überraschend nach China und konnte während seines Aufenthalts eine Freigabe für Teslas FSD-System im Reich der Mitte erzielen. Analysten zeigten sich daraufhin begeistert. Ein professioneller Tech-Investor warnte jedoch davor, dies als großen Durchbruch anzusehen - und übte scharfe Kritik an der Selbstfahrfähigkeit der Tesla-Autos im Allgemeinen.
Werte in diesem Artikel
• Börse feiert Teslas FSD-Durchbruch in China
• Profi-Investor weniger begeistert
• Experte: Teslas Full Self-Driving ist keineswegs autonomes Fahren
Tesla-Gründer Elon Musk hat bei einem Blitzbesuch in China Ende April wichtige Zusagen für die Einführung von FSD-Funktionen in den dort zugelassenen Fahrzeugen von Tesla erhalten. Zwar ist Teslas Fahrassistenzsystem namens "Full Self-Driving" laut "CNBC" bereits seit längerem in China verfügbar, allerdings nur mit einem eingeschränkten Funktionsumfang, der es auf Vorgänge wie den automatischen Spurwechsel beschränkt. Nun soll FSD allerdings bald auch in China unter anderem Ampel-Signale und Vorfahrtsregeln beachten. Um dies zu ermöglichen, hat Tesla einen Navigations- und Kartendeal mit dem chinesischen Online-Giganten Baidu geschlossen.
Tesla-Anleger reagieren euphorisch auf FSD-Durchbruch in China
Nachdem bekannt wurde, dass Tesla mehr Funktionen für das autonome Fahren nach China bringen wird, ging es für die Tesla-Aktie steil aufwärts. Das Papier legte an nur einem Tag um 15,31 Prozent zu und verzeichnete damit laut "CNBC" seinen besten Tag seit März 2021. Auch Analysten zeigten sich begeistert: Dan Ives von Wedbush Securities bezeichnete die Zulassung des Fahrerassistenzsystems in China als "Wendepunkt" für die Tesla-Aktie. "Da die langfristige Bewertungsgeschichte bei Tesla von FSD und autonomen Fahrzeugen abhängt, besteht ein entscheidendes fehlendes Puzzleteil darin, dass Tesla FSD in China verfügbar macht, und das scheint nun kurz bevorzustehen", schrieb Ives laut "The Express". Für Adam Jonas von Morgan Stanley bedeutet Teslas Fortschritt in China ebenfalls "mehr als nur die Genehmigung für selbstfahrende Technologien auf chinesischen Straßen. Vielmehr scheine es, als ob sie die "tief verankerten Ängste über die Gewinnentwicklung in China derzeit auszuräumen vermag", schrieb er in einer Mitteilung.
Ein Profi-Investor warnte jedoch, dass die Euphorie über den FSD-Erfolg ungerechtfertigt sei. Die Einführung von Teslas fortschrittlichen Fahrerassistenzfunktionen in China sei nicht so bahnbrechend, wie es von der Börse aufgenommen wurde, sagte Mark Hawtin gegenüber "CNBC". Er ist Investmentdirektor bei der Schweizer Vermögensverwaltungsgruppe GAM und konzentriert sich auf Investitionen in disruptive Wachstums- und Technologieaktien. Für Tesla sieht er weiterhin schwache Fundamentaldaten - und glaubt außerdem, dass der Elektroautobauer noch Jahre von wirklich autonomen Fahrzeugen entfernt sei und momentan bei den Fahrassistenzsystemen lediglich mit der China-Konkurrenz gleichgezogen habe.
GAM-Experte sieht Teslas FSD skeptisch - kein Vorteil gegenüber China-Konkurrenz
Wie "Benzinga" berichtet, sieht GAM-Experte Hawtin, der weder selbst noch mit seinem Unternehmen Tesla-Aktien hält, weiterhin mögliche Nachfrageprobleme bei Tesla. Als Grund dafür nannte er die aggressiven Preissenkungen, die zu einem Rückgang beim Wert gebrauchter Teslas geführt hätten und außerdem höhere Leasingkosten nach sich ziehen könnten. "Unter dem Strich sind die Fundamentaldaten nicht gut. Es gibt derzeit eine riesige Fülle an Angeboten für Elektrofahrzeuge auf dem Markt, und Tesla hinkt hinterher", so Hawtin laut "Benzinga".
In der "CNBC"-Sendung "Squawk Box Europe" ging Mark Hawtin außerdem genauer auf die FSD-Genehmigung in China ein. "Wir sollten sagen, was sie tun - alle reden über diese vollständige Selbstfahrfähigkeit. [...] Was sie in China tun können, ist das, was sie bereits in den USA oder Großbritannien tun, nämlich so etwas wie diese Fähigkeit zum assistierten Fahren", so der Investor gegenüber dem US-Sender. Abgesehen davon, dass es sich also nicht um bahnbrechende neue Funktionen handle, habe Teslas Full Self-Driving laut dem Experten außerdem auch nicht wirklich etwas mit selbstfahrenden Autos zu tun. "Es ist noch lange nicht autonomes Fahren", kritisierte Hawtin und gab an, dass eine FSD-Version, die zu "wahrer Autonomie" fähig sei, seiner Meinung nach noch fünf bis zehn Jahre entfernt sei.
Laut "CNBC" handelt es sich bei der aktuellen Version von Teslas FSD um Fahrerassistenzsysteme der Stufe 2. Diese würden Tesla in China laut Hawtin jedoch keinen nennenswerten Vorsprung vor der starken Konkurrenz verschaffen, da auch die chinesischen E-Autobauer BYD, Huawei, Xpeng, Li Auto und Xiaomi bereits Technologien bereitstellen würden, die Selbstfahrfunktionen der Stufe 2 ermöglichen. Eine tatsächliche Autonomie sei laut "CNBC" frühestens mit Systemen der Stufe 3 erreicht. Bei solchen Systemen, die alle Aspekte des Fahrens abdecken würden, spreche man jedoch auch nur von einer "bedingten Automatisierung", da dennoch weiterhin ein Fahrer anwesend sein müsse.
Kommt auch das Robotaxi erst in mehreren Jahren auf die Straße?
Falls GAM-Experte Hawtin Recht haben sollte und eine FSD-Version, die wirklich autonom fahren kann, noch fünf bis zehn Jahre in der Zukunft liegt, könnte sich das auch auf Teslas Robotaxi-Pläne auswirken. Tesla-Chef Elon Musk hatte angekündigt, am 8. August das erste Robotaxi zu präsentieren. Ob dieses dann aber auch zeitnah und ohne Fahrer auf den Straßen unterwegs sein wird, ist angesichts des aktuellen Standes der FSD-Technologie von Tesla wohl fraglich.
Redaktion finanzen.net
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Bildquellen: ROBYN BECK/AFP/Getty Images, Justin Sullivan/Getty Images
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