Wirecard-Finanzchef gibt Schuld für Betrug Ex-Vorstand Marsalek - Übernahme des Kerngeschäfts durch Santander -- Insiderhandel durch BaFin-Mitarbeiter?
Der frühere Wirecard-Finanzchef Alexander von Knoop hat die Schuld für den Zusammenbruch des Zahlungsabwicklers dem flüchtigen Vorstand Jan Marsalek zugeschoben.
Die Zuständigkeit im Vorstand für die am Ende nicht existierenden Treuhandkonten im Ausland habe allein Marsalek gehabt, sagte von Knoop am Donnerstag im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu dem milliardenschweren Bilanzbetrug. "Zu keiner Zeit sind mir die derzeit in Rede stehenden kriminellen Machenschaften anderer Personen in der Wirecard AG mitgeteilt, angedeutet oder sonst bekanntgeworden. Ich hatte davon keine Kenntnis."
Von Knoop war seit 2005 bei dem Unternehmen aus dem Münchner Umland, seit 2014 im Vorstand der Banktochter und seit Anfang 2018 Finanzchef des Wirecard-Konzerns. Marsalek, der für das operative Geschäft zuständig war und Medienberichten zufolge in Russland vermutet wird, habe ihm immer wieder bestätigt, dass hinter den "erheblichen Kontoguthaben werthaltige Bankforderungen" stünden. Als bekannt wurde, dass dies nicht der Fall war, sei er "völlig überrascht und schockiert" gewesen, so der 48-jährige von Knoop. "Ich habe das zu keiner Zeit für möglich gehalten." Er habe von dem Betrug nie selbst wirtschaftlich profitiert und durch den Skandal keine berufliche Perspektive mehr.
Wirecard war im Juni 2020 nach Bekanntwerden milliardenschwerer Luftbuchungen in die Pleite gerutscht. Die Staatsanwaltschaft ermittelt unter anderem wegen Bilanzfälschung, Betrug, Marktmanipulation und Geldwäsche. Es ist einer der größten Finanzskandale der Nachkriegszeit.
Von Knoop verlas im Bundestag lediglich eine Erklärung und wollte keine Fragen beantworten. Er kooperiert nach eigenen Angaben mit der Staatsanwaltschaft. Gegen ihn laufen Bundestagsabgeordneten zufolge drei Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft, in denen er auch als Beschuldigter geführt wird.
Übernahme des Wirecard-Kerngeschäfts durch Santander abgeschlossen
Die spanische Großbank Santander hat mit leichter Verspätung wie angekündigt das Kerngeschäft des Skandalkonzerns Wirecard inklusive von 500 Mitarbeitern übernommen. Das Geschäft sei nun abgeschlossen, teilte Insolvenzverwalter Michael Jaffé am Donnerstag mit. Fast alle Arbeitsplätze in der früheren Wirecard-Zentrale in Aschheim vor den Toren Münchens sollen erhalten bleiben. "Mit dem erfolgreichen Verkauf an Santander haben wir unser Ziel erreicht, die bestmögliche Lösung für Mitarbeiter und Gläubiger zu finden", erklärte Jaffé. Der Rechtsanwalt hatte ursprünglich einen Abschluss der Übernahme noch 2020 in Aussicht gestellt.
Santander übernimmt die Wirecard-Technologie für die Abwicklung von Kreditkartenzahlungen, die damit verbundenen Vermögenswerte und einen großen Teil der Mitarbeiter - nicht jedoch Wirecard-Firmen. Damit erspart sich Santander sowohl deren Schulden als auch rechtliche Risiken. Die früheren Wirecard-Mitarbeiter sind nun für Getnet tätig, die Bezahlplattform der Spanier. Der Kaufpreis beträgt dem Vernehmen nach mehr als 100 Millionen Euro, Jaffé und Santander hatten jedoch Stillschweigen vereinbart.
Zahlungsdienstleister wie Getnet und ehedem Wirecard wickeln Kartenzahlungen im Einzelhandel und im Internet ab. Sie sitzen dabei an der Schnittstelle zwischen Banken und Kreditkartenfirmen auf der einen und den angeschlossenen Händlern auf der anderen Seite.
BaFin zeigt Mitarbeiter wegen mutmaßlichen Wirecard-Insiderhandels an
Wegen des Verdachts des Insiderhandels mit Papieren rund um die insolvente Wirecard AG hat die Finanzaufsicht Bafin einen Mitarbeiter bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart angezeigt. Der Beschäftigte der Wertpapieraufsicht hat nach Angaben der Aufsicht am 17. Juni 2020 strukturierte Produkte mit dem Basiswert Wirecard AG verkauft. Dazu zählen unter anderem Zertifikate. Einen Tag später hatte der frühere DAX-Konzern Luftbuchungen von 1,9 Milliarden Euro eingeräumt.
Die Finanzaufsicht entdeckte den Verdacht gegen den Mitarbeiter nach eigenen Angaben im Rahmen einer noch laufenden Sonderprüfung. Der Beschäftigte sei sofort freigestellt geworden. Gegen ihn sei ein Disziplinarverfahren eröffnet worden, teilte die Bafin am Donnerstag mit.
Die Aufsicht untersucht private Börsengeschäfte ihrer Mitarbeiter, bei denen der Kurs der Wirecard AG eine Rolle spielte, zum Beispiel Kauf oder Verkauf von Aktien des Unternehmens. Es handelt sich um 510 Geschäfte von 85 Mitarbeitern.
Zudem wurden Bafin-Beschäftigten spekulative Finanzgeschäfte untersagt, also das kurzfristige Handeln beispielsweise mit Aktien. "Wir hatten ein Compliance-System, das den gesetzlichen Vorgaben entsprach, aber nicht mehr zeitgemäß ist und deshalb zu Recht verändert wird", hatte Bafin-Chef Felix Hufeld in einem Interview gesagt.
Der frühere Dax-Konzern Wirecard hatte im Juni Luftbuchungen von 1,9 Milliarden Euro eingeräumt und in der Folge Insolvenz angemeldet - insgesamt könnte es nach Ermittlungen der Münchener Staatsanwaltschaft um mehr als drei Milliarden Euro gehen. Weil dies jahrelang unentdeckt blieb, steht unter anderem die Bafin in der Kritik.
BERLIN / FRANKFURT (dpa / Reuters)
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