Großbritannien: Gespaltenes Königreich
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Der Ausgang der Wahlen am 7. Mai ist völlig offen, ein Austritt aus der EU droht. Das verunsichert viele Investoren. Dabei brummt die Konjunktur - auch wenn der Aufschwung nicht bei allen Briten ankommt.
Werte in diesem Artikel
von K. Nürnberger, Euro am Sonntag
Die Straße ist pieksauber, die Fassaden frisch gestrichen, der Pub ist mit Blumenkästen geschmückt. Hübsch ist es im Marktstädtchen Devizes. Bei näherem Hinsehen jedoch zeigt das 1800-Seelen-Idyll ein paar Kratzer: "Closed down" steht auf dem Schild beim Gemüsehändler. "Geschlossen". Auch der Modeladen Cielo Blue auf dem Marktplatz ist leer geräumt, ebenso der kleine Töpfershop. Der Geschenkartikel-Store um die Ecke ist auch verwaist.
"Die Mieten sind zu hoch und die Kunden extrem preisbewusst. Für uns ist die Krise noch nicht vorüber", klagt Rose Webster, Besitzerin der Boutique Spirit, über die Probleme in dem kleinen, zwei Autostunden westlich von London gelegenen Städtchen. Zwar laufen ihre Geschäfte einen Tick besser als im Vorjahr. "Ich glaube aber nicht, dass es uns jemals wieder so gut gehen wird wie vor der Finanzkrise", sagt sie. "Es ist, als hätten sich die Leute das Geldausgeben abgewöhnt. Jeder sucht nach Schnäppchen. Sparen ist Volkssport geworden."
Rose Webster ist kein Einzelfall. Klagen wie ihre gibt es zuhauf in Großbritannien. Dabei geht es dem Land blendend - zumindest auf dem Papier. Das Königreich hat die am schnellsten wachsende Wirtschaft der sieben bedeutendsten Industrienationen (G 7). Das Bruttoinlandsprodukt legte 2014 um 2,6 Prozent zu und ließ Deutschland mit 1,6 Prozent weit hinter sich zurück. 2015 soll die Wirtschaft erneut um 2,6 Prozent ansteigen.
Es sind der mächtige Finanzsektor in London und das starke Pfund, die für die positiven Zahlen verantwortlich zeichnen. Und die Wiederbelebung des Immobilienmarkts. Reiche aus aller Welt stürzen sich nach wie vor auf Luxusimmobilien im Londoner Zentrum.
Mit Programmen wie "Help to Buy", bei dem Käufer nur fünf Prozent des Kaufpreises als Eigenkapital mitbringen müssen, und günstigen Krediten gelang es der Regierung aus den konservativen Torys und Liberaldemokraten, den Markt auch im Rest des Landes anzukurbeln.
Dank der rasanten Preissteigerungen gibt es auf der Insel inzwischen 500.000 Immobilienmillionäre. Und doch ist für viele Briten die Anschaffung eines Eigenheims jenseits aller Vorstellungskraft.
Vor allem junge Käufer bleiben außen vor - der Prozentsatz der 25- bis 34-jährigen Hausbesitzer ist von 59 Prozent 2004 auf 36 Prozent 2014 gesunken. "Ich könnte mir gerade einmal eine Garage leisten", sagt Lehrerin Helen Kunda, 29, die in einer Mietwohnung im Londoner Bezirk Woodford lebt. "Nach der Miete und den Kita-Kosten bleibt nicht viel übrig. Vielen Freunden geht es ähnlich. Ein Job reicht oft nicht aus, um die Rechnungen zu zahlen." Von solchen Engpässen vieler Briten profitieren Firmen wie Bright House. Dort können klamme Bürger Haushaltsgeräte auf Raten kaufen. Klingt verlockend, ist aber extrem teuer. So kostet ein neuer Kühlschrank statt 644 am Ende 1.716 Pfund - rund 2.400 Euro.
Dass der Aufschwung auf der Insel in weiten Teilen der Gesellschaft nicht ankommt, hat einen Grund: die lahmende Realwirtschaft. Die Industrieproduktion stagniert mit minus 0,1 Prozent im vierten Quartal. Ebenso das Handwerk (plus 0,1). Und der Bausektor erholt sich zwar langsam, liegt aber immer noch acht Prozent unter dem Niveau vor der großen Finanzkrise. Nur der Dienstleistungssektor sorgt mit 0,8 Prozent für Wachstum.
Immerhin: Zumindest die Inflationsrate, die mit 0,3 Prozent auf den tiefsten Stand seit 1960 gefallen ist, lässt die Verbraucher aufatmen. Sie profitieren von günstigen Öl- und Benzinpreisen sowie stark gesunkenen Lebensmittelkosten. Die wiederum sind das Resultat eines aggressiven Preiskampfs, den Aldi und Lidl auf der Insel entfacht haben.
Die deutschen Discounter werben massiv mit einem gehobenen Sortiment um Britanniens Mittelklasse. Jedes zehnte Pfund, das in einem Supermarkt ausgegeben wird, wandert in die Kassen der Discounter. Eine Aldi-Tüte in der Hand zu haben ist nicht mehr peinlich, sondern clever.
Geld nur gegen Arbeit
Um den Arbeitsmarkt zu beleben, hat die Regierung unter Premier David Cameron "Null-Stunden-Verträge" eingeführt. Mit Erfolg. Die Arbeitslosenzahl ist von acht auf 5,7 Prozent gesunken. Waren 2011 noch fast 2,7 Millionen Briten ohne Job, sind es heute nur noch 1,9 Millionen.Mit "Zero Hours Contracts" können Firmen Personal einstellen, ohne eine feste Arbeitszeit oder Gehalt garantieren zu müssen. Der Arbeitnehmer steht auf Abruf bereit und wird nur vergütet, wenn er arbeitet - jedoch ohne Anspruch auf einen Einsatz. Annähernd 700.000 Arbeitnehmer sollen inzwischen mit solchen Verträgen ausgestattet sein.
In den Medien häufen sich die Horrorstorys. Ein Lagerarbeiter in Derbyshire ist ins Koma gefallen. Der 52-Jährige war trotz schwerer Krankheit zum Job erschienen. Die Pubkette Wetherspoon beschäftigt 80 Prozent ihrer 24.000 Mitarbeiter per "Zero Hours". Und zahlt so wenig, dass manche Angestellten weiter von staatlichen Subventionen abhängig sind.
Doch es gibt auch etliche, die "Zero Hours" als Schritt in die richtige Richtung sehen. Die Verträge gäben vielen Hoffnung auf eine bessere Zukunft, sagt Martin Scarth, der in Loughton, Essex, einen Jugendklub betreibt. "Wenn ich tagsüber unterwegs bin, sind die Straßen leer. Warum? Die Leute arbeiten wieder! Diese Jobs helfen den Kids, wieder an sich zu glauben."
Die Unterhauswahlen im Mai werden extrem spannend. Noch nie in den vergangenen Jahrzehnten war der Wahlausgang so unklar wie dieses Mal. Torys und die Arbeiterpartei Labour liegen bei den Wählern nahezu gleichauf. Derzeit hat die Oppositionspartei mit 34 Prozent der Stimmen knapp die Nase vorn (Torys: 33 Prozent). Während die Liberaldemokraten weiter absacken (acht Prozent), haben populistische Parteien wie die antieuropäische UKIP (14 Prozent) großen Zulauf.
Londons Börse ist beunruhigt. "Am Horizont ziehen dunkle Wolken auf, und die Wahl ist die größte davon. Investoren mögen keine Ungewissheit", sagt Nancy Curtin von Close Brothers Asset Management. Durch Koalitionsverhandlungen könnte das Land Wochen ohne Regierung sein. Eine Labour-Administration könnte weniger Anstrengungen unternehmen, das hohe staatliche Haushaltsdefizit zurückzuführen. Zugleich setzt Oppositionsführer Ed Miliband auf mehr Interventionen und Dirigismus.
Doch als größtes Langzeitrisiko gilt der "Brexit", Großbritanniens EU-Austritt. Cameron hat im Fall einer Wiederwahl den Briten für 2017 ein Referendum versprochen. Die wirtschaftlichen Nachteile eines EU-Austritts wären gravierend. So müsste der Zugang zum europäischen Binnenmarkt komplett neu verhandelt werden. Rose Webster aus Devizes warnt daher vor einem Austritt Englands aus der EU. "Man kann nur hoffen, dass die Leute bei Vernunft bleiben."
Investor-Info
Börse
Unsicherheit überwiegt
Wichtigster Börsenindex in England ist der FTSE 100, in dem die 100 größten börsennotierten Unternehmen Großbritanniens zusammengefasst sind. Zwar schaffte er erst kürzlich ein neues Allzeithoch, doch im Vergleich zum DAX hinkt das Börsenbarometer seit Jahren weit hinterher. So hat der FTSE erst jetzt das alte Hoch aus dem Jahr 2000 geknackt, während der DAX seitdem um 50 Prozent zulegen konnte. Der FTSE ist sehr finanzlastig, Rohstoffkonzerne und Pharma bilden eine weitere große Gruppe. Indexschwergewichte sind die Bank HSBC und die Ölgiganten BP und Royal Dutch Shell.
Die Probleme bei Banken und Versicherungen im Zuge der Finanz- und Schuldenkrise sowie eine schwache Performance vieler Rohstoffkonzerne haben den Index lange belastet.
Auch wenn sich das Bild zuletzt aufhellte, die Verunsicherung vor den Wahlen ist groß. Vor allem ein drohender Austritt Englands aus der EU im Fall eines Wahlsiegs der Konservativen sorgt für Nervosität unter Investoren. Schließlich wären die Folgen eines Brexit unabsehbar.
Ziemlich klar scheint hingegen: Das Britische Pfund wird - egal wie die Wahlen ausgehen - zu Dollar und Euro abwerten. "Alle Wege führen zu einer Sterling-Schwäche", sagt Daragh Maher, Devisenexperte bei der HSBC. Hinzu kommt, dass die schwache Produktivität die Bank of England bewegen könnte, die Zinsen länger niedrig zu halten als angenommen, was das Pfund zusätzlich belasten würde.
Währung
Gegen das Pfund wetten
Das Britische Pfund hat seit Jahresbeginn in der Spitze gut zehn Prozent zum Euro an Wert gewonnen. Nun könnte sich der Trend umkehren. Laut Datendienst Bloomberg gibt es an den Devisenmärkten mehr Wetten auf ein fallendes Pfund als vor der Abstimmung über die Abspaltung Schottlands von Großbritannien im vergangenen Jahr. Anleger, die ebenfalls auf einen fallenden Pfundkurs spekulieren wollen, können zum Beispiel zu einem ETN genannten Devisenzertifikat Long EUR Short GBP (ISIN: JE 00B 3Y3 SZ6 4) von ETF Securities greifen.
Fonds und ETFs
Invesco UK Equity Fund
Rohstoffkonzerne, die unter dem Ölpreisabsturz leiden, ein drohender Verfall des Pfunds, der für ausländische Investoren Gewinne schmälern würde, und die Unsicherheit im Vorfeld der Wahl: Britische Aktien drängen sich für deutsche Anleger nicht gerade auf. Dennoch könnte diese Konstellation mittelfristig Einstiegschancen bieten - sofern der Ölpreis steigt, das Pfund stabil bleibt und der Brexit ausfällt. Für Langfristinvestoren bietet sich dann der UK-Fonds von Invesco an, der zuletzt sehr erfolgreich war. Top-Positionen: HSBC, Friends Life Group, Shell und BP. Interessant und kostengünstig ist auch der ETF von db X-trackers auf den Nebenwerte-Index FTSE 250 (ISIN: LU 029 209 731 7). Er hat den FTSE 100 auf lange Sicht geschlagen - auch, weil er weniger Banken und Rohstoffwerte enthält.Ausgewählte Hebelprodukte auf BP
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Der Hebel muss zwischen 2 und 20 liegen
Name | Hebel | KO | Emittent |
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Bildquellen: Luke Rajchert / Shutterstock.com, S.Borinov / Shutterstock.com
Nachrichten zu Shell (ex Royal Dutch Shell)
Analysen zu Shell (ex Royal Dutch Shell)
Datum | Rating | Analyst | |
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31.01.2025 | Shell (ex Royal Dutch Shell) Outperform | RBC Capital Markets | |
31.01.2025 | Shell (ex Royal Dutch Shell) Buy | UBS AG | |
30.01.2025 | Shell (ex Royal Dutch Shell) Overweight | JP Morgan Chase & Co. | |
30.01.2025 | Shell (ex Royal Dutch Shell) Buy | Jefferies & Company Inc. | |
30.01.2025 | Shell (ex Royal Dutch Shell) Outperform | RBC Capital Markets |
Datum | Rating | Analyst | |
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31.01.2025 | Shell (ex Royal Dutch Shell) Outperform | RBC Capital Markets | |
31.01.2025 | Shell (ex Royal Dutch Shell) Buy | UBS AG | |
30.01.2025 | Shell (ex Royal Dutch Shell) Overweight | JP Morgan Chase & Co. | |
30.01.2025 | Shell (ex Royal Dutch Shell) Buy | Jefferies & Company Inc. | |
30.01.2025 | Shell (ex Royal Dutch Shell) Outperform | RBC Capital Markets |
Datum | Rating | Analyst | |
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06.12.2024 | Shell (ex Royal Dutch Shell) Neutral | UBS AG | |
01.11.2024 | Shell (ex Royal Dutch Shell) Neutral | UBS AG | |
31.10.2024 | Shell (ex Royal Dutch Shell) Neutral | UBS AG | |
08.10.2024 | Shell (ex Royal Dutch Shell) Neutral | UBS AG | |
05.07.2024 | Shell (ex Royal Dutch Shell) Neutral | UBS AG |
Datum | Rating | Analyst | |
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26.08.2020 | Shell (Royal Dutch Shell) (A) Underweight | Barclays Capital | |
29.11.2017 | Shell B Sell | Citigroup Corp. | |
29.11.2017 | Shell (Royal Dutch Shell) (A) Sell | Citigroup Corp. | |
29.11.2017 | Shell B Sell | Citigroup Corp. | |
30.01.2015 | Royal Dutch Shell Grou b Sell | S&P Capital IQ |
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