Vermögensverwalter-Kolumne

Wochen der Wahrheit

22.07.19 09:41 Uhr

Wochen der Wahrheit | finanzen.net

die Börsen fiebern dem Monatsende entgegen, denn sie hoffen auf eine Zinssenkung in USA. Daumen halten.

Die Hoffnung, die seit einigen Wochen an den Börsen herumgeistert, soll zum Monatsende nun endlich Gewissheit werden: die erste Zinssenkung der amerikanischen Notenbank FED seit über zehn Jahren. Nach der Finanzkrise in 2008 hat die US-Notenbank lange Zeit die Füße still gehalten. Erst Ende 2015 entschied sich die damalige Notenbankchefin Janet Yellen zu einer ersten Zinserhöhung, der mit einem Jahr Abstand weitere Anhebungen in Trippelschritten bis zur aktuellen Bandbreite von 2,25 Prozent - 2,5 Prozent folgten. Es war die Intention, das Zinsniveau zurück auf ein normaleres Level zu heben, um zukünftig wieder mehr Spielraum in der Geldpolitik zu haben, falls die momentan noch gute Wirtschaftsdynamik zu schwächeln anfängt.

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Schaut man sich die Vorschusslorbeeren an, die der Aktienmarkt bereits verteilt hat, muss man davon ausgehen, dass die erwartete Zinssenkung bereits eingepreist ist: Alle US-Börsenindizes haben neue Allzeithochs erklommen. Ganz verwegen gingen die FED-Beobachter zeitweise sogar von einer Zinssenkung von 0,5 Prozent aus. Diese Erwartung hat jedoch mit den letzthin robusten Arbeitsmarktzahlen einen Dämpfer erhalten. 0,25 Prozent sind wohl eher realistisch. Weniger oder gar nichts dürfte zu Enttäuschung und deutlichen Kursrückschlägen führen. Vor der wohl verdienten Sommerpause wartet also Ende Juli noch ein wichtiges Börsen-Highlight auf uns.

Bei einem Zinsniveau von knapp über zwei Prozent in den USA mag jeder Zinsstimulus aus realwirtschaftlicher Sicht lächerlich wirken, aber oftmals zählt die Symbolkraft mehr als die tatsächliche Auswirkung auf die Wirtschaft, die zumindest in den USA noch auf vollen Touren läuft. Die FED hat es immerhin geschafft, sich wieder etwas Potential für Zinssenkungen aufzubauen.

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Die europäische EZB ist davon meilenweit entfernt und die Fragezeichen nehmen zu, wie denn Christine Lagarde als designierte Nachfolgerin von EZB-Chef Draghi in der nächsten Wirtschaftskrise überhaupt noch reagieren kann. Abgesehen von der Unwägbarkeit, dass sich die EU-Staatschefs par ordre du mufti für eine Person auf dem EZB-Chefsessel entschieden haben, die als vormals geschäftsführende Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF) zwar erfahren auf der internationalen politischen Bühne ist, aber eben keine Ökonomin oder ausgewiesene Finanzexpertin, wie es ihre Vorgänger Duisenberg, Trichet und Draghi allesamt waren. Sie wird daher sehr viel stärker auf die Expertise ihres Teams im Hintergrund angewiesen sein, vielleicht aber auch ganz andere Akzente setzen. Frauen an den Schalthebeln der Macht liegen im Zeitgeist - Honi soi qui mal y pense ;-)

Die Nachfolge von Draghi wird auf alle Fälle kein leichter Job. Die Diskussion hält an, welche Pfeile die EZB noch in ihrem Köcher hat für den Fall der Fälle. Es scheint, dass bei einem Zinsniveau von aktuell Null sowie Negativzinsen für die Banken jede weitere "Lockerung" der Geldpolitik eher einer Bestrafung gleichkommt. Und wem soll da geholfen werden, der sich in dem seit zehn Jahren währenden Nullzinsumfeld inzwischen nicht selbst helfen konnte?

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von Dr. Marc-Oliver Lux von Dr. Lux & Präuner GmbH & Co. KG in München

Immer mehr Privatanleger in Deutschland vertrauen bei ihrer Geldanlage auf bankenunabhängige Vermögensverwalter. Frei von Produkt- und Verkaufsinteressen können sie ihre Mandanten bestmöglich beraten. Mehr Informationen finden Sie unter www.v-bank.com.

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