Ist dieses Mal alles anders?
"Oktober: Das ist einer der besonders gefährlichen Monate, um in Aktien zu investieren. Andere gefährliche Monate sind Juli, Januar, September, April, November, Mai, März, Juni, Dezember, August und Februar. - Mark Twain!"
Die geopolitischen Risiken halten derzeit wieder einmal die Welt in Atem. Der Konflikt zwischen Israel und der Hamas eskaliert und die grausamen Bilder in den Medien versetzen die Menschen in Angst und Unruhe. Der andere große Konflikt zwischen Russland und der Ukraine ist weiterhin in vollem Gange. Nichts hat sich dort seit dem Februar 2022 verbessert. Wirtschaftspolitisch sieht es ebenfalls nicht rosig aus. Durch die starken Zinsanstiege in der Eurozone und den USA wird es die Konjunktur in der westlichen Welt in den kommenden Monaten schwer haben, eine "sanfte Landung" zu erreichen. Die beiden großen Notenbanken FED und EZB haben das erklärte Ziel, die Inflation zu bändigen und wieder in Richtung zwei Prozent zu bringen. Dazu haben sie die Zinsen in den vergangenen eineinhalb Jahren massiv angehoben und entziehen dem Kapitalmarkt jeden Monat Liquidität, so dass die Geldmenge sinkt. Daher stellen wir uns in den USA und in der Eurozone auf ein leichtes Minuswachstum ein. Das trübe Herbstbild an den Börsen spiegelt die derzeit unsichere geopolitische und wirtschaftliche Situation bereits wider. Mit einem hohen Depotanteil von Gold und Goldminen kann das Risiko minimiert werden. Die Anleihen sind durch den Zinsanstieg zunehmend attraktiver geworden und erhalten ein höheres Gewicht in unseren Portfolien. Mit einer Reduzierung der Aktienquote geht ein Anstieg der Kassenhaltung einher, um wieder günstiger einkaufen zu können.
Warum sehen wir zuerst das Negative?
Bei all den Risiken, die zweifellos vorhanden sind, stellt sich die Frage, warum so viele Menschen zuerst auf die möglichen negativen Auswirkungen blicken und daraufhin ihre Entscheidungen treffen. Viele kaufen in guten Börsenphasen ein und verkaufen, wenn es schwierig wird. Natürlich ist eine weitere Eskalation im Nah-Ost-Konflikt möglich. Nur wem nützt dort eine Ausweitung? Ein drastischer Anstieg des Ölpreises wäre die Folge und würde den ölexportierenden Ländern kaum langfristig helfen, da sich der weltweite Umstieg auf andere Energieträger noch schneller vollziehen würde. Die westliche Welt hätte wieder mit einem Anstieg der Inflation und einer Abschwächung der Konjunktur zu kämpfen. Daher wirken vor allem die USA und die Europäer bei aller Solidarität mäßigend auf Israel ein. Niemand gewinnt etwas von der Ausweitung des Konflikts und eine dauerhafte friedliche Lösung ist ebenfalls nicht absehbar!
Warum neigen Anleger reflexartig dazu, gerade in Krisensituationen ihre Aktien zu verkaufen? Aus psychologischer Sicht ist dies nachvollziehbar und verständlich. Wir Menschen sehnen uns nach Sicherheit und mögen keine Schwankungen, insbesondere wenn die Alternative kurzfristiger Geldmarktanlagen derzeit drei Prozent an Zinsen verspricht. Gerade in schwierigen Zeiten schwanken Aktien stärker. Wenn die Kurse fallen, werden Aktien bei gleichbleibender Qualität preiswerter. Damit werden sie im Vergleich mit anderen Anlageklassen attraktiver - zumindest dann, wenn wir nicht glauben, dass jetzt das Ende der Welt gekommen ist. In allen vorhergehenden Krisen wie nach dem 11. September 2001, der Finanzkrise und der Lehman-Pleite 2008, der Euro-Krise um Griechenland, Corona und dem Russland-Ukraine-Krieg sind die Kurse im Anschluss wieder deutlich gestiegen. Zugegeben, manchmal hat diese Entwicklung länger gedauert als gedacht. Die Zinsen werden bei einem Rückgang der Inflation und der sich abzeichnenden Konjunkturschwäche vermutlich wieder sinken. Dann zeigt sich die Stärke eines robusten gemischten Portfolios mit Bausteinen aus den verschiedenen Anlageklassen, welches deutlich attraktiver als ein kurzfristiges Tagesgeld ist.
Markt-Timing ist keine gute Idee!
Der jüngste Bericht "Mind the Gap" des Fondsanalyse-Hauses Morningstar zeigt, dass Anleger oft ihre eigenen Feinde sind. "Anleger arbeiten hart daran, gute Fonds auszuwählen. Aber das Erkennen großartiger Anlagen nützt nicht viel, wenn man nahe am Höchststand gekauft oder am Tiefpunkt verkauft hat oder beides. Menschen folgen oft ‚der Herde‘, indem sie ihr Vermögen in Fonds investieren, die in letzter Zeit gut gelaufen sind, und dabei oft die besten Renditen verpassen, um dann am Ende enttäuscht zu sein und mit Verlust zu verkaufen", erklärt Matias Möttölä, Director of Manager Research bei Morningstar. "Unsere Studie zeigt, dass es für viele Anleger am besten gewesen wäre, bei ihren Anlagen zu bleiben, anstatt zu versuchen, die Märkte auf der Suche nach großen Gewinnen mit ausgefallenen Fonds zu timen. Weniger schwankungsanfällige und einfachere Fonds lieferten bessere Endergebnisse."
Ein Beispiel aus der Praxis mag dies veranschaulichen: Die Themen Nachhaltigkeit, Clean Energy und Klimawandel sind derzeit in aller Munde. Aktien aus diesem Bereich wurde eine große und aussichtsreiche Zukunft bescheinigt. Nur hat sich dies für die meisten Anleger nicht ausgezahlt, da sie nahe den Höchstkursen eingestiegen sind. Der iShares Global Clean Energy-ETF hat in diesem Jahr ein Minus von 28,7 Prozent und auf 3 Jahre ein Minus von 24,2 Prozent erwirtschaftet. Die Alternative ist nicht, sich für einen riskanten und volatilen Investmentfonds oder einen entsprechenden ETF zu entscheiden, sondern vielmehr darum, möglichst einfache und stabilere Fonds auszuwählen, die auch die Krisen möglichst gut meistern können. Genau das ist unsere Aufgabe als Vermögensverwalter und deshalb raten wir Anlegern dazu, in Krisenzeiten möglichst die Ruhe zu bewahren und langfristig in einem gemischten Portfolio zu investieren. "Kaufen Sie billig, verkaufen Sie nie!" sagt der Börsenaltmeister Warren Buffett.
von Wolfgang Juds, Geschäftsführer der Credo Vermögensmanagement GmbH in Nürnberg
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