Kampf gegen Inflation: EZB stockt Leitzins erneut auf - Weitere Zinsanhebungen dürften Folgen
Nach der letzten Anhebung im März haben die Währungshüter in der Eurozone erneut eine Zinserhöhung vorgenommen.
Die Euro-Währungshüter drosseln bei ihrer siebten Zinserhöhung in Folge etwas das Tempo. Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) beschloss am Donnerstag eine Anhebung der Leitzinsen im Euroraum um 0,25 Prozentpunkte. Zuvor hatte es drei Anhebungen um 0,50 Punkte gegeben.
Der Leitzins, zu dem sich Geschäftsbanken frisches Geld bei der EZB besorgen können, steigt nun auf 3,75 Prozent. Parken Banken Geld bei der EZB, erhalten sie dafür künftig 3,25 Prozent Zinsen, wie die Notenbank in Frankfurt mitteilte. Der Spitzenrefinanzierungssatz beläuft sich nach einer Steigerung um ebenfalls 25 Basispunkte nun auf 4,0 Prozent.
Mit den im vergangenen Juli begonnenen Zinserhöhungen versuchen die Währungshüter, die hohe Inflation einzudämmen. Höhere Zinsen verteuern Kredite. Das kann die Nachfrage bremsen und hohen Teuerungsraten entgegenwirken. Die EZB strebt mittelfristig für den Euroraum Preisstabilität bei einer Teuerungsrate von zwei Prozent an.
"Die Inflation liegt seit Mitte 2021 über unserem Ziel, ist also seit fast zwei Jahren zu hoch", hatte EZB-Chefvolkswirt Philip R. Lane kürzlich in einem Interview gesagt und eine weitere Zinserhöhung für die Mai-Sitzung in Aussicht gestellt. "Dies ist immer noch nicht der richtige Zeitpunkt, um aufzuhören."
Im April hat sich die Inflation im Euroraum wieder etwas verstärkt. Im Währungsraum der 20 Staaten lagen die Verbraucherpreise einer ersten Schätzung des Statistikamtes Eurostat zufolge um 7,0 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Im März war die jährliche Teuerungsrate im Euroraum noch deutlich von 8,5 Prozent auf 6,9 Prozent gesunken.
"Je länger die Inflation zu hoch bleibt, desto größer ist das Risiko, dass sich die Wahrnehmung der Menschen ändert, dass sie das Vertrauen in unsere Fähigkeit verlieren, zu unserem Zwei-Prozent-Ziel zurückzukehren", hatte EZB-Chefvolkswirt Lane gewarnt.
Höhere Teuerungsraten lassen die Kaufkraft schwinden: Verbraucherinnen und Verbraucher können sich für einen Euro weniger leisten. Das belastet das Wirtschaftswachstum, für das der private Konsum eine wichtige Stütze ist. Auf der anderen Seite verteuern steigende Zinsen Kredite für Unternehmen, weshalb die eine oder andere Investition ausfallen könnte. Auch das bremst die Konjunktur.
Zugleich will die Notenbank von Juli an die Gelder aus auslaufenden Wertpapieren des allgemeinen Kaufprogramms APP nicht mehr in den Erwerb neuer Anleihen stecken. Den Kauf frischer Wertpapiere im Rahmen des Programms hatte die EZB bereits zum 1. Juli 2022 eingestellt.
Die rasante Zinswende, die die Zentralbanken in den USA und Großbritannien nach Jahren des extrem billigen Geldes noch vor der EZB einleiteten, ist auch für Banken nicht nur positiv. Das zeigte sich zuletzt in den USA, wo bereits drei Institute nach enormen Mittelabzügen aufgrund von Liquiditätssorgen kollabierten.
EZB-Präsidentin Lagarde: 'Wir pausieren nicht'
Auf die jüngste Zinsanhebung der Europäischen Zentralbank (EZB) dürften weitere Folgen. "Wir pausieren nicht, das ist ganz klar", sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Donnerstag nach der Zinssitzung der Notenbank in Frankfurt. Der EZB-Rat sei sich darüber bewusst, dass noch ein Stück Weg zurückzulegen sei. Die EZB habe "Boden gutzumachen".
Lagarde: Signifikante Aufwärtsrisiken für Inflationsausblick
Die Europäische Zentralbank (EZB) sieht nach den Worten von EZB-Präsidentin Christine Lagarde "signifikante Aufwärtsrisiken" für den Inflationsausblick. In ihren einleitenden Bemerkungen zur Pressekonferenz nach der jüngsten EZB-Ratssitzung nannte Lagarde unter anderem einen unerwartet starken Anstieg von Löhnen und Unternehmensgewinnen.
Lagarde: Alle EZB-Ratsmitglieder waren für eine Zinserhöhung
Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) war bei seinen Beratungen nach Aussage von EZB-Präsidentin Christine Lagarde einig in der Einschätzung, dass die Zinsen weiter angehoben werden müssen. "Niemand wollte eine Zinspause", sagte Lagarde in der Pressekonferenz nach der jüngsten EZB-Ratssitzung. Zugleich räumte sie ein, dass die geldpolitischen Beschlüsse nicht einstimmig, sondern "nahezu einstimmig" gefallen seien. Einige Mitglieder seien für 50 Basispunkte gewesen.
Lagarde: Ultimatives Ziel ist aus heutiger Sicht APP-Bestand von Null
Die Europäische Zentralbank (EZB) betrachtet nach den Worten ihrer Präsidentin Christine Lagarde einen vollständigen Abbau der unter dem APP-Programm erworbenen Anleihen als ihr "ultimatives Ziel" - allerdings nur "aus heutiger Sicht", wie sie in ihrer Pressekonferenz nach der jüngsten EZB-Ratssitzung sagte. Die EZB prüft gerade, mit welchem Regime sie die Zinsen künftig steuern will, und sie will Ergebnisse dieser Prüfung bis Jahresende vorlegen. Eine Möglichkeit besteht darin, weiterhin ein gewisses Anleiheportfolio zu halten und nicht zu einem Regime knapper Liquidität zurückzukehren, wie es vor den groß angelegten Anleihekäufen herrschte.
Lagarde sagte, ohne weitere Wiederanlage der Tilgungsbeträge fällig gewordener Anleihen würden die APP-Bestände monatlich um 25 Milliarden Euro sinken. Auf diese Weise würde es zwölf bis 15 Jahre dauern, die Bestände vollständig abzubauen.
Lagarde: Banken sind gut auf Auslaufen von TLTROs vorbereitet
Die Europäische Zentralbank (EZB) hält nach Aussage ihrer Präsidentin Christine Lagarde eine zusätzliche Liquiditätsunterstützung von Banken trotz des bevorstehenden Auslaufens eines langfristigen TLTRO-Geschäfts über 477 Milliarden Euro für unnötig. "Das ist keine Überraschung, die Banken sind gut auf das Auslaufen der TLTROs vorbereitet", sagte Lagarde in der Pressekonferenz nach der jüngsten EZB-Ratssitzung.
Lagarde sagte, es würde sie nicht überraschen, wenn sich Institute, die das nötig hätten, Liquidität verstärkt über die anderen Fazilitäten der EZB besorgten. Falls es dennoch Probleme geben sollte, könnte die EZB aber "erfinderisch" sein. Der oben genannte Tender wird am 28. Juni fällig.
Fed erhöht Leitzins am Vorabend
Die Federal Reserve hob ihren Leitzins zur Bekämpfung der hohen Verbraucherpreise am Mittwoch um 0,25 Prozentpunkte an - es war die zehnte Erhöhung in Folge. Auf eine Zinspause bei den kommenden Sitzungen wollte sich die Notenbank der größten Volkswirtschaft der Welt nicht festlegen.
"Unsere Geldpolitik hängt von den kommenden Entwicklungen ab", sagte Fed-Chef Jerome Powell. Er stellte klar: "Wir sind bereit, noch mehr zu tun, falls eine geldpolitische Straffung geboten sein sollte." Deutlicher wurde er bei der Frage, ob absehbar Zinssenkungen möglich seien. Das sei aktuell keine Option, betonte Powell. "Dies könnte jetzt die letzte Zinserhöhung im aktuellen Zyklus gewesen sein", schrieb Friedrich Heinemann, Ökonom beim Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung. Zwar sei die Fed wie die EZB mit einer hartnäckig hohen Kerninflation konfrontiert. Allerdings helfe der Fed derzeit unter anderem die Bankenkrise.
Redaktion finanzen.net / dpa-AFX / Dow Jones
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