Jim Cramer zur Inflation: Das muss passieren, damit die Fed bei den Zinserhöhungen auf die Bremse tritt
Die US-Notenbank Fed kämpft mit aggressiven Zinsschritten gegen die hohe Inflation und sorgt dadurch für kräftige Abgaben am Aktienmarkt. Laut Börsenexperte Jim Cramer werden sich die Aktienanleger auch weiterhin auf "Schmerzen" einstellen müssen, denn diese dürften erst vorübergehen, wenn die Währungshüter drei bestimmte Entwicklungen sehen können.
• Fed kämpft mit aggressiven Zinsschritten gegen die Inflation
• Jim Cramer: Inflation muss in drei wichtigen Bereichen zurückkommen, bevor die Fed stoppt
• Fed riskiert womöglich ein Übersteuern
Im September hat die US-Notenbank Fed den Leitzins im Kampf gegen die hohe Inflation zum dritten Mal in Folge um 0,75 Prozentpunkte angehoben und weitere große Zinsschritte in Aussicht gestellt. Am US-Aktienmarkt sorgte die restriktivere Geldpolitik in den vergangenen Monaten bereits für fallende Kurse: Der Dow Jones verlor seit Jahresbeginn rund 18 Prozent, beim S&P 500 ging es um knapp 21 Prozent abwärts und der NASDAQ Composite brach gar um rund 30 Prozent ein (Stand: Schlusskurse vom 6. Oktober 2022). Laut Börsenexperte Jim Cramer müssen sich Anleger am Aktienmarkt jedoch noch auf weitere Schmerzen einstellen. Denn die Inflation müsse zunächst in drei wichtigen Bereichen zurückkommen, bevor die US-Zentralbank mit den aggressiven Zinserhöhungen aufhöre.
Cramer: Fed muss "Hattrick" schaffen
In seiner Sendung "Mad Money" auf "CNBC" sprach Jim Cramer Ende September von einer "Dreierwette", die sich zunächst erfüllen müsse, bevor die US-Notenbanker ihren Kurs ändern würden. "Sie kämpfen an so vielen Stellen gegen die Inflation. Unglücklicherweise gewinnen sie nicht bei Nahrungsmitteln, sie gewinnen nicht beim Wohnen und sie gewinnen nicht bei den Löhnen, und sie müssen diesen Hattrick schaffen, bevor das enden wird", so Cramer. Bis jedoch die Nahrungsmittelpreise, der Immobilienmarkt und die Löhne sinken werden, werde dieser Markt weiter seine Opfer fordern und Anlegern Schmerzen bereiten, gab sich der Moderator sicher. Denn der aktuelle Bärenmarkt hänge von der Fed ab und die Falken in der Fed müssten zufriedengestellt werden, bevor dieser enden könne. Sein einziger Trost für Aktionäre: Der Bärenmarkt werde wohl eher kurz ausfallen, da die Fed ihr Ziel schnell erreichen wolle.
Arbeitsmarkt bereitet Fed Kopfzerbrechen
Auf dem Weg zu diesem Ziel scheint es jedoch allmählich zumindest kleine Fortschritte zu geben. Erwies sich etwa der Arbeitsmarkt in den letzten Wochen noch als recht robust, zeigten die am 4. Oktober veröffentlichten Daten zur Anzahl der offenen Stellen im August einen Einbruch um mehr als 1,1 Millionen. Das ist der größte Rückgang seit April 2020 und könnte laut Cramer ein Signal dafür sein, dass sich die Wirtschaft allmählich abkühlt und die Fed eine etwas weichere Vorgehensweise wählen könnte.
Die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe, die als unmittelbarster Maßstab für den Arbeitsmarkt gelten, zeigten bislang jedoch kaum Schwäche. Ende September sank ihre Zahl zum ersten Mal seit Anfang Juni wieder unter 200.000. Das bedeutet, dass entlassene Menschen momentan schnell wieder einen neuen Job finden. Laut dem Internetportal "WOLF STREET" war dies in früheren Rezessionen anders, da damals zahlreiche Firmen Stellen gestrichen haben, es massive Entlassungswellen von bis zu 20.000 Angestellten einer Firma auf einmal gab und keine neuen Mitarbeiter eingestellt wurden. Das Problem sei aktuell jedoch, dass eine sehr starke Nachfrage nach Arbeitskräften auf ein sehr knappes Angebot treffe. "Das Ergebnis sind steigende Löhne - und gemessen an gerechten Lohnerhöhungen ist dies der beste Arbeitsmarkt für Arbeitnehmer seit Jahrzehnten. Das Problem ist, dass die Inflation glühend heiß ist und sogar diese Lohnerhöhungen übertrifft, und diese Lohnerhöhungen liefern weiteren Treibstoff für die Inflation - und los geht's: die Lohn-Preis-Spirale", schreibt das Internetportal weiter.
Unter anderem gegen diese Entwicklung versucht die Fed anzukämpfen - und will in diesem Zuge laut Jim Cramer auch Pleiten sehen. Die Fed werde erst umdenken, wenn mehr "High-Profiler" ihre Arbeit verlieren würden und auch starke Firmen, die einfach nicht genug Geschäft haben, massenhaft Leute feuern müssten, so der Marktexperte bei "CNBC". Laut "Fortune" prognostizierten mehrere Fed-Gouverneure dass sich die aktuelle Arbeitslosenquote im Kampf gegen die Eindämmung des Lohninflationsdrucks fast verdoppeln müsse, um die Nachfrage nach Arbeitskräften wieder mit dem Angebot in Einklang zu bringen.
Fed nutzt rückwärtsgerichtete Indikatoren - und riskiert womöglich ein "Übersteuern"
Wie Jeffrey Sonnenfeld, Professor an der Yale School of Management, und Steven Tian, Forschungsdirektor am Yale Chief Executive Leadership Institute, bei "Fortune" anmerkten, könnte es jedoch ein prinzipielles Problem mit den Indikatoren geben, die die Fed benutzt, um diese Entwicklungen zu überwachen und geldpolitische Entscheidungen zu treffen. So habe es zum einen nach Erkenntnis verschiedener Ökonomen seit mindestens 30 Jahren keine inverse Beziehung zwischen der Arbeitslosigkeit und der Inflation gegeben. Eine höhere Arbeitslosigkeit würde somit nicht zwingend zu einer tieferen Inflation führen. Zum anderen benutze die US-Notenbank überwiegend rückwärtsgerichtete Indikatoren und verpasse dadurch - teils monatelang - wichtige Entwicklungen, die in Frühindikatoren bereits zu sehen seien. Beispielsweise kühle sich laut Sonnenfeld und Tian etwa der Immobilienmarkt, einer der drei von Cramer identifizierten Schlüsselbereiche, bereits merklich ab. So seien die Zinssätze für Immobilienkredite seit Jahresbeginn deutlich gestiegen und vorwärtsgerichtete Indikatoren zeigten einen klaren Rückgang der Nachfrage nach Immobilien. Das sei allerdings in den nachlaufenden Indikatoren, die die Fed benutze, nicht zu sehen.
Auch im Bereich der Nahrungsmittel hätten sich anfängliche Dürren und Versorgungsängste zerschlagen und Rekordernten Platz gemacht, so Sonnenfeld und Tian weiter. Die weltweiten Getreidevorräte hätten dadurch im Jahresvergleich zugelegt, was zu schnellen Preisnachlässen im gesamten landwirtschaftlichen Komplex von Getreide über Geflügel bis hin zu Rindfleisch geführt habe.
Aufgrund der Frühindikatoren aus den Bereichen Wohnen, Arbeit und Lebensmittel, die bereits eine Beruhigung der Inflation anzeigen, bestehe die Gefahr, dass die Fed möglicherweise "übersteuern und auf der Autobahn ins Schleudern geraten" könne, wenn sie weiter "in 'restriktives' Territorium vordringt", so die beiden Experten bei "Fortune". Womöglich hat die Fed also ihre Dreierwette schon längst gewonnen - und es nur nicht gemerkt.
Redaktion finanzen.net
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