Nicht im Interesse der Privatanleger
Der gerade aufblühenden Wertpapierkultur in Deutschland droht ein weiteres anlegerfeindliches Szenario. Das bereits verabschiedete Jahressteuergesetz hat bereits für Ungemach gesorgt; jetzt könnte aber das neue Auslegungsschreiben für zusätzlichen Ärger bei Privatanlegern sorgen.
Am Ende ist vieles nur eine Auslegungsfrage; nicht jedoch, wenn es um die Steuer geht. Während unter Experten vielfach die politische Regulierung als unnötige Gängelung mündiger Anleger verstanden wird, so tragen steuerliche Regelungen viel entscheidender zur Beeinträchtigung der Wertpapierkultur bei. Egal, ob Abgeltungssteuer, Ertragssteuer oder wie jetzt die Verlustverrechnung; Gleichbehandlung und Förderung von Anlagealternativen im Nullzinsumfeld sieht anders aus.
Die Bundesbürger sollen stärker am Vermögenszuwachs, der an den Wertpapiermärkten entsteht, teilhaben können. Viele politische und privatwirtschaftliche Initiativen zielen darauf ab, aus Sparern Wertpapieranleger zu machen. Das zeigt mittlerweile Wirkung. Zahlreiche Anleger sind nun nach dem aktuell geltenden Steuergesetz durch eine Unwucht in der steuerlichen Veranlagung derzeit ohnehin betroffen. Denn sie können Verluste in bestimmten Fällen nur bis zu einem Betrag von 20.000 Euro pro Jahr steuerlich geltend machen. Gewinne hingegen sind voll zu versteuern.
Als würde das nicht schon reichen, besteht nun berechtigte Sorge, dass diese Unwucht im Jahressteuergesetz im Nachgang durch das in Kürze veröffentlichte Schreiben des Bundesfinanzministeriums noch weiter verschärft wird. Konkret gibt es Überlegungen, in diesem Schreiben die steuerrechtliche Definition von Termingeschäften auf Hebelprodukte wie Optionsscheine und Knock-Out-Produkte auszudehnen. Für Hunderttausende von Anlegern wäre die überraschende Klassifikation der Optionsscheine als Termingeschäfte ein Schlag vor den Kopf und mit erheblichen finanziellen Lasten verbunden. Mit der Herausnahme der Optionsscheine aus dem Begriff der "Termingeschäfte" im Entwurf des Schreibens des Bundesfinanzministeriums vom Juni 2020 wird eine klare Abgrenzung erzielt und vermieden, dass Anleger in ihren Absicherungsmöglichkeiten beeinträchtigt werden. Ferner wird verhindert, dass eine große Anzahl von Anlegern in die steuerliche Veranlagung gehen muss. Denn bei Termingeschäften ist dies unabhängig von der Verrechnungsgrenze bei jeder Veräußerung mit Verlust der Fall.
Hierbei handelt es sich mitnichten um ein Luxusproblem einiger weniger Wohlhabender, sondern um mehr als 400.000 Anleger bisher und ein Volumen von rund 5 Mrd. Euro. Die daraus resultierende Forderung ist klar: Hebelprodukte wie Optionsscheine und Knock-Out-Produkte müssen daher auch steuerlich wie Kassageschäfte und nicht wie Termingeschäfte behandelt werden. Gewinne und Verluste aus diesen Finanzinstrumenten müssen mit denen anderer ohne Begrenzung verrechnet werden können.
Ja, es ist eine Frage der Auslegung; zweifellos eine ebenso komplexe wie elementare Frage, an der jedoch die weitere Entwicklung der gesamten Wertpapierkultur hängt, für die wir einstehen.
Der DDV ist die Branchenvertretung der führenden Emittenten derivativer Wertpapiere. Er fördert den Derivatemarkt und somit die Akzeptanz von Zertifikaten, Aktienanleihen und Optionsscheinen. Zu den Zielen zählen Anlegerschutz, Verbesserung der Verständlichkeit und Transparenz. Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.