Benjamin Feingold-Kolumne

Aktien sind nicht mehr alternativlos

22.03.23 15:29 Uhr

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Aktien sind nicht mehr alternativlos | finanzen.net

Die Realzinsen in den USA erreichen zur Freude der Anleihenfans ein 15-Jahres-Hoch. Sie haben in einem solchen Umfeld immer gut verdient - wiederholt sich dies und wie schneiden Aktien ab, wenn die Zinsen steigen?

TINA hat an der Börse ausgedient. "There is no alternative" war lange Zeit das zentrale Argument der Bullen am Aktienmarkt. Dividendenwerte galten als alternativlos, weil mit dem Sparbuch, Festgeld oder Anleihen keine nennenswerten Zinsen zu verdienen waren oder sogar Strafzinsen aufgerufen wurden. Inzwischen hat sich das Bild geändert: Broker und Banken zahlen sogar wieder Zinsen an Anleger. "Stocks are very expensive" könnte das neue Credo lauten - SAVE passenderweise als Kürzel.

Todeszone für US-Aktien

"Schaut man sich in den USA die Möglichkeiten für Kapitalanleger an, so befinden sich Aktien gegenüber Anleihen sogar in einer Art Todeszone", erklärt Jürgen Molnar vom Broker RoboMarkets. Dort setzen Anleger zuletzt wie auch beispielsweise beim Smartbroker verstärkt auf fallende Aktienkurse. Die Umstände in den USA sprechen zumindest im Blick auf die Vergangenheit nicht für bullische Anleger. "Denn die Risikoprämie für Aktien im Vergleich zu Anleihen war ewig nicht so unattraktiv wie gegenwärtig", ergänzt Molnar. Besonders verlockend waren Aktien im Gegensatz zu Anleihen im Frühjahr 2020 oder im Frühjahr 2009 aber keinesfalls im Frühjahr 2023. Soweit die Theorie. Es gibt aber immerhin noch die Betrachtung der Realzinsen.

Was übrig bleibt

"Die die Zinshöhe allein ist nicht entscheidend, sondern die Realzinsen", erklärt Dennis Austinat, Deutschland-Chef von Trive, der internationalen Multi-Asset-Plattform. "Das ist der Betrag, um den die Zinsen die erwartete Inflation übersteigt, also das Geld, was bei den Menschen verbleibt", ergänzt Austinat. Dieser Betrag wird ermittelt, in dem man die 10-Jahresrenditen mit der 10jährigen erwarteten Inflationsrate vergleicht. Sie lässt sich aus der Differenz zwischen der Nominalrendite der 10jährigen Staatsanleihen und der Rendite der 10jährigen inflationsgeschützten Anleihe errechnen und beträgt derzeit rund 2 Prozent.

Attraktive Realzinsen

Die so ermittelten realen Zinsen waren in den letzten Jahren größtenteils negativ, der Zins lag also unterhalb der erwarteten Inflation. Aber die 10jährigen Realzinsen drehten vor wenigen Monaten ins Positive und haben aktuell ein historisch hohes Niveau erreicht, was gleichzeitig über dem 20-Jahresdurchschnitt liegt.

Zinsen problematisch für Aktien

Hohe Realzinsen sind auch deshalb interessant, weil Anleger neben dem attraktiven Zins auch von Kursgewinnen in der Anleihe profitieren können - wie die jüngste Gegenbewegung gezeigt hat. Sollte die Inflationserwartung doch wieder von ihrem hohen Niveau aus sinken, ziehen meist die Zinsen nach und fallen ebenfalls, was gleichzeitig steigende Anleihekurse, also Kursgewinne bedeutet. "Anleihen haben daher bei Investoren in den vergangenen Wochen einen starken Zuspruch erfahren", erläutert Ricardo Evangelista, Senior Analyst bei ActivTrades. Aktien-ETFs seien dagegen von Anlegern zuletzt gemieden worden.

Anleihen bleiben stark

Obwohl die 10jährige Realrendite in den vergangenen Monaten kräftig gestiegen ist, liegt sie im historischen Vergleich noch auf einem moderaten Niveau. Das bietet weitere Chancen, weshalb Anleihen ihre wieder gewonnene Attraktivität behalten dürften.

Und wie haben sich Aktien in einem solchen Umfeld geschlagen? Hohe Realzinsen haben Aktien in der Vergangenheit nicht langfristig geschadet, sie sind aber nicht mehr alternativlos und dürften daher relativ an Zuspruch verlieren. Schlecht sind vor allem überhitzte Phasen am Markt. Historisch gesehen haben hohe Realrenditen wenig Einfluss auf den Aktienmarkt gehabt, es kam sehr viel stärker auf die Entwicklung des einzelnen Unternehmens an.

2023 könnte also weiterhin ein gutes Jahr für Stock-Picking werden - auf die Auswahl kommt es an. Bei Feingold Research setzen wir erfolgreich auf starke Unternehmen in unserem Markenwertportfolio. Anfang des Jahres konnten wir hohe Renditen mit Microsoft, Salesforce und Disney einfahren. Diese Strategie wird uns 2023 begleiten. Für den Gesamtmarkt dagegen könnte es zumindest volatil bleiben - Stockpicking ist angesagt.

150 Jahre Börsenerfahrung kombiniert technische Analyse, Trading, Börsenpsychologie und konkrete Investments. Benjamin Feingold ist Mit-Gründer von Feingold Research. Unseren Börsendienst finden Sie unter feingoldresearch.de!

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