Benjamin Feingold-Kolumne

Aktien - Ende oder Anfang der Party?

09.05.22 08:28 Uhr

Werbemitteilung unseres Partners
finanzen.net GmbH ist für die Inhalte dieses Artikels nicht verantwortlich


Aktien - Ende oder Anfang der Party? | finanzen.net

Die Zinsen steigen, die Inflation bleibt und Rohstoffe sind unsagbar teuer. Das war es mit dem Spaß am Aktienmarkt. Oder?

Wenn Analysten den Pessimismus am deutschen Aktienmarkt zusammenfassen sollen, dann klingt das dieser Tage meistens so wie bei Jürgen Molnar, dem Kapitalmarktstrategen des Brokers RoboMarkets. "Ukraine-Krise, strenge US-Notenbanker, mahnende EZB-Stimmen sowie Inflation und China-Sorgen sind ein toxischer Mix für die internationalen Börsen", so der Experte. Rückenwind bekommen alle Pessimisten gegenwärtig natürlich von den obligatorischen Schwarzsehern wie Albert Edwards von der Société Générale oder Robert Shiller in den USA.

Zum einen werden diese sogenannten Experten aber immer dann ausgegraben, wenn die Stimmung schlecht ist, zum anderen sagen sie mit schöner Prognosesicherheit alle sechs bis 12 Monate einen Crash voraus. Das alte Motto, dass auch eine kaputte Uhr zweimal am Tag richtig geht, kennen die meisten. Doch zugegeben, es gibt natürlich Argumente für Sorgen bei der Aktienanlage. Die Gewinnschätzungen für 2022 und 2023 könnten vor allem in den USA noch zu hoch sein. Die Zinsen klettern, zehnjährige US-Bonds erreichten jüngst knapp 3 Prozent, knabbern am 40-jährigen Abwärtstrend.

Die Risiken bleiben

"Das Umfeld für Aktien ist sicherlich das herausforderndste seit langem", räumt auch Stefan Riße vom Fondshaus Acatis ein. Der Ukraine-Krieg ist womöglich sogar eingepreist, doch mit der unsinnigen Corona-Politik und immer weiter laufenden Lockdowns in China hatten die wenigsten gerechnet. Dabei fielen die Maßnahmen schon in Deutschland vielfach sehr zweifelhaft aus, warum sollten sie dann gerade im totalitären China vernünftig enden? Die dortige Politik jedenfalls verschärft weiter Rohstoff- und Lieferkettenprobleme, was viele Firmen am Funktionieren hindert.

Final bringen Lockdowns eine konjunkturelle Abkühlung. Dazu kommt laut Riße "eine Geldpolitik, die nicht mehr von ruhiger Hand gestrafft wird, sondern unter dem Druck enormer Inflationsanstiege steht. Die Gewinnerwartungen der internationalen Fondsmanager sind deswegen so schlecht wie seit Jahren nicht."

Ergo sollte man alle Aktien über Bord werfen? Genau das Gegenteil ist der Fall. Aktienmärkte sind genau dann besonders unangenehm, wenn keine Risiken eingepreist werden. Denn Risiken sind per Definition immer da. Es ist nur fraglich, ob man sie sehen will. Im Dezember 2021 wollte sie niemand sehen, der DAX resultierte dann auf einem Level von 16.200.

Die Augen nicht verschließen

Im April 2022 bei 13.800 Punkten wollen viele Anleger Risiken sehen. Da Aktien genau diese Klasse sind, nämlich risikobehaftete Anlagen, werden sie ihrem Ruf gerechnet und schwanken. Aber endlich gibt es für Risiken auch Chancen. Sei es in der Hoffnung auf attraktive langjährige Durchschnittsrenditen von sieben Prozent oder auf attraktive Dividenden. Wer Geld verdienen will, kauft besser jetzt als vor fünf Monaten. Klingt komisch, ist langfristig unter den Chance-Risikoaspekten aber eine einfache Rechnung, wenn der Blick nicht verschlossen wird.

Benjamin Feingold ist seit mehr als 20 Jahren Börsianer und langjähriger Redakteur bei Börse Online sowie bei der Financial Times Deutschland gewesen. Zusammen mit Daniel Saurenz gründete er 2013 das Investmentportal Feingold Research, das täglich Analysen und Investmentideen zur Börsenentwicklung veröffentlicht.

Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.