Staatskrise in Venezuela: Was Anleger nun wissen müssen
Die politischen und wirtschaftlichen Spannungen im krisengeschüttelten Venezuela nehmen kein Ende. Der erbitterte Machtkampf zwischen dem umstrittenen Staatschef Maduro und dem Oppositionsführer Guaidó könnte nun sogar zu einem Bürgerkrieg führen.
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Venezuela, das Land mit den größten Ölreserven der Welt, leidet zwar schon seit Jahren unter Misswirtschaft, Korruption, Inflation und Arbeitslosigkeit, doch nun droht die Lage völlig zu eskalieren. Nach Einschätzungen der Experten, sei auch ein Bürgerkrieg nicht mehr auszuschließen.
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Wie konnte es soweit kommen?
Am 10. Januar 2019 wurde der bisherige Staatspräsident Venezuelas, Nicolás Maduro, für seine zweite Amtszeit vereidigt. Die vorgezogene Neuwahl, welche Maduro am 20. Mai 2018 in seinem Amt bestätigte, wird jedoch von vielen westlichen Staaten, unter anderem der Europäischen Union und den USA, nicht anerkannt. Westliche Experten beklagen, dass die Wiederwahl des 63. Staatspräsidenten nicht rechtmäßig verlaufen sei. Neben einem Oppositionsboykott steht nun auch die Behauptung der Wahlfälschung im Raum.
Trump steht hinter Guaidó
Aufgrund dieser Unregelmäßigkeiten erklärte die bis dato schon entmachtete venezolanische Nationalversammlung die Wiederwahl von Maduro für unrechtmäßig und nichtig. Infolgedessen ernannte sich am 23. Januar 2019 Juan Guaidó zum sogenannten Interimspräsident. Obwohl auch Guaidó nicht offiziell in sein Amt gewählt wurde, erkannte ihn US-Präsident Donald Trump noch am Tag seiner Ernennung als rechtmäßigen Übergangspräsidenten des Landes an. Nun schlossen sich dem auch zahlreiche EU-Staaten, wie Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Spanien, Österreich, die Niederlande, Schweden und Dänemark, an.
The citizens of Venezuela have suffered for too long at the hands of the illegitimate Maduro regime. Today, I have officially recognized the President of the Venezuelan National Assembly, Juan Guaido, as the Interim President of Venezuela. https://t.co/WItWPiG9jK
- Donald J. Trump (@realDonaldTrump) 23. Januar 2019
Zwietracht in der Bevölkerung
Die gegenwärtige Situation in Venezuela könnte nicht schlimmer sein. Das Land hat nun einen im Ausland legitimierten Übergangspräsident, welcher jedoch über keinerlei Kontrolle und staatliche Macht verfügt und einen Präsident, der zwar nur noch von China und Russland anerkannt wird, jedoch das venezolanische Militär hinter sich vereint.
Ein Bürgerkrieg ist nicht ausgeschlossen
Begründet durch den Rückhalt, den Nicolás Maduro bei seinen Militärs genießt, schließen Experten nun auch nicht mehr aus, dass der Machtkampf der beiden Kontrahenten in einer militärischen Auseinandersetzung oder gar im Bürgerkrieg enden könnte. Unlängst sagte Maduro in einem Interview mit dem spanischen Fernsehen, dass sein Volk dabei sei, sich zu bewaffnen. Demnach sollen 50.000 Volkseinheiten gebildet werden, welche das Land verteidigen. Dabei soll es sich um Zivilbürger, die ein militärisches Training sowie Waffen von der Armee erhalten haben, handeln.
Keine Zeit für Dialog
Öl ins Feuer goss unterdessen auch der US-Vizepräsident. In einer Rede vor mehreren hunderten Exil-Venezolanern in Florida rief Mike Pence offiziell dazu auf, Maduro zu stürzen. "Die Zeit ist gekommen, die Maduro-Diktatur ein für alle Mal zu beenden", so Pence in Florida. "Dies ist keine Zeit für Dialog. Es ist Zeit zu Handeln", so der US-Vize weiter. Derartige Drohungen seitens der Trump-Administration verkomplizieren die Lage in Venezuela weiter und lassen nun auch eine US-Militärintervention nicht mehr undenkbar erscheinen.
Ein Militäreinsatz "ist eine Option"
Neben Mike Pence sagte nun auch Donald Trump in einem Interview gegenüber CBS in Bezug auf einen US-amerikanischen Militäreinsatz: "Sicher, das kann geschehen, es ist eine Option."
Economist-Experte hält eine US-Militäroperation für unwahrscheinlich
"Das Glückspiel ist mutig, denn die USA haben ihre stärkste Karte gespielt und haben jetzt scheinbar keine militärische Option in Venezuela", so Fernando Freijedo von der Economist Intelligence Unit (EIU) aus Lateinamerika gegenüber CNBC. "Wir hatten erwartet, dass die USA als Form des Druckaufbaus weitere Sanktionen gegen das Regime verhängen wird", so Freijedo weiter. "Der Einsatz von militärischer Gewalt erscheint jedoch weiterhin unwahrscheinlich", so Freijedo in Bezug auf die Drohungen aus den USA.
Die kommenden Tage sind entscheidend
"Die nächsten Tage sind entscheidend für den Versuch, das Militär dazu zu bringen, sich von Herrn Maduro zu trennen. Die Opposition, die USA (und die internationale Gemeinschaft) haben im vergangenen Monat mehr getan als sie dies seit Jahren getan haben", so Fernando Freijedo.
Ein unkalkulierbares Konfrontationsrisiko
Dass sich Maduro durch die Drohungen aus den Vereinigten Staaten tatsächlich verunsichern lässt, ist nicht sehr wahrscheinlich. Denn solange er auf die Unterstützung seines Militärs bauen kann, wird der "wiedergewählte" Staatspräsident seine Macht verteidigen. "Autokratische Regimes mit militärischer Unterstützung können dem internationalen Druck manchmal lange standhalten. Und während Guaidó eine Welle reitet, muss er auf Unterstützung aus dem In- und Ausland bauen", so Tom Long, ein Politikexperte der Universität von Warwick. "Natürlich ist nicht klar, wohin das führt, aber die Konfrontationsrisiken sind so hoch wie nie zuvor", so Long weiter.
Misswirtschaft durch den staatlichen Ölkonzern PDVSA
Den Vereinigten Staaten ist die sozialistische Regierung Caracas' schon seit Jahren ein Dorn im Auge. Denn durch staatliche Reglementierungen und hohe Steuern ist es für US-amerikanische Öl-Konzerne fast unmöglich geworden, am venezolanischen Erdölschatz zu partizipieren. Rohöl-Exporte aus Venezuela werden fast ausschließlich vom staatlichen Ölkonzern PDVSA gesteuert. Dieser nun mit Sanktionen belegte Konzern arbeitet jedoch derart unwirtschaftlich, dass das Land mit den größten nachgewiesenen Erdölreserven der Erde nun im Chaos versinkt.
"Der Ölsektor liegt am Boden"
In den 1990er Jahren produzierte Venezuela täglich mehr als drei Millionen Barrel Öl, nun sind es kaum noch mehr als 1,4 Millionen Barrel. Experten machen dafür die Korruption und Misswirtschaft des staatlichen Ölkonzerns PDVSA verantwortlich. Jahrelang bereicherten sich nur staatliche Funktionäre und ranghohe Generäle an den Erdöleinnahmen, in neue Förderanlagen wurde jedoch kaum investiert. "Der Ölsektor liegt am Boden", so Tamas Varga vom britischen Analystenhaus PVM.
Erdölpreise dürften weiter steigen
Die Vereinigten Staaten und die westliche Koalition werden nun alles daran setzten, die Krise in Venezuela beizulegen, um das Land wieder aufzubauen, aber auch um die enormen Ölreserven anzuzapfen. Ob dies in Form einer Regierung unter dem jetzigen Oppositionsführer Guaidó oder einem anderen, dem Westen wohlgesonnenen, Präsidenten geschieht, ist dabei sekundär. Solange sich die Krise in Venezuela jedoch nicht entspannt hat, müssen Investoren mit steigenden Ölpreisen rechnen.
Pierre Bonnet / Redaktion finanzen.net
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