Rohöl: Die Pumpen stehen bereit
Vor allem Russland und Saudi-Arabien haben ihre Produktion gedrosselt. Weil die USA darauf dringen, könnten sie aber bald wieder mehr Öl fördern. Der Preis dürfte sinken.
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von Oliver Ristau, Euro am Sonntag
Wieder einmal war es Donald Trump, der für Aufregung sorgte. Diesmal bei der OPEC in Wien. Kaum hatte sich der Ölpreis Ende April das erste Mal seit dreieinhalb Jahren wieder der Marke von 75 Dollar je Barrel (Fass à 159 Liter) für die Nordseesorte Brent genähert, teilte der US-Präsident gegen das Kartell Erdöl exportierender Staaten aus. Die OPEC verknappe die Versorgung künstlich, ließ er über seinen Twitter-Account verlauten. Es gebe keine Knappheit, und schuld am Preisauftrieb sei das Kartell. "Das ist nicht akzeptabel", mokierte er sich.
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Plus500: Beachten Sie bitte die Hinweise5 zu dieser Werbung.Zunächst reagierte OPEC-Generalsekretär Mohammed Barkindo verschnupft. Die OPEC halte sich nur an die den USA bekannte Abmachung, durch Förderkürzungen die Ölflut zu bremsen. Vier Wochen später klang das dann allerdings schon ganz anders. Seit Trumps Tweet habe sich die OPEC intensiv mit der Frage der Förderanpassungen beschäftigt, so Barkindo. "Wir sind stolz, Freunde der USA zu sein", sagte er Ende Mai bei einem Treffen russischer und saudischer Ölpolitiker in Sankt Petersburg.
Förderbremse zeigt Wirkung
Die Gründe für den neuen Ton: Zum einen haben die USA hinter den Kulissen weiterverhandelt. Der Ausstieg aus dem Atomabkommen mit dem Iran dürfte dem wichtigsten OPEC-Mitglied Saudi-Arabien, dem größten Feind des Ajatollah-Regimes, dabei als Geste der Freundschaft gefallen haben. Dazu kam, dass der Ölpreis zeitweise die 80-Dollar-Marke überschritten hatte. Ein Niveau, bei dem Volkswirte Nachteile für die Weltwirtschaft befürchten. Offenbar hat die Entscheidung der Erdölländer Ende 2016, das Angebot zu verknappen, endlich Wirkung gezeigt.
Rückblick: Nachdem die USA Anfang des Jahrzehnts durch die Erschließung von Schieferölvorkommen, die bis dato technisch oder ökonomisch nicht förderbar waren, zur neuen Ölmacht aufgestiegen waren, gab der Preis des Rohstoffs an den Terminmärkten kräftig nach und verlor bis 2016 gegenüber seinem Höchststand von 150 Dollar mehr als zwei Drittel des Werts.
Um das Austrocknen ihrer von Rohstoffexporten abhängigen Staatseinnahmen einzudämmen, suchten die Förderländer Ende 2016 ihr Heil in einer ungewöhnlichen Allianz. Die OPEC mit ihren 14 Mitgliedern und elf weitere Erdölstaaten unter der Führung Russlands einigten sich darauf, die Ölflut einzudämmen, und zwar um gemeinsam 1,8 Millionen Fässer pro Tag. Das entspricht rund zwei Prozent der gesamten Produktion, die in der BP-Energiestatistik für 2016 auf rund 92 Millionen Fässer pro Tag beziffert wird. So sollte der Angebotsüberhang gedrosselt werden und die großen Ölvorräte sollten sinken.
Zunächst tat sich allerdings wenig. Die globalen Lagerbestände zogen 2017 sogar an, die Preise dümpelten vor sich hin. Erst zum Ende des vergangenen Jahres und im Frühjahr 2018 änderte sich das. Die Ölvorräte in den Speichern der Industriestaaten sanken und waren mit einer Reichweite von 60 Tagen Ende März auf das tiefste Niveau seit drei Jahren gefallen, wie die US-Energiebehörde EIA mitteilte.
Das allein erklärt den starken Ölpreisanstieg allerdings nicht. Die Rohstoffanalysten der Commerzbank verweisen auf das starke Engagement von Spekulanten: Viele Finanzinvestoren seien auf den Zug aufgesprungen und hätten damit den Preisauftrieb beschleunigt.
Warten aufs OPEC-Treffen
Sie blicken nun wohl gebannt auf das nächste Treffen der OPEC am 22. Juni in Wien. Die gemeinsamen Maßnahmen des Kartells mit Russland und anderen Erdölstaaten zur Förderbeschränkung laufen offiziell noch bis Ende des Jahres. Ob die Staaten in Wien ein vorzeitiges Ende der Kürzungen beschließen oder die Ölhähne zumindest ein bisschen weiter aufdrehen werden, ist jetzt die spannende Frage.
Letztlich haben Russland und Saudi-Arabien das Ganze in der Hand. Denn nur die beiden größten Ölfördernationen verfügen über eine nennenswerte Manövriermasse in Form von freien Kapazitäten. Alle anderen Staaten fördern bereits mehr oder minder am Anschlag. Die Vereinigten Staaten etwa, die andere Produzenten zur Mäßigung auffordern, sind selbst weniger bescheiden. Wegen der hohen Preise lohnt sich die Förderung in den kostenintensiveren heimischen Schieferölquellen. Im März 2018 erreichte der Ausstoß mit 10,5 Millionen Fässern am Tag deshalb nach EIA-Daten ein Rekordniveau.
Ausfälle in Venezuela und Iran
Gleichzeitig fallen andere Produzenten aus. So ist die Produktion in Venezuela im laufenden Jahr wegen der politischen Krise und fehlender Investitionen weiter eingebrochen. Dazu kommt die unsichere Lage im Iran. Das Land war 2016 mit 4,6 Millionen Fässern am Tag die Nummer 4 der Welt. Mit dem Ausstieg der USA aus dem Iran-Abkommen und neuen Sanktionen ist es für das Land schwerer geworden, sein Erdöl am Weltmarkt loszuschlagen, weil Käufer mit US-Sanktionen rechnen müssen.
Um wie viel es sich konkret handelt, ist bisher Spekulation. Russland geht von einer Million Fässern pro Tag aus, die derzeit wegen Venezuela und dem Iran fehlen. Diese kämen zu den offiziellen Kürzungen der Öl-Allianz von 1,8 Millionen dazu. Das ist laut Moskau ein wichtiger Grund, warum die Preise in den vergangenen Wochen durch die Decke gegangen sind. Russland zeigt sich deshalb einer Lockerung der Förderfesseln gegenüber aufgeschlossen. Zuletzt hatte das Land die selbst gesetzte Obergrenze laut offizieller Statistik mehrfach überschritten.
Saudi-Arabien gibt sich zurückhaltender. Die internationalen Lagerbestände seien immer noch zu hoch, ließ der saudische Ölminister Ende April verlauten. Die Scheichs hatten Ölpreise von mittelfristig 100 Dollar ins Spiel gebracht. Das Land hätte jedenfalls großes Interesse an einem relativ hohen Preis. Schließlich soll der staatliche Ölkonzern Saudi Aramco in den nächsten zwölf Monaten an die Börse gehen. Und je teurer das Öl, desto wertvoller das Unternehmen, das auf riesigen Reserven sitzt.
Lockerung der Bremse
Doch der Einfluss der USA auf den Ölmarkt ist groß. Immerhin verbraucht das Land ein Fünftel des weltweit geförderten Öls. Es kann sich zwar mittlerweile zu rund zwei Dritteln selbst versorgen, damit ist es aber immer noch einer der größten Ölimporteure der Welt - mit Vorliebe für saudische Ware.
Dem Vernehmen nach haben die US-Unterhändler die Allianz bereits darum gebeten, die Förderung um eine Million Fässer täglich anzuheben. Für die Commerzbank-Analysten ist ein solches Szenario wahrscheinlich. Sie rechnen in der Folge mit einem Rückgang des Ölpreises auf ein Niveau von 65 Dollar bis Jahresende. Käme es so, hätte US-Präsident Trump mit seinen Aufregern wieder mal das erreicht, was er wollte.
Investor-Info
Coba ETC -1x Brent Oil Short
Mit sinkendem Preis gewinnen
Mit den Äußerungen zu einer möglichen Lockerung der Förderbremse ist der Ölpreis in den vergangenen Tagen bereits gesunken. Analysten rechnen aber damit, dass er in den kommenden Monaten weiter nachgibt. Risikobereite Anleger können mit dem Short-ETC der Commerzbank auf dieses Szenario setzen; das Kürzel ETC steht für Exchange Traded Commodity. Der Kurs des Short-Papiers steigt entsprechend, wenn der Preis der Nordseeölsorte Brent sinkt.
DB Brent Inline-Optionsschein
Auf eine Kursspanne setzen
Mit dem Papier der Deutschen Bank wetten Anleger, dass der Brent-Ölpreis bis Ende August in der Spanne von 55 bis 90 Dollar bleibt. Wird eine der Barrieren während der Laufzeit berührt, verfällt der Schein wertlos. Geht das Ganze auf, gibt es zehn Euro je Schein zurück. Beim aktuellen Kaufkurs wäre das ein Plus von 13,9 Prozent. Die Spanne ist breit gewählt, sodass auch größere Ölpreisschwankungen folgenlos bleiben. Wegen des Totalverlustrisikos dennoch nur etwas für Mutige.
Tresides Total Ret. Commodities
Breit in Rohstoffe investieren
Während die beiden oben genannten Papiere kurz- oder höchstens mittelfristige Möglichkeiten sind, um auf den Ölpreis zu setzen, ist der Fonds von Tresides Asset Management für Anleger eine Gelegenheit, langfristig einen breit gestreuten Rohstoffanteil ins Portfolio zu nehmen. Fondsmanager Michael Krauß investiert in 18 Rohstoffe aus den Sektoren Energie, Edelmetalle, Basismetalle und Agrarrohstoffe ohne Grundnahrungsmittel. Der Fonds kann dabei von steigenden wie von fallenden Preisen profitieren.
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