"Katastrophenhausse" wegen Boiling-Frog-Syndrom?
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Anleger in der Zwickmühle zwischen negativen Realzinsen, sinkender Kaufkraft, steigendem Risiko und finanzieller Repression.
von Stefan Wallrich, Vorstand der Wallrich Asset Management AG
Bereits im 19. Jahrhundert beschrieben Forscher das Boiling Frog Syndrom: Setzt man einem Frosch in einen Topf mit kaltem Wasser und erhitzt diesen langsam, bleibt der Frosch - obwohl es für ihn zunehmend unbequemer wird - sitzen, bis es für den Absprung zu spät ist und er sich verbrüht.
Heute wird das Boiling Frog Syndrom durchweg im metaphorischen Kontext gebraucht: Personen, Unternehmen oder Gesellschaften bemerken zwar die sich stetig verschlechternden Rahmenbedingungen, passen sich jedoch widerstandslos diesem Umfeld an.
Was hat das mit dem Kapitalmarkt zu tun ?
Durch die staatlichen Rettungsmaßnahmen im Rahmen der Finanzkrise 2008/2009 sind die Staatsschulden, auch die von Deutschland, massiv angestiegen. Die Bevölkerung ist somit deutlich höher verschuldet als vor der Finanzkrise. Gleichzeitig haben die Notenbanken durch die Politik des billigen Geldes eine Geldschwemme erzeugt, so dass die Zinsen auf historisch niedrige Niveaus gefallen sind. Diese liegen deutlich unterhalb der Inflationsrate, so dass ein negativer Realzins existiert. De facto findet über den Kaufkraftverlust eine Enteignung statt. Als Folge des billigen Geldes sind die Aktienmärkte, ebenso wie die Anleihenmärkte und auch die Immobilienmärkte auf historisch hohen Niveaus angelangt. Auch die Bewertungen dieser Asset-Klassen liegen teilweise deutlich über dem historischen Durchschnitt.
Steht also ein Crash unmittelbar bevor ?
Nicht unbedingt, da auch Investoren offenbar dem Boiling-Frog-Syndrom unterliegen. Das sich stetig verschlechternde Umfeld aus steigender Verschuldung, negativen Realzinsen, sinkender Kaufkraft und steigendem Risiko wird als das "New Normal" angesehen. Man arrangiert sich mit diesem Zustand, wohl wissend - oder zumindest ahnend -, dass die Kaufkraft bereits jetzt sinkt und durch die zu erwartende Financial Repression eine wirtschaftliche Enteignung droht.
Denn eine Enteignung durch einen voraussichtlich noch lange Zeit anhaltenden negativen Realzins ist erst der Anfang. Die Staaten werden sich eher früher als später entschulden müssen. Die Werkzeuge des Deleveraging wurde in den letzten 100 Jahren bereits vielfach angewendet. Und deren neuerliche Anwendung wurde auch in einer aktuellen Studie vom IWF bereits gefordert: höhere Steuern und Abgaben auf Ersparnisse, Schuldenschnitte, höhere Inflation, Kapitalverkehrskontrollen und drastische Kürzungen von Sozialleistungen. Die bereits auf den Weg gebrachte europäische Bankenunion ist Voraussetzung für die Umsetzung der finanziellen Repression.
Die Finanzmärkte bleiben so lange ruhig, wie die Investoren dem Boiling-Frog-Syndrom unterliegen. Und dies wird so lange anhalten, bis das sich verschlechternde Umfeld immer schwerer zu ertragen ist und somit den sozialen Frieden gefährdet. Somit steigt zunächst jedoch nicht etwa die Gefahr eines Crashs an den Kapitalmärkten, sondern eher die Wahrscheinlichkeit einer sogenannten Katastrophenhausse.
Bereits vor einem Jahrhundert prägte der österreichische Nationalökonom Ludwig von Mises den Begriff des Crack-up Booms, der sogenannten Katastrophenhausse. Extrem niedrige Zinsen gepaart mit einer ausufernden Geldschwemme führen zu einem starken Preisanstieg von Sachwerten, da Investoren mangels Alternativen in Aktien und Immobilien fliehen.
Eine solche Phase kann anhalten, solange die Zinsen niedrig bleiben. Die Zentralbanken können die Vermögensverwässerung theoretisch so lange weiter treiben, bis eine Bruchstelle im sozialen Frieden der Gesellschaft entsteht, da nur Vermögende an diesen Crack-up Boom partizipieren, während weniger Vermögende durch den negativen Realzins enteignet werden. Dieser soziale Frieden könnte jederzeit aufbrechen, sei es etwa durch politisches Chaos in Italien oder eine weitere Bankenschieflage oder einen allgemeinen Vertrauensverlust in die Zentralbanken. Dann wird die spekulative Blase platzen. Wie lange eine Katastrophenhausse andauern wird, lässt sich naturgemäß nicht vorhersagen. Für den Anleger zählt jedoch wie in jeder Marktübertreibung die Frage, ob man vor der Korrektur dumm aussieht oder erst danach.
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