Widerrufsjoker: LBBW wehrt sich mit Klagen gegen Verbraucher
Kurz vor Ende der Frist für den Widerruf einer Baufinanzierung am 21. Juni 2016 verschärft sich der Ton, mit dem sich Banken gegen den sogenannten Widerrufsjoker wehren. Verbraucher sollten daher gut überlegt vorgehen.
Wie wir bei der Interessengemeinschaft Widerruf (www.widerruf.info) erfahren haben, schießt insbesondere die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) mit scharfer Munition. Dabei kommt es zu folgendem Ablauf: Ein Verbraucher widerruft mit anwaltlicher Hilfe seinen Darlehensvertrag aufgrund fehlerhafter Widerrufsbelehrung. Die LBBW reagiert nicht wie üblich mit einer Ablehnung des Widerrufs, sondern indem Sie den Kunden mit einer sogenannten Feststellungsklage überzieht. Dabei geht es darum, gerichtlich festzustellen, ob der Widerruf des Kunden wirksam ist. Die Feststellungsklage steht damit im Gegensatz zu einer sogenannten Leistungsklage, bei der konkret über die Rückabwicklung des Darlehens entschieden werden soll.
Das bedeutet, dass die LBBW hier versucht, den Spieß umzudrehen: Nicht der Kunde zieht vor Gericht, sondern die Bank. Und zwar tut sie das insbesondere dann, wenn der Kunde aus einer Region kommt, in der die Gerichte bislang überwiegend bankenfreundlich geurteilt haben. Aufgefallen sind dabei beispielsweise die Gerichtsstandorte Schleswig, Düsseldorf und Hamburg. Hintergrund dieser Strategie der LBBW sind wohl zwei Überlegungen: Zum einen zieht man die gerichtliche Auseinandersetzung weg vom Bankenstandort Stuttgart, der normalerweise für Klagen gegen die LBBW zuständig ist. Dort hat die LBBW zuletzt allerdings reihenweise Fälle verloren. Schafft man es nun durch die Feststellungsklage gegen den Kunden, das Verfahren an einen bankenfreundlicheren Standort zu verlegen, dann steigen die Chancen der Bank.
Zum anderen soll das Vorgehen der LBBW die Kunden natürlich massiv einschüchtern. Und in der Tat ist die Strategie für den Kunden mit einer Gefahr verbunden: Greift nämlich in seinem Fall keine Rechtsschutzversicherung, so bedeutet die Klage der LBBW für den Verbraucher ein erhebliches Kostenrisiko, zumal die Gerichte bei einer Feststellungsklage häufig die gesamte Kreditsumme als Streitwert ansetzen und damit hohe Kosten verursachen.
Wie können Verbraucher nun also auf diese neue Strategie der LBBW reagieren? Nun, zunächst sollte man festhalten, dass es sich bei diesem Vorgehen zunächst nur um einige, wenige Fälle handelt. Offenbar selektiert hier die LBBW gezielt nach Wohnort des Kunden (=bankenfreundlicher Gerichtsstand) und geht bislang auch nur vor, wenn der Kunde von bestimmten großen Kanzleien vertreten wird. Nutzer der IG Widerruf bzw. unserer Kooperationskanzleien waren jedenfalls bislang noch nicht direkt betroffen. Ob es dabei bleibt, ist unklar. Ebenso ist unklar, ob die Vorgehensweise der LBBW möglicherweise von anderen Banken übernommen wird.
Wie sollten sich nun Kreditnehmer, die ihren Vertrag widerrufen möchten, angesichts dieser neuen Strategie verhalten? Erstens sollten Sie vor dem Widerruf des Darlehensvertrags den Kredit anwaltlich prüfen lassen. Nur wenn die Widerrufsbelehrung wirklich angreifbar ist, sollte der Widerruf in Betracht gezogen werden.
Zweitens sollte geprüft werden, ob eine Rechtsschutzversicherung greift. Unter Umständen kann diese vor dem Widerruf noch abgeschlossen werden. Mit einer Rechtsschutzversicherung im Rücken können Sie einer möglichen Klage der Bank gelassen entgegensehen.
Greift keine Rechtsschutzversicherung, so bietet der Prozessfinanzierer der IG Widerruf eine Alternative: Kommt es nämlich zu einer Klage durch das Kreditinstitut, so übernimmt der Prozessfinanzierer zumindest hälftig das Kostenrisiko des Kunden. Voraussetzung dafür ist, dass der Fall durch den Prozessfinanzierer als aussichtsreich eingeschätzt wird. Außerdem würde der Fall nur von einem durch den Prozessfinanzierer beauftragten Anwalt übernommen. Um dies festzustellen, können Sie Ihren Kreditvertrag durch die IG Widerruf unter www.widerruf.info prüfen lassen.
Unter dem Strich kann man sagen, dass das aggressive Vorgehen der LBBW kein Grund sein sollte, vom Widerrufsjoker zurückzuschrecken. Es ist aber durchaus Anlass für eine gründliche Prüfung des Sachverhalts und für eine sorgfältige Vorbereitung. Auf keinen Fall sollten Sie den Widerruf ohne vorherige anwaltliche Prüfung des Kreditvertrags aussprechen. Zudem muss man feststellen, dass damit der risikolose Widerruf eines Darlehens der Vergangenheit angehört. Angesichts des gewaltigen Einsparpotenzials, das der Widerrufsjoker für Kreditkunden bietet, sollte man dennoch bereit sein, ein kalkuliertes (und wohl überlegtes) Risiko einzugehen.
Roland Klaus arbeitet als freier Journalist in Frankfurt am Main und ist Gründer der Interessengemeinschaft Widerruf (www.widerruf.info). Sie dient als Anlaufstelle für alle, die sich zum Thema Widerruf von teuren Kreditverträgen informieren und austauschen wollen und bietet eine kostenlose Prüfung von Widerrufsklauseln in Immobiliendarlehen an. Bekannt wurde Klaus als Frankfurter Börsenreporter für n-tv, N24 und den amerikanischen Finanzsender CNBC sowie als Autor des Buch "Wirtschaftliche Selbstverteidigung". Sie erreichen Ihn unter kontakt@widerruf.info
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