Harry Macklowe: "Mein erstes Bild musste ich in Raten zahlen"
Der New Yorker Baulöwe Harry Macklowe über den unmittelbar bevorstehenden Verkauf seiner spektakulären Kunstsammlung, lohnende Investments in Manhattan und seinen Kreditgeber Deutsche Bank.
von Michael Hannwacker, Euro am Sonntag
Schillernd, agil, risikofreudig - Harry Macklowe ist ein Immobilien-Tycoon, wie er im Buche steht, stets darauf aus, Real-Estate-Trophäen in Manhattan an sich zu reißen und in Schatzkästen edler Apartments und Offices umzuwandeln. Jüngste Vorzeigeimmobilie von Macklowe Properties ist der 1931 in unmittelbarer Nähe zur New Yorker Börse fertiggestellte Art-déco-Tower "One Wall Street", bis 2015 Hauptquartier der Bank of New York Mellon. Für laut US-Börsendienst Bloomberg 585 Millionen Dollar erworben, wurde er von Macklowe mit Unterstützung eines Partners aus Katar und einem 750-Millionen-Dollar-Kredit der Deutschen Bank in Wohnraum umgewandelt. Seit Ende September stehen die darin entstandenen Luxuseinheiten zum Verkauf - von rund einer Million Dollar für ein 60 Quadratmeter großes Studio bis zu fast 13 Millionen Dollar für eine 339 Quadratmeter große Luxuswohnung.
Doch ein anderer unmittelbar bevorstehender Termin ist für den ehemaligen Visual-Arts-Studenten vielleicht noch aufregender - und schmerzhaft. Am Dienstag wird bei Sotheby’s ein erster Teil der Macklowe Collection versteigert, der mit geschätzten 600 bis 800 Millionen Dollar wertvollsten jemals zum Verkauf stehenden Kunstsammlung. Über Jahrzehnte hatten Harry und Linda Macklowe Hauptwerke der Modernen Kunst seit 1945 zusammengetragen. Doch als ihre fast ewige Ehe in einem Rosenkrieg endete, urteilte der Scheidungsrichter 2019, dass die Sammlung verkauft und der Erlös zwischen den Geschiedenen geteilt werden müsse.
Fast verpasst
Das Exklusivinterview mit €uro am Sonntag steht bis zuletzt auf der Kippe. Als die USA dann am Montag endlich ihren "travel ban" aufheben, scheint dem in One Wall Street verabredeten Treffen nichts mehr entgegenzustehen. Doch dann entscheidet sich der Milliardär kurzfristig, einen Tag später als geplant von seiner zweiten Heimat Paris nach New York zurückzufliegen. Aber er erklärt sich bereit, das Interview über Zoom zu führen, in einer Wohnung im 16. Arrondissement, unaufhörlich Nüsse knabbernd.
Euro am Sonntag: Warum machen Sie Ihr Geschäft in New York?
Harry Macklowe: Ich bin hier aufgewachsen, kenne die Stadt also seit vielen Jahren. Und Immobilien sind ein lokales Geschäft. Das heißt nicht, dass man nicht an anderen Orten investieren sollte. Wir haben Beteiligungen in Kalifornien und Florida. Ich schaue nach Möglichkeiten in Europa und versuche immer, den Immobilienmarkt in den Städten zu verstehen, die ich besuche. Aber New York bleibt mein Terrain. Ich habe die Stadt wachsen sehen und bin stolz darauf, Teil davon zu sein. Für Immobilieninvestments gibt es keinen besseren Ort.
Auf Ihrer Website versprechen Sie "sichere und hochprofitable Immobilieninvestition". Was ist das?
Am sichersten ist Wohneigentum.
Sicherer als Bürogebäude?
Ja, die Renditen sind zwar niedriger, aber stabiler.
Wird One Wall Street, Ihr jüngstes Apartmenthaus, Ihr letztes Projekt sein?
Fahren Sie Ski? Dann stimmen Sie mir sicher zu, dass es niemals eine letzte Abfahrt gibt, sondern immer nur die letzte vor der nächsten. Das lukrativste Projekt? Das war wohl, mit drei Milliarden Dollar an Einnahmen, 432 Park Avenue. Das komplizierteste? Sicher One Wall Street.
Warum?
Weil es so aufwendig war, die Auflagen des Denkmalschutzes zu erfüllen. Wir durften die Fassade nicht verändern, nur das Innenleben. Es war endlos kompliziert, unter diesen Bedingungen 560 Wohnungen plus Gewerbeflächen zu schaffen.
Ist jetzt überhaupt ein guter Zeitpunkt, um Eigentumswohnungen in Manhattan zu verkaufen?
Vor der Pandemie war der Markt extrem träge. Aber seit der Entwicklung der Vakzine hat sich der Wohnungsmarkt auf der Einstiegsebene und der gehobenen Familienebene stark erholt. Ja, die Zeit ist gut.
In welchem Markt ist das Interesse für One Wall Street am größten? In Asien? Im Nahen Osten?
Weder noch, 75 Prozent der Nachfrage kommt aus der Nachbarschaft. Das Objekt liegt ideal für Mitarbeiter von Goldman Sachs, Morgan Stanley oder den Versicherungsgesellschaften. Und die Neugier auf das, was aus dem Gebäude werden würde, war von Beginn an groß.
Das Projekt wird also profitabel?
Ach, natürlich liegt der Fokus immer auf Profitabilität. Aber mir geht es auch darum, ein besseres, ein unterscheidbares Gebäude zu schaffen, etwas, das der Vision entspricht, die ich mit den Architekten, den Ingenieuren, den Designern geteilt habe. Mit der Neupositionierung des General Motors Building und der Plaza mit dem gläsernen Apple Cube davor ist mir das sicher gelungen. Auch mit der sehr strengen architektonischen Form von 432 Park Avenue. Die eigentliche Befriedigung sind möglichst viele positive Kommentare. Das macht mich stolz. Je angesehener das Gebäude ist, desto reicher fühle ich mich.
Haben Sie sich deshalb für die Entwicklung von Gebäuden entschieden, anstatt einfach in Immobilien zu investieren?
Exactly.
Ihr größter Kreditgeber ist die Deutsche Bank. Warum gerade diese?
Nun, wir haben ein sehr herzliches, kollegiales Verhältnis. Ich habe mit ihren Vorständen, leitenden Angestellten und Immobilienmanagern zusammengearbeitet und sie waren immer sehr kooperativ, anspruchsvoll und sehr gründlich. Im Lauf der letzten 25 Jahre habe ich mit ihnen Geschäfte im Wert von wahrscheinlich 18 Milliarden Dollar gemacht.
Reden wir über Ihre Sammlung. Ist moderne Kunst "nur" eine Leidenschaft? Oder auch ein Investmentvehikel?
Daran habe ich tatsächlich nie gedacht. Meine damalige Frau und ich haben 1960 zu sammeln begonnen - mit einer Druckgrafik von Joan Miró, die ich in einer Galerie in 681 Fifth Avenue gesehen hatte. Sie kostete 125 Dollar, Geld, das ich damals nicht hatte. Der Galerist, ein sehr netter Mann namens Sylvan Cole, bot mir an, den Betrag in Raten zu zahlen. Diese Grafik war der Beginn der Macklowe Collection - die allerdings erst Sotheby’s so getauft hat. Und ich besitze sie immer noch!
Wie war die Kunstwelt damals?
Vor allem viel kleiner als heute. Es gab Sammler, aber keine Leute, die kauften, um zu verkaufen. Die traten ab den späten 80ern, frühen 90ern auf den Plan. Und erst als die Kunstwelt expandierte, gab es diesen Wettbewerb um die besten Arbeiten. Wir aber blieben ernsthafte Sammler. Die Suche nach und die Lust an großen Kunstwerken war ein wichtiger Bestandteil unserer Ehe. Heute schmeichelt es mir natürlich, dass die Qualität unserer Sammlung erkannt wird. Denn es gibt kein einziges schlechtes Bild in unserer Sammlung. Jedes einzelne ist ein "A1+".
Nach welchen Kriterien haben Sie jeweils entschieden?
Die Bilder mussten eine Geschichte erzählen, allegorisch sein, neben einem anderen stehen und von der Beziehung profitieren können und einen Dialog zwischen der Leinwand und dem Künstler repräsentieren, der auch nach der Fertigstellung des Bildes Bestand hatte.
Wissen Sie immer, unter welchen Umständen Sie welche Kunstwerke erworben und was Sie dafür bezahlt haben? Wie kamen Sie zum Beispiel an Warhols "Neun Marilyns"?
Das Gemälde gehörte einem Freund, der es zum Verkauf anbot. Ein Händler sagte uns, das sei etwas, was wir uns ansehen sollten. Also gingen wir hin, früh am Morgen, der Verkäufer hat noch geschlafen, glaube ich. Wir warfen nur einen Blick darauf und wussten: Das ist großartig, es hat seinen Platz in Warhols Werk, es hat diese malerische Qualität, und was immer der Preis ist, sei in Ordnung.
Für welches Bild erwarten Sie am Dienstagabend das höchste Gebot?
Das kann ich nicht beantworten. Aber wenn Sie fragen, welches Bild ich am liebsten behalten würde …
… okay, welches?
Das fünfeinhalb Meter große Wandgemälde mit den Pfingstrosen von Cy Twombly. Wir waren damals zu einem Dinner von [dem New Yorker Stargaleristen] Larry Gagosian in Avignon eingeladen, sahen das Bild und hatten das Glück, es erwerben zu können. Twombly hatte es, fast 80-jährig, auf einem Gerüst stehend mit einem Mop gemalt, und man sieht die Emotion, mit der er die Farbe aufbrachte. Es ist rot, es ist heiß, und es ist voller Leben. Wer immer es kauft, wird ein absolut wundervolles Bild erworben haben.
Noch eines?
Ich liebe die Sanftheit des Rothko, seine Atmosphäre, die Ahnung des Frühlings, blühender Blumen …
Ist es schwer, sich von dieser einzigartigen Sammlung zu trennen?
Ich habe oft darüber nachgedacht, was mit ihr passieren würde. Ich bin ja kein antiker Ägypter, sie würde also nicht mit mir ins Grab gehen. Und wir sind ja auch nur vorübergehende Hüter der Kunst, und sie lebt ohne uns weiter. Jetzt ist es bittersüß. Ich werde sehen, wer die Kunstwerke kaufen und genießen wird, wie man über einzelne Bilder denkt, wie die Sammlung als Ganzes beurteilt wird. Und dass ihr Wert beträchtlich gestiegen ist, macht es etwas leichter, sie weiterzugeben.
Warum haben Sie Sotheby’s mit dem Verkauf beauftragt?
Wir pflegen gute Beziehungen zu allen Auktionshäusern. Aber wie Sie vom Tennis wissen: Es gibt nur einen Gewinner. Sotheby’s war am aggressivsten. Und am attraktivsten.
Was ist die bessere Investition? Eine bestimmte Immobilie in New York oder ein sorgfältig ausgewähltes Werk der modernen Kunst?
(Überlegt) Viele unserer Bilder haben über die vergangenen 50 Jahre den Wert einer Immobilientransaktion im selben Zeitraum sicherlich übertroffen. Das liegt aber daran, dass Gemälde, als wir mit dem Sammeln anfingen, eher günstig waren. Warhols kosteten 800 oder 1.000 Dollar, vielleicht 2.000 Dollar. Heute kann ein guter Warhol mehrere Millionen Dollar wert sein.
Gibt es eine Investition, die Sie bitter bereut haben?
Niemals währenddessen, nur in der Folge.
Ist die Ehe eine gute Investition?
Ehe ist eine wundervolle Institution, so wie die Liebe. Und eine zweite Liebe ist eine fantastische Erfahrung.
Vita:
Jäger und Sammler
Harry Macklowe, geboren 1937 in New Rochelle, New York, wird nach abgebrochenem Kunststudium 1960 Immobilienmakler, beginnt bald selbst, herausragende Großbauten zu entwickeln und prägt das Gesicht Manhattans wie kaum ein Zweiter. Mehrfach fast bankrottgegangen, kann er sich mithilfe von Partnern oder Finanzinstituten immer wieder retten. 2016 trennt er sich nach 57 Jahren Ehe von seiner Frau Linda und wird nach einer erbitterten juristischen Auseinandersetzung dazu verurteilt, ihr die Hälfte seines auf zwei Milliarden Dollar geschätzten Vermögens zu überlassen. Um die Summe aufbringen zu können, sieht er sich gezwungen, seine glänzende Sammlung moderner Kunst versteigern zu lassen. Macklowe ist in zweiter Ehe mit der Französin Patricia Landeau verheiratet und hat aus erster Ehe zwei Kinder. Er lebt in Paris und New York.
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Bildquellen: Macklowe Properties