Kopf der Woche

Millionär Sonnenfeldt: Reichtum isoliert

19.10.11 06:00 Uhr

Tiger 21 ist das größte Netzwerk Amerikas für Millionäre. Gegründet hat es Michael Sonnenfeldt, der Sohn des Chefübersetzers bei den Nürnberger Prozessen.

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von Daniela Meyer, €uro am Sonntag

Bereits mit Anfang 30 hatte Michael Sonnenfeldt ein Vermögen mit Immobiliengeschäften verdient. Wohin nun mit dem ganzen Geld? Diese Frage brachte ihn dazu, in den USA eine Selbsthilfegruppe für Millionäre zu gründen. Die 185 Mitglieder kommen einmal im Monat in kleinen Gruppen zusammen – in New York oder Los Angeles und weiteren US-Metropolen sowie in Kanada. Dabei sein darf, wer aus eigener Kraft reich geworden ist oder vorhandenes Vermögen vermehrt hat. Lottogewinner sind unerwünscht. Die Mitgliedschaft kostet 30.000 Dollar pro Jahr. Jedes Mitglied unterzeichnet ein Geheimhalteabkommen und legt seine Finanzen offen. Auf 15 Milliarden Dollar Anlagevermögen kommen die Mitglieder insgesamt. Im Interview mit €uro am Sonntag erzählt Sonnenfeldt, warum Reichtum isoliert und wieso Reiche auch Probleme haben.

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€uro am Sonntag: Herr Sonnenfeldt, warum brauchen Millionäre eine Selbsthilfegruppe?
Sonnenfeldt:
Ich würde uns eher als Lerngruppe bezeichnen, in der sich die Mitglieder über den Erhalt ihres Wohlstands, gute Investitionsmöglichkeiten und Probleme, die reiche Menschen auch haben, unterhalten können. Ein wichtiges Thema bei uns ist Philanthropie. Viele haben ihr Leben lang hart gearbeitet und viel Geld verdient. Nun wollen sie etwas von ihrem Reichtum und Glück teilen.

Das hört sich nach elitärem Investmentklub an. Was unterscheidet Sie von derartigen Ver­einigungen?
Wir gehen auf beruf­liche wie private Belange unserer Mitglieder ein. Es gibt wohl keine andere Organisation, in der so offen über die Rolle von Wohlstand in Gesellschaft und Familie gesprochen wird. Wie geht man mit Reichtum um? Welche Verantwortung hat man? Wie vermeidet man einen schlechten Einfluss auf die Kinder? Solche Fragen beschäftigen uns.

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Und das kann man nicht einfach mit Freunden besprechen?
Reichtum isoliert. Wenn man sensibel ist, spricht man nicht gern über sein Geld. Es könnte Freunden, die weniger haben, unangenehm sein. Einige Mitglieder befürchten, sie könnten anderen ein Gefühl der Minderwertigkeit vermitteln. Diese Ängste müssen sie bei ­Tiger 21 nicht haben. Hier sitzen alle in einem Boot.

Was sind das für Sorgen, die man als Millionär hat?
Ein Thema ist das Erben. Wir laden auch Psychologen ein, die darüber sprechen. In der US-amerikanischen Kultur ist es üblich, alle Kinder gleich zu behandeln. Es gibt aber auch Mitglieder, die alles für einen guten Zweck spenden oder einen Familienfonds gründen. Wir haben festgestellt, dass es wichtig ist, die Kinder vorzubereiten – vor allem wenn man sein Erbe ungleich verteilen will. So etwas kann sonst tiefe Narben in der Psyche hinterlassen.

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Es ist ungewöhnlich, dass Millionäre so offen über ­Finanzen und Privates plaudern.
Tiger 21 funktioniert nur, weil wir absolut integer sind. Wir checken den Hintergrund jedes Mitglieds. Verschwiegenheit ist oberstes Gebot. Nur in einem Umfeld des gegenseitigen Vertrauens ist man bereit, über die private Geld­anlage zu sprechen. Wer das nicht respektiert, kann nicht bleiben.

Mussten Sie schon mal jemanden rauswerfen?
In den zwölf Jahren unseres Bestehens ist das nur zwei-, dreimal vorgekommen.

Was haben Sie für Ihre eigene Investmentstrategie bei Tiger 21 gelernt?
Ich habe Geld gemacht und verloren, weil ich auf den Rat der Gruppe gehört habe. Mein Risikomanagement und meine Gesamtperformance sind durch Tiger-Deals aber deutlich besser geworden. Ich investiere etwa auf Rat von Tiger 21 seit sechs Jahren in Gold und habe die Krise daher recht gut überstanden.

Wie sieht denn ein Durchschnittsportfolio eines Tiger-Mitglieds aus?
25 Prozent des Kapitals sind in Immobilien investiert, davon die Hälfte in privaten. 20 Prozent in Aktien, zehn in Direktbeteiligungen an Unternehmen. Zwölf bis 14 Prozent in Cash. Und zwei bis fünf Prozent sind in Gold angelegt. Keiner muss sein Portfolio so ausrichten. Aber man hat die Möglichkeit zu ­sehen, was die anderen machen, und darüber nachzudenken.

Einige ihrer Mitglieder haben den amerikanischen Traum – vom Tellerwäscher zum Millionär – tatsächlich gelebt. Ist das heute noch möglich?
Es ist schwieriger, aber der American Dream existiert weiter. In den USA hat nach wie vor jeder die Chance, Wohlstand aufzubauen. Allerdings nur, wenn er bereit ist, hart zu arbeiten, zu sparen, Risiken einzugehen und einen Teil seines Privatlebens zu opfern. Intelligenz, Krea­tivität, ein starker Wille und eine große Portion Glück sind nötig.

Ist Glück nicht die wichtigste Komponente?
Glück favorisiert den­jenigen, der vorbereitet ist. Ungefähr 70 Prozent unserer Mitglieder haben ihre Karriere mit nichts als einer Idee begonnen. Sie haben den Mut ­gehabt, sie umzusetzen und zum Teil riesige Unternehmen aufgebaut. Etwa 30 Prozent sind als Immobilien­unternehmer oder Investoren reich geworden.

Wie wird man denn ein Tiger?
Bis vor zehn Jahren haben wir nur Leute aufgenommen, die zwischen zehn und 100 Millionen Dollar an privatem Vermögen besaßen. Diese Grenze funktioniert nicht. Einige, die mit unter 100 Millionen Dollar eingestiegen sind, hatten später über 100 Millionen. Andere haben Geld verloren und besaßen dann weniger als zehn Millionen. Sie auszuschließen hat nicht viel Sinn – ein Jahr später kann es wieder ganz anders sein.

Einige Mitglieder sorgen sich um ihren Lebensstandard. Ist das begründet?
Der Lebensstandard der Amerikaner muss sich ändern. Er wird in Zukunft für den Einzelnen – wenn überhaupt – langsamer steigen, und für die große Masse muss er nach unten korrigiert werden. Daran werden sich die Amerikaner langsamer gewöhnen als nötig. Und das wird weitere Probleme verursachen.

Machen Sie sich Sorgen um Ihr Land?
Nicht nur das, ich mache mir Sorgen um die Welt. Aber ich glaube auch, dass die USA noch jene Eigenschaften besitzen, die eine große Nation ausmachen. Wir haben ein gutes Bildungssystem. Im Vergleich zum Rest der Welt ist es hier leichter, ein Unternehmen aufzubauen. Wir sind eine offene Gesellschaft, in der Dinge wie Hautfarbe oder Herkunft nicht zählen. Das macht uns anpassungsfähig.

Warum haben die USA dennoch solche Schwierigkeiten, die Krise zu überwinden?
Unsere Geschichte als Supermacht und reichste Nation hat zu vielen erlaubt, Wunschdenken mit Realität zu verwechseln. Wenn man in der Nachkriegszeit aufgewachsen ist, hat man gelernt, dass die Vereinigten Staaten in vielen Fragen die Welt dominieren. Darum ist es für viele Amerikaner schwer zu akzeptieren, dass sich etwas geändert hat – selbst wenn die Beweise auf dem Tisch liegen.

Hat Amerika sich isoliert?
Viele Amerikaner wären schockiert, wenn man sie nach Shanghai fliegen würde. Sie können sich nicht vorstellen, dass New York im Vergleich zu Shanghai eine Kleinstadt ist. Für die meisten sind die USA das Zentrum der Welt. An dieser Überzeugung zu rütteln ist schwer und braucht Zeit.

Wer wird von den Entwicklungen profitieren?
Asien, vor allem China und Indien. Die Weltordnung wird auf den Kopf gestellt. Das Interessante daran ist, dass die Amerikaner überzeugt sind, dass eine kapita­listische Demokratie die produktivste Gesellschaftsform von allen ist. Vielleicht zeigen die Chinesen ­gerade, dass dies eben nicht der Fall sein muss.

Ist China eine Bedrohung für die USA?
Auf jeden Fall für den Lebensstandard und unsere Rolle in der Welt. Ob die Veränderungen die Welt besser oder schlechter machen, liegt im Auge des Betrachters.

zur Person:

Michael Sonnenfeldt,
Gründer von Tiger 21

Michael Sonnenfeldt ist der Sohn jüdischer Flüchtlinge, die während des Zweiten Weltkriegs von Berlin nach New York kamen. Sein Vater Richard Sonnenfeldt war Chefübersetzer bei den Nürnberger Prozessen. Michael Sonnenfeldt, heute 56 Jahre alt, gründete Tiger 21 im Jahr 1999.