Datenexperte Glatzner: Die Sammelwut ist bedenklich
Florian Glatzner, der Datenexperte des Verbraucherzentrale Bundesverbands e. V., warnt vor gezielten Manipulationen in der digitalen Welt und rät zur Vorsicht bei persönlichen Daten.
von Simone Groeneweg, Euro am Sonntag
Die digitale Welt macht das Leben einfacher. Mit Freunden hält man per Mausklick Kontakt, das passende Medikament findet die Suchmaschine, der Einkaufsbummel wird überflüssig - das Netz ist schlau und weiß, was der Kunde braucht. Schließlich hinterlässt ein Nutzer überall Spuren und Daten in der digitalen Welt - ob unfreiwillig oder bewusst. Einzelne Krankenversicherer bieten Kunden bereits Rabatte an, wenn sie regelmäßig Sport treiben und ihre persönlichen Daten dazu online stellen. Die Folgen solcher Trends seien schwer abzuschätzen, meint Florian Glatzner.
€uro am Sonntag: Welche Vorteile bringt Big Data den Verbrauchern?
Florian Glatzner: Es existieren sehr interessante Anwendungen. So lässt sich etwa voraussagen, mit welcher Wahrscheinlichkeit Flugpreise in absehbarer Zeit steigen. Das entsprechende System sammelt die Daten der verschiedenen Flugportale und wertet sie aus. Es kann prognostizieren, ob zum Beispiel in sechs Wochen der Preis für ein Ticket in eine Stadt steigt oder sich verbilligt.
Das klingt positiv, aber manche Projekte gelten als bedenklich.
Das stimmt. So gab es von der Schufa die Idee, in den sozialen Netzwerken Daten zu sammeln, um sich ein besseres Bild von der Kreditwürdigkeit des Einzelnen zu machen. Das hat sich glücklicherweise nicht durchgesetzt. Zumal ich die Sammelwut der sozialen Netzwerke grundsätzlich für bedenklich halte.
Warum? Die Menschen hinterlassen ihre Daten doch freiwillig.
Aber sie wissen nicht, wofür diese Mengen an Informationen verwendet werden. Wir bekommen erst eine Vorstellung davon, welche Chancen und Risiken in der gezielten Nutzung riesiger Datenmengen stecken.
Worin besteht aus Verbrauchersicht die konkrete Gefahr?
Dass jemand mithilfe der Informationen manipuliert wird und sich nicht dagegen wehren kann. Nehmen wir an, jemand hat ein Rückenleiden. Plötzlich bekommt der Betroffene rückenschonende Matratzen im Onlinehandel angeboten, und zwar nur zu höheren Preisen als Personen ohne ein solches Leiden. Das wäre für mich grenzwertig.
Wie lässt sich das verhindern?
Die Leute müssen ein kritisches Bewusstsein entwickeln und vorsichtiger agieren. Immer wenn jemand einwilligt, dass eine Firma seine Daten nutzt, sollte er sich fragen, ob das wirklich notwendig ist.
Einzelne Krankenversicherungen belohnen Mitglieder für Daten?
Das stimmt. Wer zum Beispiel Sport treibt und das per App regelmäßig beweist, erhält Vergünstigungen. Meiner Ansicht nach müssen wir speziell darüber eine gesellschaftliche Debatte führen. Falls Assekuranzen im großen Stil mit personenbezogenen Daten arbeiten, wird das Solidaritätsprinzip infrage gestellt. Bislang zahlen die Stärkeren für die Schwächeren - das gilt unter diesen Bedingungen aber nicht mehr.
Aber warum sollte man eine gesunde Lebensweise nicht belohnen?
Der Aktive wird doch nur scheinbar belohnt. Er kriegt zwar einen Rabatt, aber letztendlich zahlen die anderen Versicherten mehr und merken es nicht einmal.
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Bildquellen: Gert Baumbach/vzbv