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Neue Regeln bei der Erbschaftsteuer: Das sollten Sie wissen!

16.10.16 03:00 Uhr

Neue Regeln bei der Erbschaftsteuer: Das sollten Sie wissen! | finanzen.net

Die Erbschaftsteuer wird reformiert. Wen die Änderungen treffen und wie sich noch Abgaben sparen lassen. Die Details.

von Stefan Rullkötter, Euro am Sonntag

Es war ein gesetzgeberischer Hindernislauf über 22 Monate. Nach zähem Ringen haben sich Bund und Länder auf eine Reform der Erbschaftsteuer verständigt. Der Bundestag hat Ende September den im Vermittlungsausschuss ausgehandelten Kompromiss abgesegnet. Der Bundesrat stimmte der Reform am 14. Oktober zu - im Juli war die Gesetzes­reform dort im ersten Anlauf noch gescheitert. Damit tritt das neue Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz rückwirkend zum 1. Juli 2016 in Kraft.

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Die Reform ist überfällig, weil das Bundesverfassungsgericht im Dezember 2014 die fiskalische Vorzugsbehandlung von Firmenerben als zu weitgehend beanstandet hatte: Seit 2009 bleibt Betriebsvermögen - nach Abzug eines ­extra Steuerfreibetrags von 150.000 Euro - zu 85 Prozent von Erbschaft- oder Schenkungsteuer verschont, wenn die Firma mindestens fünf Jahre fortgeführt wird und die Summe der Löhne und Gehälter von Mitarbeitern in diesem Zeitraum mindestens 400 Prozent der bisherigen Lohnsumme erreicht. Führen die Erben eine Firma mindestens sieben Jahre lang weiter, konnten sie bisher auf Antrag das Betriebsvermögen stets erbschaftsteuerfrei stellen.

Privatvermögen als Gradmesser

Die Neuregelung sieht dagegen vor, dass künftig grundsätzlich auch das Privatvermögen der Begünstigten bei der Zahlung der Erbschaftsteuer auf Betriebe herangezogen werden kann - ab einem übertragenen Betriebsvermögen von 26 Millionen Euro. Allerdings muss in diesen Fällen stets individuell geprüft werden, ob Erben großer Betriebe nicht wenigstens einen Teil der Steuer aus ihrem Privatvermögen bezahlen können. Ab einem Firmenerbe von 90 Millionen Euro ist dagegen keine "Verschonung" von dieser Abgabe mehr möglich.

Gewinner der Reform sind Erben von Betrieben mit bis zu fünf Beschäftigten. Um die Arbeitsplätze nicht zu gefährden, müssen sie bei Fortführung der Firma grundsätzlich keine Erbschaftsteuer zahlen. Bisher lag die Grenze für dieses Steuerprivileg von Erben bei 20  Beschäftigten im Betrieb.
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Auch der Streit, wie vererbtes Betriebsvermögen zu bewerten ist, wurde im Vermittlungsausschuss beigelegt: Der Gewinn des übertragenen Unternehmens wird mit dem "Kapitalisierungsfaktor" 13,75 multipliziert. Ein Jahresgewinn von zwei Millionen Euro beispielsweise führt zu einer Bemessungsgrundlage von 27,5 Millionen Euro.

Die Neuregelung sieht auch Maß­nahmen zur Bekämpfung rechtsmissbräuchlicher Gestaltungen vor: Sogenannte Cashgesellschaften, mit denen große Geldvermögen im Firmenmantel seit 2009 steuerfrei vererbt und verschenkt werden konnten, sollen nach der Reform nicht mehr möglich sein.
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Auch ist eine komplette Befreiung von der Erbschaftsteuer nur möglich, wenn das Verwaltungsvermögen nicht mehr als 20 Prozent des Betriebsvermögens beträgt. Zudem werden Freizeit- und Luxusgegenstände wie Oldtimer, Jachten und Kunstwerke, die im Betriebsvermögen gehalten werden, dem Verwaltungsvermögen zugerechnet. Damit sind sie beim Schenken und Vererben steuerlich nicht mehr begünstigt.

Zwei Gruppen erhalten weitere Steuervorteile nur unter Auflagen: Erben von Familienunternehmen können eine zusätzliche Freistellung des Betriebsvermögens von bis zu 30 Prozent er­wirken, wenn sie sich nach Abzug der Ertragsteuer nicht mehr als 37,5 Prozent des Gewinns aus dem Familienunternehmen ausschütten oder aus dem Betrieb entnehmen lassen.

Wer land- und forstwirtschaftliche Betriebe erbt, kann einen Freibetrag für Finanzmittel in Höhe von 15 Prozent des Betriebsvermögens nur dann beanspruchen, wenn er das Unternehmen hauptberuflich weiterführt.

Kritiker stufen auch diese modifizierten Verschonungsregeln für Firmen­erben als verfassungsrechtlich bedenklich ein. Nicht auszuschließen ist daher, dass auch die frisch reformierte Erbschaftsteuer bald in Karlsruhe landet.

Gestaltungsspielräume ausnutzen

Wer dagegen Privatvermögen erbt oder geschenkt bekommt, für den ändert sich durch die Reform nicht viel. Die folgenden Steuersparmöglichkeiten bleiben damit auch in Zukunft legal:
• Übertragung an Angehörige. Vermögen innerhalb der Familie sind weiterhin steuergünstig übertragbar - die hohen Erbschaft- und Schenkungsteuerfreibeträge für Familienangehörige in direkter Linie bleiben bestehen (Details siehe Kasten unten).
• Schenkungs-Splitting. Wer zu Lebzeiten Teile seines Vermögens verschenkt, kann seinen persönlichen Steuerfreibetrag alle zehn Jahre neu ausschöpfen. So lassen sich auch größere Privatvermögen etappenweise weiterhin steuerfrei übertragen.
• Selbst genutzte Immobilien. Der Steuervorteil bei der Übertragung von selbst bewohnten Häusern und Eigentumswohnungen bleibt ebenfalls erhalten. Erben Angehörige eine selbst genutzte Immobilie (Einschränkung für Kinder: mit bis zu 200 Quadratmeter Wohnfläche), fallen keine Steuern an, selbst wenn das Objekt einen Verkehrswert in Millionenhöhe hat. Dafür müssen die Erben ihren Erstwohnsitz in der Immobilie nehmen. Nur wenn sie innerhalb von zehn Jahren aus dem Erbstück ausziehen und ihre persönlichen Steuerfreibeträge bereits ausgeschöpft haben, müssen sie Erbschaftsteuern nachzahlen.

Erbschaftsteuer: Freibeträge und Steuersätze (pdf)

Bildquellen: Gunnar Pippel / Shutterstock.com, Hadrian / Shutterstock.com