Macrons gesenkte Quellensteuer: Was deutsche Anleger davon haben
Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron macht Ernst. Um Investoren anzulocken, ließ er unter anderem die Quellensteuer auf Dividenden senken. Gut gedacht, doch bei der Umsetzung hakt es.
von B. Watermann/
M. Schreiber, Euro am Sonntag
Würde der französische Staatspräsident Emmanuel Macron so ticken wie US-Präsident Donald Trump, würde er ständig mit dem Slogan "Make France great again" auf den Lippen herumlaufen. Er würde es nicht auf Französisch, sondern auf Englisch sagen, damit ihn auf der Welt möglichst viele verstehen.
Doch Macron tickt nicht so wie Trump. Der Mann, der im Pariser Élysée-Palast residiert, setzt einfach mit vergleichsweise wenig Brimborium Reformen um. Beispielsweise senkte Frankreich zu Jahresbeginn die Quellensteuer auf Dividenden von 30 auf 12,8 Prozent. Das erklärte Ziel: Französische Unternehmen sollen für ausländische Investoren attraktiver werden.
Eine gute Nachricht auch für deutsche Anleger, sollte man meinen. Doch die Steuersenkung kommt bei ihnen häufig gar nicht an. Zudem haben sie bei der Steuererklärung für 2018 mit französischen Dividenden mehr Arbeit, als ihnen lieb ist. "Französische Dividendentitel sind de facto für deutsche Anleger unattraktiver geworden", sagt ein Kenner der Szene ernüchtert.
Neue Steuer, altes Verfahren
Wie ausländische Dividenden abzurechnen sind, das klärt für alle deutschen Banken die WM Datenservice - ein Dienstleister in Frankfurt am Main. Dieser hat die Quellensteuersenkung für alle Banken zum 1. Juli umgesetzt. Zu diesem Termin hat das Bundeszentralamt für Steuern seine Liste zu ausländischen Quellensteuern rückwirkend per 1. Januar 2018 veröffentlicht.
Doch Steuersenkung auf 12,8 Prozent hin oder her: Liegen französische Aktien im Depot eines Anlegers bei einer hiesigen Bank, zwackt diese in aller Regel den gewohnten Quellensteuersatz von 30 Prozent ab. Davon werden seit dem 1. Juli nur noch 12,8 und nicht mehr 15 Prozent auf die deutsche Abgeltungsteuer von 25 Prozent angerechnet (siehe "Steuer-ABC für Globalanleger"). Künftig müssen sich Anleger den Differenzbetrag von 17,2 Prozent (statt bisher 15 Prozent) von Frankreich zurückholen.
Das klingt trivialer, als es ist. Der Grund: Frankreich hat zwar den Steuersatz gesenkt, doch das Erstattungsprozedere ist kompliziert wie eh und je. "Frankreich hätte das Verfahren durchaus verbraucherfreundlicher gestalten können", sagt Iris Ade, Spezialistin für Kundensteuern bei der Comdirect. Nach Auskunft mehrerer Banken verlangt Frankreich für den Steuerrabatt deutlich mehr Daten, als es der Common Reporting Standard (CRS) zum länderübergreifenden Informationsaustausch von Steuerdaten vorsieht.
Der Steuersatz von 12,8 Prozent gilt nämlich nur für Nichtfranzosen. Da aber die Wertpapierlagerstellen wie Clearstream nur wissen, bei welchen Banken französische Aktien in Kundendepots liegen, nicht aber, wo der Anleger steuerpflichtig ist, bleibt es bei 30 Prozent Abzug.
Einen Ausweg aus diesem Dilemma könnte nur ein Antrag auf Vorabermäßigung bieten, bei der den französischen Behörden vor der Dividendenauszahlung bescheinigt wird, dass ein in Deutschland ansässiger Anleger die Dividende erhält und die Aktien im Inland verwahrt werden. Doch diesen Service bieten viele Depotbanken gar nicht an. Eine Ausnahme ist zum Beispiel die Deutsche Kreditbank (DKB). Dort kann eine Vorabbefreiung einmalig pro Depot eingerichtet werden und gilt dann unbefristet für alle französischen Erträge. Das kostet 11,90 Euro pro Antrag.
Wenn man sein Depot bei einer Bank hat, die keine Vorabbefreiung ermöglicht, ist der Weg zur Erstattung in Frankreich besonders steinig - und oft so teuer, dass man sich für kleinere Aktienbestände die Mühe gar nicht zu machen braucht. Die Krux: Anleger können das Erstattungsverfahren nicht ohne die Hilfe ihrer Depotbank und des Zentralverwahrers Clearstream durchlaufen. Und die kassieren oft kräftig ab.
Hohe Gebühren
Doch der Reihe nach: Das Erstattungsformular erhält man über das Bundeszentralamt für Steuern in Bonn (www.bzst.de). Es ist online ausfüllbar. Anschließend muss man es zu seinem deutschen Finanzamt bringen, das den Wohnsitz des Anlegers bestätigt. Danach wird es noch bürokratischer, denn man kann das Formular nicht einfach nach Frankreich schicken. Erstattungsanträge bearbeitet die französische Steuerbehörde nur, wenn diese über die Depotbank eingereicht werden und die deutsche Lagerstelle Clearstream bestätigt, dass die Aktien in einem deutschen Depot verwahrt werden.Das machen viele Banken nicht umsonst; die Deutsche Bank und ihr Broker Maxblue sind hier eine Ausnahme. Die ING-DiBa verlangt je Antrag 50 Euro, die Targobank macht es für 45,70 Euro. Bei der Comdirect fallen sogar "pro Zahlungsvorgang", also pro Dividendengutschrift, 23,80 Euro an. Doch das ist noch nicht alles: Die Clearstream-Gebühr von 71,40 Euro pro Dividendenzahlung kommt bei fast allen Banken obendrauf. Bei typischen Anlagebeträgen von Privatanlegern ist daher eine Quellensteuerrückforderung oft sinnlos. Das drückt die Nachsteuerrenditen französischer Aktien empfindlich (siehe "Musterrechnung").
Zusätzliche Schwierigkeit für deutsche Anleger in diesem Jahr: Da der auf die deutsche Abgeltungsteuer anrechenbare Quellensteuersatz erst zum 1. Juli von 15 auf 12,8 Prozent gesenkt wurde, hat man ihnen bis zum 30. Juni zu viel Quellensteuer angerechnet. Die Banken sind aber nicht verpflichtet, die Abrechnung des ersten Halbjahres nachträglich zu korrigieren. Privatanleger haben daher in aller Regel mehr Arbeit mit ihrer Steuererklärung 2018.
"Sie können den im ersten Halbjahr zu viel angerechneten Anteil französischer Quellensteuer ausschließlich über ihre Steuererklärung nachversteuern", sagt Iris Ade. Den Anlegern bleibt also vor allem dies: Haben sie französische Aktien im Depot, sollten sie sich ihre Jahresendbelege diesmal besonders genau ansehen. Und sie können sich merken, dass Monsieur Macron zwar gern reformiert, am Ende aber nicht unbedingt alles einfacher wird.
Musterabrechnung zur neuen Quellensteuer in Frankreich (pdf)
Steuer-ABC für Globalanleger
+ Anleger mit inländischem Wohnsitz sind mit allen weltweit erzielten Kapitalerträgen in Deutschland steuerpflichtig.
+ Hält man Wertpapiere in einem Inlandsdepot, kümmert sich die Bank um den Steuerabzug. Liegen die Papiere in einem Auslandsdepot, muss man die Erträge in der Steuererklärung nachmelden.
+ Steuerfrei bleiben Erträge in Höhe des Sparerpauschbetrags für Ledige (801 Euro) und Verheiratete (1602 Euro). Hat man seiner inländischen Bank rechtzeitig einen Freistellungsauftrag erteilt, behält die Bank in dessen Rahmen keine deutschen Steuern ein.
+ Ist der Sparerpauschbetrag ausgeschöpft, werden 25 Prozent Abgeltungsteuer fällig. Hinzu kommen 5,5 Prozent Solidaritätszuschlag und je nach Bundesland acht oder neun Prozent Kirchensteuer.
+ Auf dem internationalen Börsenparkett gelten die gleichen Spielregeln. Allerdings erheben viele Staaten zusätzliche Quellensteuern.
+ Ein Freistellungsauftrag verhindert den Quellensteuerabzug im Ausland nicht.
+ Ausländische Quellensteuern werden im Regelfall bis zur Höhe von 15 Prozent automatisch auf die in Deutschland fällige Abgeltungsteuer von 25 Prozent angerechnet. Für Frankreich beträgt dieser Satz de facto seit dem 1. Juli 2018 nur noch 12,8 Prozent.
+ Übers Jahr angefallene, aber noch nicht angerechnete Quellensteuern trägt die Bank für den Sparer in einem eigenen Verrechnungstopf bis zum Jahresende vor, um sie mit seiner Steuerschuld auf später zufließende Kapitalanlagen zu verrechnen.
+ Am Jahresende ungenutzte Quellensteuer wird in der Steuerbescheinigung aufgeführt. Anleger können sie über die Steuererklärung mit den Erträgen bei einer anderen Bank verrechnen lassen. Ist das nicht möglich, verfällt die Quellensteuer.
+ Kleinsparer, die keine Steuern zahlen müssen, bleiben auf ihren im Ausland berappten Quellensteuern sitzen, weil die vorgesehene Steueranrechnung ins Leere läuft.
_________________________
Weitere News
Bildquellen: LEWEB/Flickr/CC BY 2.0, Daniela Staerk / Shutterstock.com