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Erbschaftsteuer: Achtung Erben, aufgepasst!

08.07.17 03:00 Uhr

Erbschaftsteuer: Achtung Erben, aufgepasst! | finanzen.net

Ein Jahr nach der Reform ist die Bilanz ernüchternd. Die Parteien schmieden in ihren Wahlprogrammen schon neue Pläne für die Abgabe.

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von Stefan Rullkötter, Euro am Sonntag

Wolfgang Schäuble kann ein kleines Jubiläum feiern: Am 1. Juli gelten seit genau einem Jahr neue Steuerregeln für Erben und Beschenkte, die der Bundesfinanzminister im vergangenen Jahr rückwirkend und federführend mit durchgesetzt hat.



Kernpunkt von Schäubles Erbschaftsteuerreform waren Übertragungen von Unternehmen auf die nächste Generation, bei denen möglichst keine Arbeitsplätze verloren gehen sollen. Erben von Betrieben mit bis zu fünf Beschäftigten zahlen deshalb auch weiterhin keine Erbschaftsteuer. Nachfolger größerer Firmen können sich die Abgabe ebenfalls ersparen - wenn sie das Geschäft mindestens sieben Jahre weiterführen und weniger als 26 Millionen Euro Betriebsvermögen erben.

Obwohl es 2016 mit sieben Milliarden Euro Rekordeinnahmen bei Erbschaft- und Schenkungsteuern gab, fällt die Reformbilanz in ­Expertenkreisen eher ernüchternd aus: "Die Neuregelung hat bei der Übertragung von Betrieben alles noch komplizierter gemacht, ohne dass irgendwer davon einen greifbaren Nutzen hätte", kritisiert Anton Steiner, Präsident des Deutschen Forums für Erbrecht.


Probleme macht in der Praxis etwa die Abgrenzung zwischen "bösem" Verwaltungsvermögen und "gutem" Produktivvermögen. Eine volle Befreiung von der Erbschaftsteuer ist seit der Reform nur möglich, wenn das Verwaltungsvermögen nicht über 20 Prozent des Betriebsvermögens ausmacht.

Schwierigkeiten bereitet auch der starre "Kapitalisierungsfaktor", mit dem die Finanzverwaltung die Höhe der Steuer für Firmenerben berechnet. Dazu wird das Betriebsergebnis des Unternehmens mit 13,75 multipliziert - ­unabhängig davon, ob der maßgebliche Zeitraum ein geschäftliches Ausnahmejahr oder eher Durchschnitt war.


"Auch Einzelunternehmer werden durch die Reform diskriminiert - ihre Erbschaftsteuerlast ist jetzt der von ­Kapitalgesellschaften angeglichen", bemängelt Michael Bonefeld, Fachanwalt für Erbrecht in München. Es sei für viele Bürger nicht nachvollziehbar, wieso es manchmal einfacher ist, Millionenvermögen steuerfrei zu übertragen, "normales" Vermögen dagegen nicht.

Überraschung für Immobilienerben

Das bekommen auch Erben von nicht selbst genutzten Häusern und Eigentumswohnungen zu spüren. "Besonders bitter ist die Erbschaftsteuer für Immobilieneigentümer in Regionen mit hohen Marktpreisen - die Erbschaftsteuerfreibeträge sind hier sehr schnell überschritten", weiß Rechtsanwalt Steiner aus seiner beruflichen Praxis. Die Folge: Betroffene Erben geraten regelmäßig in Liquiditätsprobleme, wenn sie die fälligen Abgaben entrichten müssen. Als Ausweg bleibt dann in vielen Fällen nur, die geerbte Immobilie schleunigst zu verkaufen.

Gerechtigkeitsdebatte flammt auf

Aber auch für den Fiskus hat die Reform eine unerfreuliche Kehrseite: Die Erbschaftsteuereinnahmen werden voraussichtlich dieses Jahr nicht mehr so stark sprudeln, weil viele Firmeninhaber ihre ohnehin geplanten Betriebsübergänge auf 2016 vorgezogen haben - aus Furcht vor Steuernachteilen.

Gute Gründe für die Parteien, ihre Erbschaftsteuerkonzepte im Bundestagswahlkampf zu befeuern (siehe unten). "Das Thema eignet sich nicht für Neiddebatten", warnt Erbrechtexperte Bonefeld. Dabei hinterlässt die Erbschaftsteuer in ihrer bisherigen Form tatsächlich eine gewaltige Gerechtigkeitslücke: "Sie ist eine reine Mittelstandssteuer, kleine Erbschaften werden wegen der hohen Steuerfreibeträge für nahe Angehörige - richtigerweise - nicht belastet, sehr große Erbschaften können sich in die Steuerbefreiungen für Betriebsvermögen flüchten, wenn man beispielsweise mit mehr als 25 Prozent an einem DAX-Konzern beteiligt ist", moniert Rechtsanwalt Steiner.

Steuerflatrate als Alternative

Da die Wiedereinführung einer Vermögensteuer, wie sie Die Linke und die Grünen vehement fordern, schon wegen des hohen Verwaltungsaufwands kaum durchsetzbar scheint, dürfte die nächste Bundesregierung erneut an der Erbschaftsteuer schrauben. Nach der Wahl könnte eine Steuerflatrate mit einem niedrigen Einheitssteuersatz zwischen zwei und sieben Prozent, aber ohne Steuerfreibeträge wieder auf die politische Agenda gelangen.

"Der Vorschlag ist nach wie vor aktuell - und die einzig praktikable Lösung für einen Weg aus der bestehenden Misere", meint Steiner. Geringe Steuersät­ze könnten die Bewertungsdiskussionen entschärfen und teure Umgehungskonstruktionen unattraktiv machen. "Kombiniert mit Stundungsregelungen, führt dies dazu, dass niemand im Erbfall sein Unternehmen oder auch eine Immobilie verkaufen muss", wirbt Steiner. Und unterm Strich würde der Fiskus mit der Erbschaftsteuer mindestens so viel Geld einnehmen wie bisher.

Abzuwarten bleibt, ob sich Wolfgang Schäuble für dieses Steuerkonzept erwärmen kann - sofern er auch nach der Wahl Bundesfinanzminister bleibt.

CDU/CSU:

Bundeskanzlerin Angela Merkel lehnt eine Erhöhung der Erbschaftsteuer wie auch die Wiedereinführung einer Vermögensteuer kategorisch ab. Mit der Union werde es auch keine Kommission geben, mit der man nach der Bundestagswahl beides prüfen werde, betont Merkel. Die unter Federführung von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble umgesetzte Erbschaftsteuerreform 2016 soll bleiben. Die Schwesterpartei CSU fordert dagegen, die Abgabe nach der Bundestagswahl zu regionalisieren. Bayerns Finanzminister Markus Söder kämpft für individuelle Erbschaftsteuersätze und Steuerfreibeträge in jedem Bundesland.

SPD:

Herausforderer Martin Schulz will die Erbschaftsteuer erneut reformieren und Vergünstigungen für Firmenerben streichen: Diese müssten sich "stärker an der Finanzierung des Staats beteiligen". Alle reichen Erben sollen höhere Abgaben zahlen, Familien dagegen verschont bleiben. Die Weitergabe von Eigentum in der Familie soll wie bisher durch großzügige Erbschaft- und Schenkungsteuer­freibeträge abgabenfrei möglich sein: "Das normale Haus der Eltern oder Großeltern ist von der Erbschaftsteuer nicht betroffen." Die hohen Steuerfreibeträge für Ehepartner und Kinder könnten aber moderat gesenkt werden.

Bündnis 90 / Die Grünen:

Wichtiger als eine sofortige Erhöhung der Erbschaftsteuer ist den Grünen die Einführung einer "verfassungsfesten, ergiebigen und umsetzbaren Vermögenssteuer für Superreiche". Sollte die im Vorjahr verabschiedete Erbschaftsteuerreform erneut vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern, wollen sie laut Wahlprogramm ein "einfaches und ­gerechtes Erbschaftsteuermodell ent­wickeln, das mit dem Grundgesetz ­übereinstimmt". Damit sollen besonders ­Unternehmensnachfolger höher besteuert und bestehende Vergünstigungen gestrichen werden. Auch reiche Privat­erben sollen mehr Steuern zahlen.

Die Linke:

Das Erbschaftsteuergesetz soll "sozial gerecht" reformiert werden - durch höhere Abgaben auf große Erbschaften. Ziel: fünf Milliarden Mehreinnahmen pro Jahr. Die unterschiedlichen Vermögensarten sollen steuerlich gleich behandelt, alle Begünstigte einen einheitlichen Freibetrag von 150.000 Euro erhalten. ­Dieser verdoppelt sich für Erben ab 60, minderjährige Kinder und überlebende amtliche Partner. Zudem soll der Erbschaftsteuertarif vereinheitlicht werden - bei 60 Prozent Spitzensatz. Kernforderung ist die Einführung einer fünfprozentigen Vermögensabgabe ab zwei Millionen Euro - die erste wird freigestellt.

Freie Demokraten:

Die Liberalen fordern, dass bei allen Erbschaften zwischen Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern künftig keine Erbschaftsteuern mehr erhoben werden ("Weitergabe von erarbeiteten Vermögen"). Eine höhere Besteuerung von Firmenerben wird im FDP-Wahlprogramm kategorisch ausgeschlossen: Für Unternehmen sei eine Besteuerung der Unternehmenssubstanz grundsätzlich schädlich. Deshalb lehnen die Liberalen die Wiedereinführung einer Vermögensteuer und eine weitere Verschärfung der Erbschaftsteuer ab. Dadurch sollen "Unternehmen in Deutschland gehalten und Arbeitsplätze gesichert werden".

Alternative für Deutschland:

Die Erbschaftsteuer soll komplett ab­geschafft werden. Damit macht die AfD vermögenden Erben ein Wahlgeschenk. Durch hohe Steuerfreibeträge für Ehegatten oder amtliche Partner (500.000 Euro) und Kinder (400.000 Euro) zahlen derzeit lediglich 14 Prozent aller Begünstigten die Abgabe - nur jede fünfte Erbschaft in Deutschland hat einen Wert von mehr als 250.000 Euro. Und selbst genutzte Immobilien bleiben für Angehörige bei der Erbschaftsteuer zudem außen vor. Auch will die AfD das "Bank- und Steuergeheimnis wiederherstellen". Bisher müssen Banken im Erbfall Konten und Depots den Finanzämtern melden.

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