Euro am Sonntag-Service

Crowdinvesting boomt: Achtung, Risiken lauern!

21.07.18 01:00 Uhr

Crowdinvesting boomt: Achtung, Risiken lauern! | finanzen.net

Internet-Plattformen bringen Anleger mit Unternehmern und Projekt-Entwicklern zusammen. Doch Vorsicht: Die Investments bergen teils erhebliche Risiken.

von Ulrich Lohrer, Euro am Sonntag

"Wir ermöglichen Investoren, in vielversprechende Wachstumsunternehmen und Start-ups zu investieren", heißt es bei Companisto, einer Crowdinvesting-Plattform, die 2017 mehr als zehn Millionen Euro Anlegerkapital einsammelte. Entsprechend der Vision einer neuen Gründerzeit, heißt es weiter, stellten Schwärme (Crowds) von Anlegern den Kreativen Kapital für ihre Start-ups und Projekte zur Verfügung. Beide Seiten würden profitieren.



Konkret funktioniert das Crowd­investing nach dem Prinzip von Internet-Marktplätzen, die Anleger (Kapitalgeber) mit Unternehmern und Projektentwicklern (Kapitalnehmer) zusammenbringen. Im vergangenen Jahr wurde in Deutschland laut "Crowd­invest Marktreport 2017" über solche Plattformen mit Kleinbeträgen ab 500 Euro eine Summe von 200 Millionen Euro investiert. Seit dem ersten erfassten Crowdinvestment im Oktober 2011 bis zum Juni 2018 stellten die Schwärme eine halbe Milliarde Euro bereit. Damit ist das Crowdinvestment zwar noch eine Nische am Kapitalmarkt, doch ein Segment, das rasant wächst.

Der Schwarm finanziert typischerweise in den Bereichen Unternehmen, Immobilien und Energie. Dabei belegen Unternehmen nach Immobilien und vor Energie nur noch den zweiten Platz. "Statt der ursprünglichen Idee, über die Crowd Eigen- und Risikokapital für kreative Start-up-Firmen bereitzustellen, dominieren nun Finanzierungen von Nachrangdarlehen für Immobilienprojekte", stellt Steffen Sebastian, Professor für Immobilienfinanzierung an der Universität Regensburg, fest. "Viele Anleger halten die Kombination einer scheinbar sicheren Immobilienanlage mit dem Abschluss über eine provisionsfreie Internetplattform für besonders sexy."


Grund für die vielen Immobilien­finanzierungen dürften die bisher deutlich höheren Ausfallquoten bei den Unternehmens- im Vergleich zu den Immobilieninvestments sein. Laut der Datenbank Crowdinvest.de fielen bislang 7,3 Millionen der investierten 518,8 Millionen Euro aus. Das entspricht einer Quote von 1,4 Prozent. Bei Immobilien kam es laut Datenbank noch zu keinem Ausfall. Nur 0,2 Prozent des investierten Kapitals in diesem Sektor gilt aufgrund eines Insolvenzfalls in Berlin (Projekt: Wohnungsanlage Luvebelle) als gefährdet. Die insolventen Entwickler hatten sich unter anderem über die Plattform Zinsland Geld besorgt.

Verbraucherschützer warnen davor, Crowdinvesting-Anlagen als sicheres Investment anzusehen. "Die Anlagen über die Crowdfunding-Plattformen bergen insbesondere für Kleinanleger hohe Risiken, die sie oft nicht einschätzen können", sagt Judit Maertsch, Projektleiterin und Finanzberaterin beim Verbraucher Service Bayern im Katholischen Deutschen Frauenbund in Würzburg. So fehlen immer wieder wichtige Informationen. Doch auch wenn sie darüber verfügen, könnten Anleger die spezifischen Marktrisiken von Immobilienprojekten an einzelnen Standorten oder von Geschäftsmodellen von Start-up-Unternehmen kaum sachgerecht beurteilen.

Die Zinsen sind zu niedrig

"Das Ausfallrisiko für Crowdlending und Crowdinvesting ist sehr hoch", bestätigt Steffen Sebastian. Dies gelte auch für den Bereich Immobilien. Hier stellt die Crowd einem Bauträger in der Regel nur nachrangig besichertes Kapital bereit. Während die Banken ihr Darlehen nur bis 80 Prozent des Beleihungswerts der Immobilie erstrangig im Grundbuch absichern, bekommen die Crowdlender im Insolvenzfall von ihrem Geld nur etwas zurück, wenn die Konkursmasse die Bankforderungen übersteigt. Viele Anleger sind sich vermutlich gar nicht bewusst, wie niedrig der vermeintlich hohe Zins im Verhältnis zum eingegangenen Risiko ist. "Eine durchschnittliche Verzinsung von vier bis sechs Prozent, wie sie beim Crowdlending für Nachrangdarlehen üblich ist, ist relativ schlecht, da professionelle Geldgeber für ein vergleichbar gering abgesichertes Kapital eine wesentlich höhere Ver­zinsung von zehn bis 15 Prozent erhalten", erklärt Sebastian.

Diese Profis nehmen zuvor eine genaue Risikoprüfung vor, die sich wegen des Aufwands aber oft erst ab etwa zweistelligen Millionen-Euro-Beträgen rechnet. Sie investieren daher nicht in Immobilienprojekte wie beim Crowdlending, deren Durchschnittssumme bei einer Million Euro liegt.

Die Anlagen der Crowds zählen zum unregulierten Kapitalmarkt (Graumarkt). Daran hat sich wenig geändert, obwohl der Gesetzgeber 2015 nach der Prokon-Pleite mit dem Kleinanlegerschutzgesetz eingriff und den Markt durch eine Prospektpflicht etwas reguliert hat. Zugleich erweiterte er die Befugnisse der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin).

Das Crowdinvesting unterliegt zwar dem Kleinanlegerschutzgesetz, doch wurden den Plattformen Privilegien eingeräumt. So müssen Kapitalnehmer bei einer Fundingsumme von unter 2,5 Millionen Euro keinen umfassenden Prospekt erstellen. Dafür müssen sie bei der Finanzaufsicht Bafin ein zweiseitiges Vermögensinformationsblatt (VIB) hinterlegen, das in der Regel auch über die Plattform für die Anleger einsehbar und erhältlich ist.

Nichtssagende Infoblätter

Andreas Oehler, Professor für Finanzwirtschaft an der Universität Bamberg, hat rund 400 bei der Bafin hinterlegte VIB ausgewertet. "Die bestehenden VIB stellen keine guten Verbraucherinformationen dar, sondern enthalten oft nur Leerformeln", sagt er. "Vor allem eine klare und verständliche Angabe zum Verschuldungsgrad wird oft vermieden", warnt er. Gefährlich ist aber vor allem, so das Ergebnis seiner Befragungen der Kleinanleger, dass diese die Aussagen in den VIB oft völlig falsch einschätzen. "Die VIB erzeugten bei den Anlegern die Illusion, gut über das Produkt informiert zu sein", so Oehler.

Dabei könnten VIB mit klaren Angaben, etwa zum Verhältnis Eigenkapital zu Fremdkapital, den Anlegern wichtige Informationen zum Risiko geben. Klare Vorgaben vom Gesetzgeber wären wünschenswert, zumal ohnehin Änderungen am Kleinanlegerschutzgesetz im Gespräch sind. So erwägen Union und SPD, die Immobilien von den Privilegien des Gesetzes wieder auszunehmen, da dieser Markt ohnehin boomt. Der Fokus der Crowd würde dann wieder stärker auf der ursprünglichen Idee der Unternehmensfinanzierung liegen - einem Feld für professionelle Start-­up-Spekulanten. Kleinanleger sollten davon besser die Finger lassen. "Mit Fonds können sie die Risiken weit besser streuen", rät Verbraucherberaterin Maertsch.

Crowdfunding in Deutschland 2017 (pdf)




_________________________

Bildquellen: NeydtStock / Shutterstock.com, HerrBullermann / Shutterstock.com