Euro am Sonntag-Serie

1x1 der Geldanlage: So gelingt der Vermögensaufbau!

19.10.18 01:00 Uhr

1x1 der Geldanlage: So gelingt der Vermögensaufbau! | finanzen.net

Sparen und Anlegen zahlen sich aus. ­Trotzdem verschenken die ­Deutschen oft die besten ­Chancen. Wie der Einstieg ­gelingt. Neue Serie - Teil 1.

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von Julia Groß, Euro am Sonntag

Wer zum ersten Mal einen Berg besteigen will, fängt nicht mit dem Mount Everest an. Wer nicht schwimmen kann, benutzt erst einmal Hilfsmittel wie Schwimmbretter, um sich über Wasser zu halten. Ganz ähnlich ist es bei der Geldanlage: Auch Investieren will gelernt sein.



Die Deutschen sind zwar große Sparer, aber sie verschenken dabei oft die besten Chancen. Weil sie sich nicht trauen, weil sie zu wenig informiert sind, weil es ein lästiges Thema ist. Doch angesichts sinkender Renten und immer noch niedriger Zinsen ist es heute wichtiger denn je, sinnvoll zu sparen und sein Kapital gewinnbringend anzulegen. Deshalb führt €uro am Sonntag in dieser und den folgenden Wochen in die Grundprinzipien der Geldanlage ein.

Am Anfang steht die Frage, warum überhaupt Geld gespart beziehungsweise angelegt werden soll. Das scheint trivial, doch wer sein Ziel nicht genau definiert, kann bei der Umsetzung leicht ins Schleudern geraten. Aus dem Ziel folgen in der Regel der angepeilte Betrag und der Anlagehorizont, und daraus wiederum lässt sich eine geeignete Anlageform ableiten.

Erster Schritt: Das Ziel definieren

Konkret: Wer für eine neue Waschmaschine spart, wird dafür in der Regel nicht an der Börse investieren. Ebenso beim neuen Auto, wo viele durchaus sinnvolle Finanzierungsalternativen zur klassischen Geldanlage existieren.

Anders sieht es etwa beim Sparen für die Ausbildung der Kinder oder für die eigene Altersvorsorge aus. Hier verfügen Anleger üblicherweise über genug Zeit, um das Geld für sich arbeiten zu lassen. Insbesondere bei der Altersvorsorge gibt es auch einen konkreten Ansatzpunkt, der hilft, das Ziel zu definieren: die jährliche Mitteilung der Deutschen Rentenversicherung an alle Versicherten, die mindestens 28 Jahre alt sind und fünf Jahre Beitragszahlungen geleistet haben.



"Das Hauptproblem der Ruhestandsplanung ist, dass die meisten Menschen nicht wissen, welche Aus­­gaben sie als Rentner tatsächlich haben werden", sagt Rolf Tilmes, Vorstandsvorsitzender des Financial Planning Standards Board Deutschland. Es gibt Untersuchungen, wonach die meisten Menschen in Deutschland allein die Ausgaben für Lebenshaltungskosten im Alter deutlich zu niedrig ansetzen - vom Risiko möglicher Pflegekosten gar nicht zu reden.

Früh starten lohnt sich

Legt man eine Analyse der Ruhr-Universität Bochum zugrunde, sind Rentner mit ihrer finanziellen Situation zufrieden, wenn die Altersvorsorge bei über 87 Prozent des Nettoeinkommens vor Renteneintritt liegt. Die Standmitteilungen dürften deutlich machen, dass die gesetzliche Rente dafür nicht ausreicht. Nach Angaben des Instituts für Altersvorsorge und Finanzplanung (IVFP) wird die Lebensstandardlücke im Alter bei Arbeitnehmern mindestens 40 Prozent betragen. Bei Selbstständigen und Freiberuflern wird es wohl eher noch mehr sein.

Mit diesen Eckzahlen lässt sich recht gut der Bedarf ermitteln - heraus kommt ein meist sechsstelliger Betrag, der manch einem unerreichbar erscheint. An diesem Punkt muss man sich darüber klar werden, dass solche Summen allein durch das "Beiseite­legen" von Geld schwer angesammelt werden können. Das funktioniert nur, wenn das angesparte Kapital verzinst wird. Und es wird deutlich, welch immense Bedeutung dem Zeitraum zukommt, der für die Geld­anlage zur Verfügung steht. Wer früher anfängt, erarbeitet sich relativ schnell einen uneinholbaren Vorteil.

Grund dafür ist der Zinseszins, angeblich einmal von Albert Einstein als "stärkste Kraft im Uni­versum" und "achtes Weltwunder" bezeichnet. Wenn erhaltene Zinsen dem vorhandenen Kapital zugeschlagen und fort­an mitverzinst werden, ergibt sich im Idealfall ein exponentielles Wachstum des Guthabens. Auf der Grafik oben ist das gut zu erkennen: Der 35-jährige Sparer kommt ohne Zinsen nach regelmäßiger Einzahlung über 30 Jahre auf etwas mehr als 35.000 Euro (blaue Linie). Erhält er jedoch im Durchschnitt sechs Prozent Zinsen, wächst sein Vermögen unter Berücksichtigung des Zinseszins­effekts im gleichen Zeitraum auf fast 100.000 Euro an.

Argumente sprechen für Aktien

Dieser Effekt macht sich umso stärker bemerkbar, je länger gespart wird. Wie die Grafik zeigt, hat der 45-Jährige trotz des eineinhalbmal so hohen Sparbetrags bei konstanter Verzinsung von sechs Prozent keine Chance, den Anleger einzuholen, der insgesamt zehn Jahre länger investiert. Immerhin liefern ihm Zins und Zinseszins fast doppelt so viel Kapital wie reines Sparen.

Sicher sind das idealisierte Berechnungen. Doch die beiden Grundannahmen stimmen immer: Ohne Verzinsung und Zinseszins sind keine großen Sprünge möglich. Und je früher man mit der Geldanlage loslegt, desto besser.

Doch wo findet man eine lohnende Verzinsung? Es wird nicht überraschen, dass €uro am Sonntag als Finanzzeitung mit starkem Fokus auf die Börse zu einem Engagement in Aktien rät. Warum führt unserer Meinung nach kein Weg an Aktien vorbei? Weil sie langfristig schlicht die beste Rendite erzielen. Tatsächlich sind die sechs Prozent Verzin­sung aus unserem Grafikbeispiel nicht aus der Luft gegriffen: Sie entspricht etwa der durchschnittlichen jährlichen Rendite einer Anlage in ein breit gestreutes Aktienportfolio über 20 Jahre.

Das Risiko begrenzen

Ein langfristiger Anlagehorizont ist gleichzeitig auch ein hervorragender ­Risikopuffer bei Aktieninvestments: Nehmen wir etwa eine Haltedauer von 15 Jahren an. In den vergangenen 49 Jahren hätten Anleger damit zu jedem Zeitpunkt eine positive Rendite erzielt, wenn sie in den MSCI-World-Index investiert hätten. Es war also unmöglich, mit dieser Anlage Verluste zu machen, wenn man sich 15 Jahre lang gedulden konnte. Gleiches gilt übrigens auch für den DAX. Behält man die Titel noch länger, verschiebt sich die Wahrscheinlichkeit zugunsten höherer Renditen.

Natürlich ist die Vergangenheit keine Garantie dafür, dass auch in Zukunft über eine Periode von mehr als 15 Jahren kein Verlust zu erwarten ist. Die Frage ist, ob einen das von Aktieninvest­ments abhalten sollte. Was gleichzeitig bedeutet, sich mit niedrigen bis hin zu negativen Renditen zu begnügen. Eine negative Rendite - oder klar ausgedrückt: einen Verlust - erleidet aktuell bereits jeder Anleger, der sein Kapital zu winzigen Zinsen auf dem Tagesgeldkonto parkt. Denn bei einer Inflationsrate von aktuell rund zwei Prozent schrumpft das Vermögen, anstatt zu wachsen.

Rendite ohne Risiko gibt es nicht. Anleger, die sich damit schwertun, können jedoch ihr Depot so strukturieren, dass auch sie ruhig schlafen und dennoch ordentliche Kapitalzuwächse realisieren. Wie genau man seine Investments auf sein persönliches Risikoprofil abstimmt und ob es tatsächlich einzelne Aktien, Aktienfonds oder ETFs sein sollen, erfahren Sie in den kommenden Folgen unserer Serie.

Die Vorteile eines langen Anlagehorizonts kommen jedoch nur zum Tragen, wenn das investierte Kapital nicht angefasst wird. Das führt nach der Definition des eigenen An­lageziels und der Dauer zu der letzten prinzipiellen Überlegung, die vor jedem Investment stehen sollte: Wie viel Geld soll man einsetzen?

Wer an die schwindelerregenden Zahlen der Versorgungslücke denkt, dürfte spontan mit "So viel wie möglich" antworten. Doch das ist keine gute Idee. Denn wenn größere Reparaturen, andere unvorhergesehene Ausgaben oder gar ein Jobverlust dazu führen, dass das Depot angezapft werden muss, sind alle Überlegungen und Berechnungen für die Katz. Ein erzwungener Verkauf birgt nicht nur die Gefahr, dass er zu einem kurstechnisch ungünstigen Zeitpunkt kommt, man unter Umständen also sogar weniger Geld herausbekommt, als man eingezahlt hat. Er bedeutet auch einen womöglich gar nicht mehr aufholbaren Rückschlag, und das ursprüngliche Anlageziel lässt sich nicht mehr erreichen.

Nur verfügbares Einkommen nutzen

Damit das nur im äußersten Notfall passiert, sollten Anleger prüfen, wie hoch ihr verfügbares Einkommen ist. Dieses errechnet sich, indem die Aus­gaben von den Einnahmen abgezogen werden. Lebenshaltungskosten wie Miete, Hypothekenrate, Versicherungen, Lebensmittel und sonstige Anschaffungen müssen genauso berücksichtigt werden wie Urlaub, Kommunikation und Mobilität. Und: Schuldentilgung hat Vorrang vor der Geldanlage.

Wichtig ist auch, das verfügbare Einkommen bei Veränderungen in der Familiensituation, etwa bei der Geburt von Kindern, einem Woh­nungs- oder Jobwechsel neu zu berechnen. Von Bedeutung ist zudem eine Liquiditätsreserve für unvorhergesehene Ereignisse. Allgemein rechnet man mit zwei bis drei Nettomonatsgehältern, die typischerweise auf einem Tagesgeldkonto geparkt werden. Je nach Lebensstandard und Lebenssituation darf es aber auch mehr sein.

Auch kleine Beträge lohnen

Gerade zu Beginn der beruflichen Laufbahn kann die Summe, die übrig bleibt, klein ausfallen. Ein Grund, sich mit der Geldanlage noch Zeit zu lassen, ist dies jedoch nicht, im Gegenteil. Wie die Grafik auf Seite 43 zeigt, entgeht einem Anleger mit jedem Jahr, das er später mit dem Investieren beginnt, bares Geld. ETF-Sparpläne fangen bereits bei Beiträgen von zehn Euro pro Monat an, die Einzahlungen lassen sich jederzeit nach oben anpassen.

Durch regelmäßiges Sparen kann man sogar Vorteile aus den Schwankungen an der Börse ziehen: Mal kauft man zu höheren, mal zu niedrigeren Preisen - auf Dauer senkt das den Durchschnittskurs und federt das Risiko von Kursschwankungen ab.

In der nächste Ausgabe:

Welcher Anleger-Typ sind Sie? Wie viel Risiko jemand bei der Geldanlage eingehen möchte, hängt nicht nur von Anlageziel und Zeithorizont ab, sondern auch von der ganz persönlichen Einstellung. Wer glaubt, sich zu kennen, wird bei realen Verlusten oft eines Besseren belehrt. In der zweiten Folge unserer Geldanlage-Serie können Sie anhand eines Tests Ihre Risiko- affinität besser einschätzen. Außerdem: Tipps, wie Sie das Risiko in Ihrem Depot begrenzen und häufige Fehler vermeiden.






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Bildquellen: TijanaM / Shutterstock.com, Marian Weyo / Shutterstock.com

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