Prozent-Trickser: So übertreiben die Lebensversicherer bei der Verzinsung der Policen
Bald geben die Lebensversicherer ihre Verzinsungen für 2019 bekannt. Die Erfahrung zeigt: Manche greifen tief in die Trickkiste.
Werte in diesem Artikel
von Martin Reim, Euro am Sonntag
Bescherung schon vor Weihnachten: Wer eine Lebensversicherung besitzt, kann sich bereits im Advent über Gaben freuen. Die Anbieter veröffentlichen traditionell in den kommenden Wochen, wie sie ihre Kunden an den Kapitalerträgen beteiligen.
Die jeweils genannten Werte, oft als Überschussbeteiligung bezeichnet, werden für das kommende Jahr gutgeschrieben. Als erster Akteur hat sich in dieser Woche die AXA gemeldet und eine laufende Verzinsung von 2,9 Prozent bekannt gegeben.
Viele Medien, auch €uro am Sonntag, erstellen aus diesen Prozentzahlen gern Rennlisten: Wer ist der beste Anbieter? Wer der schlechteste? Was ist der Marktdurchschnitt?
Das Problem: Es ist fast unmöglich für den Laien, diese Zahlen richtig zu deuten. Zum einen gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Begriffe (siehe Glossar). Zum Zweiten ist es den einzelnen Anbietern freigestellt, wie sie die veröffentlichten Daten errechnen - der Gesetzgeber hat hier nichts festgelegt. Es existieren lediglich einige brancheninterne Standards. Viele Akteure orientieren sich daran, doch die fehlende Einheitlichkeit führt zu teilweise erheblichen Verzerrungen.
AXA als extremes Beispiel
Diese lassen sich am besten anhand der normierten Verzinsung zeigen. Unter diesem Titel hat die Ratingagentur Assekurata festgelegt, wie die laufende Verzinsung errechnet werden soll. Assekurata fragt die Werte jedes Jahr bei den Anbietern ab. Ergebnis für 2018: Von 24 Teilnehmern sind bei gerade mal sieben der normierte und der offiziell ausgewiesene Wert identisch. Bei einem ist der offizielle ein bisschen besser, beim Rest schlechter. Im Klartext: Die Mehrheit der erfassten Versicherer präsentiert sich muskulöser, als es bei zurückhaltender Selbstdarstellung angemessen wäre (siehe PDF-Tabelle).
Am extremsten ist es bei der AXA und der mit ihr verbundenen Deutschen Ärzteversicherung. Bei der AXA, immerhin siebtgrößter Lebensversicherer Deutschlands, beträgt die Abweichung 0,68 Prozentpunkte. Da mutet es skurril an, dass das Unternehmen in einer aktuellen Pressemitteilung von einer laufenden Verzinsung "deutlich über Markt" spricht. Bei der Deutschen Ärzteversicherung klaffen die Werte sogar um 0,73 Prozentpunkte auseinander.
Beide Akteure weisen also rund ein Drittel zu viel aus, wenn man es beispielsweise mit der konservativen Darstellung beim Marktführer Allianz vergleicht. Bei der Sparkassen-Versicherung Sachsen ist es immerhin etwa ein Viertel mehr, bei der LV 1871 ungefähr ein Zehntel.
Die Abweichung beruht im Wesentlichen auf der unterschiedlichen Berechnung des Kundenvermögens, auf das sich der Prozentsatz bezieht. Hintergrund: Das tatsächliche Vermögen zu nehmen, wäre nicht sinnvoll. So sind neue Verträge anfangs im Minus, weil sofort Abschlusskosten abgezogen werden. Ist das kalkulatorische Kundenvermögen (bei identischen tatsächlichen Summen) relativ hoch, fällt der Prozentsatz geringer aus und umgekehrt.
Beispiel: Anbieter A und Anbieter B geben aus den Kapitalanlagegewinnen jeweils 200 Euro weiter. Anbieter A rechnet mit einem Kundenvermögen von 10.000 Euro, dann ergeben 200 Euro eine Überschussbeteiligung von zwei Prozent. Bei Anbieter B beträgt die Basis nur 9.000 Euro, sodass 200 Euro in diesem Fall eine Rendite von 2,22 Prozent darstellen.
Eine AXA-Sprecherin beruft sich auf diese Unterschiede und spricht von einem "komplexen Zusammenspiel verschiedener Kosten- und Überschusssätze". Sie weist den Vorwurf zurück, ihr Haus wolle sich einen ungerechtfertigten optischen Vorteil gegenüber der Konkurrenz verschaffen. Auch die Sparkassen-Versicherung Sachsen ist sich keiner Schuld bewusst und verweist auf eine Untersuchung, wonach branchenweit mindestens acht verschiedene legale Berechnungswege der Überschussbeteiligung existieren.
Fühlen sich die zurückhaltend kalkulierenden Versicherer schlecht behandelt? Ein Allianz-Sprecher sagt, sein Unternehmen äußere sich grundsätzlich nicht zu Konkurrenten. Ein Vertreter der Nürnberger erklärt, man sehe sich nicht benachteiligt, andere Versicherer äußern sich ähnlich.
Sollte es verpflichtende Regeln geben? Ein Sprecher des Versichererverbands GDV erklärt, man sehe sich in dieser Frage nicht zuständig. Eine klare Ansage macht der scheidende Finanzexperte der Grünen im Bundestag, Gerhard Schick: "Im Sinn der Transparenz und Vergleichbarkeit sollte es einheitliche Vorgaben geben." Seine Begründung: "Einzelne Unternehmen stehen in der Öffentlichkeit vergleichsweise besser da, als dies gerechtfertigt ist." Das verzerre den Wettbewerb. "Schließlich ziehen potenzielle Kundinnen und Kunden auch Schlüsse aus der Verzinsung, die von den Unternehmen bekannt gegeben wird."
Experten verweisen darauf, dass eine Reform im Zuge der Diskussion um die sogenannten Standmitteilungen erfolgen könnte. Diese Mitteilungen gehen jedes Jahr an alle Besitzer einer Kapitallebens- oder privaten Rentenversicherung mit gesetzlichem Garantiezins. Die Unternehmen informieren kurz und formell, welche Höhe das Kundenvermögen erreicht hat und wie die zu erwartende Rendite ausfallen wird.
Die Politik sieht das Problem
Dennoch wurden viele Kunden aus den Briefen bisher kaum schlau, weshalb der Gesetzgeber zum 1. Juli 2018 die Anforderungen deutlich steigerte. Er machte allerdings keine Vorgaben zur jährlichen Überschussbeteiligung in Prozent. Carsten Brodesser (CDU), Finanzexperte der Unions-Bundestagsfraktion, sagt, man wolle die Rückmeldungen zur Reform abwarten. "Je nach Resonanz könnten sich daraus neue Normierungsbestrebungen ergeben." Auch er sieht das Problem: "Es gibt viele Spielräume bei der Berechnung, und jeder Versicherer kann diese nutzen."
Tipp: Wenn es um die Entscheidung geht, bei welchem Lebensversicherer man eine Police mit Garantiezins abschließen soll, kann man auf keinen standardisierten Prozentsatz zurückgreifen. Stattdessen sollte man sich von verschiedenen Anbietern die sogenannte prognostizierte Ablaufleistung, manchmal auch illustrierte oder beispielhafte Ablaufleistung genannt, vorrechnen lassen. Sie zeigt in Euro und Cent, was inklusive Kosten bei Vertragsende zusammenkommen würde, wenn die aktuelle Überschussbeteiligung bis Vertragsende jährlich weiter gälte. Es besteht dann allerdings noch die - sehr große - Unsicherheit, wie hoch die künftigen Überschussbeteiligungen ausfallen. Aber zumindest der Ist-Stand ist vergleichbar.
Kunden mit laufenden Verträgen haben keine Möglichkeit zu vergleichen, wie realistisch die öffentlich genannten Prozentsätze sind. Sie sehen lediglich mit Verzögerung in den Standmitteilungen, wie sich ihr Guthaben in Euro und Cent entwickelt hat.
Normierte versus ausgewiesene Verzinsung (pdf)
Glossar:
Geht es um Lebensversicherungen, sind viele Prozentzahlen im Spiel - hier wichtige Begriffe in alphabetischer Reihenfolge. Alle beziehen sich auf den Sparanteil, also Kundenguthaben abzüglich Kosten. Wären die Brutto-Einzahlungen der Kunden der Maßstab, würden sämtliche Werte geringer ausfallen.
Ausgewiesene Verzinsung: Die laufende Verzinsung, wie sie die Versicherer alljährlich für das nachfolgende Jahr offiziell bekannt geben.
Bewertungsreserven: Differenz zwischen Buchwert und aktuellem Wert der Kapitalanlagen. Werden
seit einer Gesetzesänderung kaum mehr ausgeschüttet.
Garantiezins: Gesetzlich festgelegt, beträgt derzeit maximal 0,9 Prozent.
Gesamtverzinsung: Weitgehend analog zu Überschussbeteiligung.
Laufende Verzinsung: Was der Versicherer - inklusive garantierter Verzinsung - für das jeweils kommende Jahr verbindlich zusagt. Lag für 2018 im Durchschnitt bei 2,47 Prozent. Ist für viele neue Verträge niedriger als für alte mit hohem Garantiezins.
Normierte Verzinsung: Von der
Ratingagentur Assekurata vorgeschlagene Berechnungsmethode
für die laufende Verzinsung.
Überschussbeteiligung: Im üblichen Sprachgebrauch die Summe aller Varianten, mit denen Kunden an den Renditen der Kapitalanlagen teilhaben. Analoger Begriff ist Gesamtverzinsung. Die Überschussbeteiligung ist vor allem als Renditemaß für klassische Policen mit Garantiezins bekannt. Auch bei vielen modernen Varianten spielt sie eine Rolle, etwa bei Indexpolicen. Hier kann der Kunde an der Entwicklung eines
Index teilhaben oder sich die Überschussbeteiligung sichern.
Schlussüberschuss-Beteiligung: Was der Versicherer zwar für ein bestimmtes Jahr zusagt, aber am Ende der Vertragslaufzeit komplett oder teilweise rückgängig machen kann.
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