Euro am Sonntag-Meinung

Die Immobilienwirtschaft wird digital

21.06.18 17:30 Uhr

Die Immobilienwirtschaft wird digital | finanzen.net
Karl-Josef Schneiders

Durch die Digitalisierung ausgelöste Trends verändern unser Leben und damit auch die Anforderungen an zeitgemäße und zukunftsträchtige Immobilien nachhaltig. Worauf Investoren vor diesem Hintergrund achten sollten.

von Karl-Josef Schneiders, Gastautor von Euro am Sonntag

Digitalisierungsprozesse haben schon lange Einzug in unseren Alltag gehalten. Während der Immobiliensektor in Deutschland wie auch in anderen Ländern Kontinentaleuropas die vielfältigen digitalen Möglichkeiten erst in Ansätzen ausschöpft, ist der Prozess in anderen Regionen wie den USA, Großbritannien, den skandinavischen Ländern oder Australien schon etwas weiter fortgeschritten. Dabei stellen immer mehr Nutzer neue Anforderungen an Gebäude, um ihre Geschäfte effizient abzuwickeln. Immobilienbesitzer, die die Bedürfnisse nach Objekten der digitalen Generation erfüllen können, sind klar im Vorteil im Wettbewerb um Mieter und spätere Immobilienkäufer.



So setzt eine moderne Büroimmobilie nicht mehr allein auf Energieeffizienz. Immer stärker ist eine hohe Flächenflexibilität gefragt, in deren Rahmen sich der Mitarbeiter täglich je nach Aufgabe für einen anderen Arbeitsplatz entscheiden kann. Die Einzelarbeit kann in einem abgeschirmten Bereich für hohe Konzentration oder in einem Gemeinschaftsbereich gewählt werden, der den spontanen Austausch fördert. Das Homeoffice wird immer mehr zum integralen Bestandteil von Raumkonzepten. Zudem stehen Flächen mit Technik für Besprechungen sowie Zonen für soziale Begegnungen und die informelle Kommunikation zur Verfügung.

Des Weiteren gewinnen Ruhezonen an Bedeutung. Da heutzutage die Ansprüche gut ausgebildeter Mitarbeiter an das Arbeitsumfeld steigen, sind flexible und hochwertige Flächen ein Pluspunkt im Rekrutierungsprozess. Ältere Büroimmobilien können diese Flexibilität ohne größere Umbaumaßnahmen häufig nicht bieten, denn sie wurden oftmals auf die unterschiedlichen Branchen wie Banken, sonstige Dienstleistungen oder staatliche Mieter ausgerichtet.


Auch ganze Geschäftskonzepte bauen auf die Flächenflexibilität. Schon seit Längerem haben sich Business-Center etabliert, die Unternehmen neben Flächen vor allem Konferenzräume und ­Büroservices bieten. Jüngst wird dieses Konzept durch sogenannte Coworking-Anbieter ergänzt, die sich mit trendigen Locations auf die Nachfrage von jungen Firmengründern stützen. Aber auch große Unternehmen mieten sich dort inzwischen ein. Solche Konzepte werden zukünftig eine praktikable Lösung für kleine Unternehmen darstellen, die sich damit die benötigte Flexibilität erhalten können.

Darüber hinaus bieten sie temporäre Möglichkeiten für den Mittelstand und für Großunternehmen, die beispielsweise einen zusätzlichen Standort für projektbezogene Tätigkeiten suchen. Der Erfolg einer Immobilie hängt daher an verschiedenen zentralen Standorten wie London, Paris oder den deutschen Topstandorten auch davon ab, wie flexibel sie gleichzeitig von mehreren Unternehmen genutzt werden kann.

Modernste Gebäudetechnik
bietet viele Vorteile

Mit dem Internet der Dinge (Internet of Things) gewinnt das Thema Digitalisierung eine weitere Dimension in der ­Immobilienwirtschaft: Smart Building heißt das Stichwort. Durch die Installierung von Sensoren und automatische Messungen können Daten in Echtzeit erfasst und zu einer automatischen Steuerung der Gebäude genutzt werden. Die Kombination von Technologie und Real Estate verbessert hier das Assetmanagement. Das beginnt bei der Energieeffi­zienz, etwa durch die Kopplung von Wetterprognosen mit der Gebäudetechnik oder der automatischen Abschaltung von Beleuchtung oder Beamern. Prinzipiell kann aber die gesamte Innen­einrichtung Daten in Realtime messen und diese durch Machine-Learning-­Algorithmen analysieren.

Auf der einen Seite erhöht sich dadurch der Nutzen für den Mieter, auf der anderen Seite erhält der Eigentümer zeitnah Informationen über Mieterverhalten und Nutzungsdaten. Neubauten können direkt mit den gewünschten Features ausgestattet werden. Bei Bestandsobjekten kann eine Aufrüstung solcher Maßnahmen in den Business­plänen berücksichtigt und nach und nach umgesetzt werden.

Auch bei Einzelhandels- oder Logistikimmobilien hat die Digitalisierung erste Spuren hinterlassen. So hat der E-Commerce Multi-Channel-Konzepte ausgelöst, die für eine Nachfrage nach kleineren Flächen wie Mini-Shops, Pick-up-Points oder Showrooms in den Innenstädten sorgen. Gleichzeitig werden durch den Onlinehandel neue Logistikkonzepte benötigt, auch da Logistik­immobilien immer näher an Stadtzen­tren heranrücken.

Durch die Umwälzungen der Einzelhandelslandschaft stehen außerdem kleinere Fachmarktzentren mit lokaler Abdeckung im Fokus, die eine wachsende Anzahl von Mietern beherbergen, die bisher ihre Standorte in den Innenstädten oder Einkaufszentren hatten. Während für die Kunden bei solchen Einzelhandelsformaten die Möglichkeit des "One-Stop-Shoppings" sowie die kostenfreien Parkplätze entscheidend sind, werden Investoren und Mieter durch verhältnismäßig niedrige Kosten, die flexible Flächengestaltung und die bessere Logistikstruktur angezogen.

Auch bei indirekten Anlagen zählt die digitale Strategie Die Berücksichtigung der neuen Trends durch die Digitalisierung ist nicht nur bei direkten Investitionen in Immobilien relevant. Bei indirekten Anlagen wie bei Immobilienaktien, Real Estate Investment Trusts (REITs), Offenen und Geschlossenen Immobilienfonds kommt für Investoren dazu, dass sie prüfen müssen, inwieweit eine Digitalisierungsstrategie beim Ankauf und der Verwaltung des Immobilienbestands umgesetzt wird. So sollten Vermögensverwalter dies im Rahmen von Interviews und Fragebögen adressieren.

Da die Digitalisierungsstrategie oft in Zusammenarbeit mit externen Partnern umgesetzt wird und diese im Markt bekannt sind, kann anhand dieser Partnerschaften erkannt werden, inwieweit dieses Thema bereits umgesetzt wird. Besteht ein spezialisierter Chief Digitalisation Officer mit einem unabhängigen Team, ist das ein weiteres positives Signal.

Auch aus der Kommunikation zum Unternehmen und den Produkten können Anleger ablesen, wie die Digitalisierungsstrategie verankert ist. Letztens erkennt man eine Plattform, die in der Digitalisierung Fortschritte gemacht hat, auch an ihrer Fähigkeit, wie schnell und umfassend sie Daten zu Track ­Record, Vermietungen, Mieterstruktur, Gebäudestruktur und Energieverbrauch zur Verfügung stellen kann.

zum Gastautor:

Karl-Josef Schneiders, Head Global Real Estate EMEA
bei Credit Suisse Global Real Estate

Schneiders ist Geschäftsführer der CSAM Immobilien KAG, verantwortet das Immobi­liengeschäft der Credit Suisse in Europa und ist Mitglied des Global Real Estate Business Committees. Vor seinem Eintritt in die Credit Suisse 2014 bekleidete er ­verschiedene Managementpositionen, zum Beispiel bei Verianos, Corpus Sireo, Morgan Stanley und der Citibank.




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Bildquellen: Eisenhans/Fotolia, Credit Suisse Global Real Estate