ifo-Präsident Fuest: Weniger Steuer für Wohnungen
Grundsteuer: In die Debatte um die Grundsteuerreform kommt Bewegung. Das ifo-Institut rät zum Flächenmodell. Was es bringen würde.
von Bernhard Bomke, €uro am Sonntag
Die Zeit läuft. Nachdem das Bundesverfassungsgericht im April die Praxis für grundgesetzwidrig erklärt hatte, die Grundsteuer auf der Basis von Einheitswerten aus den Jahren 1964 (Westdeutschland) und 1935 (Ostdeutschland) zu erheben, muss bis Ende 2019 ein neuer Modus her. Während eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Reform der Steuer offenbar noch nicht weit gekommen ist, prescht Clemens Fuest, Präsident des Münchner ifo-Instituts, vor. In einer Analyse für die Verbände Haus & Grund und Zentraler Immobilien Ausschuss kommt er zu dem Ergebnis, nichts sei so gut wie ein Modell ohne aufwendige Bewertungen.
€uro am Sonntag: Herr Fuest, Sie sprechen sich für das Flächenmodell aus. Warum?
Clemens Fuest: Immobilienwerte als Bemessungsgrundlage zu verwenden, würde die Einzelbewertung von 35 Millionen Immobilien erfordern. Etwa alle fünf Jahre müsste neu bewertet werden. Der Aufwand wäre extrem hoch, der Nutzen gering. Man sollte die Einfachheit der Steuer in den Vordergrund stellen. Deshalb favorisieren wir eine Grundsteuer, deren Bemessungsgrundlage eine Kombination aus Grundstücks- und Gebäudefläche ist.
Die meisten Bundesländer hatten sich zuletzt für eine andere Variante, das sogenannte Kostenwertmodell, ausgesprochen. Davon halten Sie nichts?
Für eine wertbasierte Grundsteuer wird angeführt, sie sei gerechter. Das überzeugt nicht. Die Grundsteuer ist eine Objektsteuer, bei der die wirtschaftliche Lage der Bewohner keine Rolle spielt. Ob eine verarmte Witwe in einem Einfamilienhaus lebt oder ein Millionär, spielt für die Grundsteuer keine Rolle.
Was würde sich durch das Flächenmodell für Eigentümer und Mieter konkret ändern - und vor allem: Für wen würde es teurer und für wen billiger?
Wie viel Steuer man zahlt, hängt davon ab, welchen Steuerhebesatz die Gemeinden wählen, ob sie diesen im Zuge einer Reform anpassen, und wie die Immobilie bisher im Rahmen des Einheitswertverfahrens bewertet war. Da die Einheitsbewertung mit den realen Verhältnissen oft wenig zu tun hatte, kann man kaum systematisch vorhersagen, wer gewinnt und wer verliert. Tendenziell dürften Bewohner von Einfamilienhäusern etwas mehr zahlen, vor allem, wenn sie große Grundstücke haben. Ähnliches gilt für Gewerbeimmobilien mit viel Fläche. Menschen, die in Wohnungen leben, würden dagegen vermutlich etwas weniger belastet.
Die Reform soll nach dem Willen der Bundesregierung nicht zu Steuererhöhungen führen. Würde der Staat mit dem Flächenmodell eher mehr oder weniger als die 13,3 Milliarden Euro einnehmen, die die Grundsteuer für Grundstücke zuletzt jährlich brachte?
Das hängt wesentlich davon ab, wie die Gemeinden bei den Hebesätzen reagieren. Wenn sie den Schwerpunkt darauf legten, die Verlierer der Reform zumindest teilweise zu entlasten, würde das Aufkommen aus der Steuer in Summe sinken. Ob die Kommunen das allerdings tun, ist schwer vorherzusagen.
Ihre Prognose: Auf welche Grundsteuerreform werden sich Bund und Länder verständigen?
Ich könnte mir vorstellen, dass man eine Kombination aus Bodenrichtwerten und Gebäudeflächen als Bemessungsgrundlage verwendet, weil viele eine Wertkomponente wollen. Das wäre ein guter Kompromiss. Hauptsache, wir ersparen uns eine aufwendige und überflüssige Ermittlung von Marktwerten für 35 Millionen Immobilien.
Reformmodelle
Flächenmodell:: Maßgeblich für die Berechnung der Grundsteuer sind ausschließlich die Flächen von Grundstück und aufstehenden Gebäuden.
Kostenwertmodell:: Die Höhe der Grundsteuer wird aus zwei Faktoren abgeleitet: dem Wert des Grundstücks und den angenommenen Herstellungskosten für die aufstehenden Gebäude.
Bodenwertmodell:: Hier ist allein der Wert des Grundstücks relevant für die Höhe der zu zahlenden Grundsteuer. Ob auf dem Grundstück ein Gebäude steht, spielt ausdrücklich keine Rolle.
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Bildquellen: Axel Griesch fuer Finanzen Verlag