Erbrecht: "Kein Unterschied zwischen analog und digital"
06.09.18 17:30 Uhr
Nachlass: Das BGH-Urteil schafft Klarheit, löst aber nicht alle Fragen zu digitalen Inhalten beim Erbe.
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€uro am Sonntag: Wie war der Zugriff auf den digitalen Nachlass bislang geregelt?
Stephanie Herzog: Der Zugriff war bislang gar nicht geregelt. Der Bundesgerichtshof hat aber mit seinem Urteil vom 12. Juli 2018 klargestellt, dass die allgemeinen Regeln zur Rechtsnachfolge von Todes wegen auch für den digitalen Nachlass gelten. Es bedarf daher keiner Sonderregelung für den digitalen Nachlass.
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Worin lag der Unterschied zwischen einem Brief und digitaler Kommunikation?
Der BGH hat klargestellt, dass in rechtlicher Hinsicht kein Unterschied zu machen ist. Dies war vorab in der juristischen Literatur umstritten. Von manchen wurde ein Unterschied darin gesehen, dass bei einem Brief, der im Haus liegt, der Zugang der Erben hierzu automatisch gegeben war, wenn sie Zugang zum Haus hatten. Bei digitaler Kommunikation sind hingegen die Provider zwischengeschaltet, die den Zugang gewähren oder eben auch verweigern können. Manche gingen davon aus, dass das Vertragsverhältnis zwischen Provider und Erblasser den Provider dazu anhalten könnte, den Erben den Zugriff zu verweigern. Dieser Ansicht hat der BGH nunmehr eine Absage erteilt.
Müssen nun das Fernmeldegeheimnis und das Telekommunikationsgesetz angepasst werden?
Das dürfte nach der BGH-Entscheidung entbehrlich sein. Der BGH hat klargestellt, dass das Telekommunikationsgesetz und damit das Fernmeldegeheimnis nicht betroffen sind. Da die Argumente allgemein waren, dürfte dies über Facebook hinaus gelten.
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Muss Facebook nun nachbessern - etwa bei den Bestimmungen für den Gedenkzustand?
Letztlich sind die Regeln über den Gedenkzustand nach dem BGH unwirksam. Zwar stehen diese bei Facebook noch in den FAQs, sie gelten aber nicht mehr. Eine Anpassung an die Rechtsprechung des BGH ist schon deshalb vorzunehmen, um den Anwender nicht falsch zu informieren und in die Irre zu führen. Es bleibt abzuwarten, ob Facebook versuchen wird, neue, das Erbrecht einschränkende AGB zu generieren. Die Grenze für die Wirksamkeit solcher Einschränkungen hat der BGH aber hoch angesetzt.
Was passiert eigentlich mit lokalen Daten? Dürfte ein Erbe auch einen Computer "knacken" lassen, wenn er die Zugangsdaten nicht hat?
Die Erben haben das Recht, auf lokal gespeicherte Daten zuzugreifen. Auch der Computer des Verstorbenen gehört ihnen nach dem Erbgang. Damit können sie diesen auch hacken lassen, um an die Daten zu kommen, so wie sie auch einen eigenen PC hacken lassen könnten, wenn sie sich nicht mehr an das Passwort erinnern. Bisher hätte auch keiner behauptet, die Erben würden sich der Sachbeschädigung schuldig machen, wenn sie ein Sparschwein zertrümmert hätten, um an das ersparte Geld darin ranzukommen.
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Was bedeutet das BGH-Urteil für Social-Media-Nutzer?
Das Urteil bedeutet vor allem Rechtsklarheit und -sicherheit. Es steht nunmehr fest, dass die Erben Zugriff auf die Inhalte haben, was für die Nachlassabwicklung unabdingbar ist. Damit darf ein Erblasser auch künftig davon ausgehen, dass seine Rechtsbeziehungen nach seinem Tod ordnungsgemäß abgewickelt und weitergeführt werden. Sorge davor, dass seine Daten nunmehr preisgegeben sind, braucht keiner zu haben; denn es geht ja nicht darum, dass die Daten nunmehr schutzlos allen zugänglich gemacht werden, sondern nur den Erben. Das sind diejenigen, die der Erblasser selbst bestimmen kann. Sie sind es, die nach dem Tod die Rechte des Erblassers wahrnehmen - auch gegenüber Facebook und Co. Der digitale Nachlass macht uns noch einmal bewusst, dass die Auswahl der Erben mit Bedacht zu erfolgen hat. Wer die Erben nicht die elektronische Post aussortieren lassen möchte, dem ist es unbenommen, einen Testamentsvollstrecker einzusetzen.
Gibt es im Erbrecht noch weitere ungelöste Fragen, die durch die digitalen Medien entstanden sind?
Das BGH-Urteil hat vieles geklärt. In der Tat ist aber auch nach dem Urteil unklar, ob es rechtens ist, die Vererblichkeit von E-Books und etwa Musikdateien auszuschließen. Die Tendenz des Urteils fortgedacht, meine ich aber nein.
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