Dem Publikum geöffnet

Family Office: Unternehmerisch investieren

15.03.15 03:00 Uhr

Family Office: Unternehmerisch investieren | finanzen.net

Strategien und Investments eines Family Office sind in aller Regel nicht öffentlich. Doch es gibt eine Ausnahme: Reimann Investors Advisory.

Die Vermögensverwaltung von Mitgliedern der Unternehmerfamilie Reimann hat sich mit der Deutsche Kontor Privatbank sogar dem Publikum geöffnet. Die Gastautoren Cornelia Klesse und Michael Riemenschneider von Euro am Sonntag gewähren Einblicke.

Es gibt viele Wege und Strategien, Erfolg am Kapitalmarkt zu suchen. Es gibt nicht allzu viele, ihn über einen längeren Zeitraum auch zu haben. Die Herausforderungen dabei sind denen eines Unternehmers vergleichbar. Zu dessen essenziellen Aufgaben gehört es, Chancen zu erkennen und sie zu nutzen, ohne die Unternehmenssubstanz zu riskieren. Im Klartext heißt dies, dass ein langfristig denkender Unternehmer keine Maschine anschaffen wird, deren Preis seine finanziellen Möglichkeiten übersteigt oder deren Nutzen nicht dem Wert entspricht. Überwiegen die Chancen, geht ein Unternehmer das Risiko ein - aber immer unter Wahrung der Substanz. Ganz ähnlich funktioniert dies auch an der Börse.

Natürlich ist das weder eine neue noch eine überraschende Erkenntnis. Dennoch bildet dieses Prinzip die Grundlage für jede langfristig Erfolg versprechende Investitionsentscheidung, für Unternehmer wie auch für Kapitalmarktinvestoren - so auch für Reimann Investor Advisory. Das Family Office verwaltet das Vermögen von Mitgliedern der Unternehmerfamilie Reimann. Diese stiegen Ende der 1990er-Jahre aus dem früheren Familienunternehmen, zu dem unter anderem eine wesentliche Beteiligung am Markenkonzern Reckitt Benckiser gehört, aus.

Ihre Motivation für die Gründung eines ­eigenen Family Office war es, ihr Kapital nach eigenen Kriterien und Wertvorstellungen anzulegen. Dazu gehören einerseits Investitionen in Start-ups mit nachhaltigen Erfolgs­aussichten, andererseits das Engagement am Kapitalmarkt - mit ebenso unternehmerischer Ausrichtung. Mit der Zeit äußerten immer mehr Freunde, Bekannte und Geschäftspartner der Familie den Wunsch, ihr Kapital in gleicher Weise anlegen zu können. Als Konsequenz wurde 2011 die Deutsche Kontor Privatbank gegründet.

Das oberste Ziel
eines Family Office

Aber wie agiert ein Family Office am Kapitalmarkt? Antwort: streng unternehmerisch. Oberstes Ziel ist stets der Vermögenserhalt, das Bewahren der Substanz. Im Umkehrschluss bedeutet dies keineswegs, dass Risiken vermieden werden - im Gegenteil. Das wäre eben nicht unternehmerisch. Aber es gilt, mit dem Fuß nicht dauernd voll aufs Gas zu steigen, Risiken also zu begrenzen und überschaubar zu halten. Anders gesagt: Wer Gas gibt, muss sich auf seine Bremsen verlassen können.

Privatinvestoren zahlen oft Lehrgeld, bis ihr Gasfuß sensibel genug geworden ist. ­Jedem, der sich am Kapitalmarkt engagiert, sollte vor allem eines klar sein: Eine wesentliche Voraussetzung für nachhaltigen Erfolg ist, große Fehler zu vermeiden. Niemand ist gefeit vor einem Irrtum, nur sollte daraus kein folgenschwerer Schaden entstehen, sprich ein großer Kapitalverlust. Hier begehen Privatinvestoren oft einen ersten großen Fehler - sie schneiden Verluste nicht diszi­pliniert und konsequent ab. Fehlervermeidung beginnt bei Risikomanagement und Controlling. Das ist keine aufwendige Angelegenheit: Für den durchschnittlichen Privatanleger ­genügt es, einmal im Monat ins Depot zu schauen und enge Stoppkurse zu setzen. Wir platzieren unsere Stopps grundsätzlich nur fünf bis acht Prozent unter dem jeweils aktuellen Kurs. Das trägt dazu bei, konsequent zu handeln.

Ein weiterer typischer Fehler ist die Neigung zu Extremen. Ist der Markt euphorisch, ist es der Anleger auch - und umgekehrt. Ein Auge wird gern geschlossen. Besser ist es, den Markt immer mit beiden Augen und somit neutral zu bewerten. Ein wesentlicher Teil dessen ist die Analyse sowohl der Fundamentaldaten als auch der Marktdynamik. Letztlich gilt hier die Binsenweisheit: Der Markt hat immer recht, selbst wenn er irrational agiert. Geht es aber zu dynamisch in eine Richtung, kann es sich lohnen, sich rechtzeitig diesem Trend zu verweigern. Hier liegt ­übrigens der wohl größte Unterschied zum Unternehmertum: Die Zufallskomponente am Kapitalmarkt ist deutlich größer als in der Welt der realen Wirtschaft.

Lokales Denken gehört ebenso zu den großen Fehlern. Hier dient der DAX als gutes Beispiel. Nüchtern betrachtet hatte der DAX 2014 zwar viel Bewegung, aber keine positive ­Dynamik. Es war kaum möglich, mit ihm Geld zu verdienen. Wer globaler denkt, handelt in der Regel lukrativer. So ziehen wir seit Längerem etwa den US-Aktienmarkt dem europäischen vor. Wobei es durchaus Anzeichen gibt, dass sich die Gewichtung in nächster Zeit wieder verschieben könnte.

Die Gesamtsituation ist klar: Wir befinden uns in einem "Aging Bull Market", einer fortgeschrittenen Aktienhausse. Niemand weiß, wie lange es bei den Kursen noch Anlass gibt, zu steigen. Klar ist aber auch: Der Markt ist nie eine Wiederholung der Vergangenheit. Alle Versuche, aus Kursen von gestern die Entwicklung für morgen herauszulesen, sind müßig. Daher lautet einer unserer wesentlichen Grundsätze, stark zu diversifizieren und das Portfolio sehr breit aufzustellen. Mit einer Ausnahme: Der Abwärtstrend des Rohstoffmarkts wird andauern, er ist aus unserer Sicht momentan uninteressant.

Wir sprechen stets nur von Märkten und nicht von Einzeltiteln, denn unsere zwei Grundfragen lauten: Welchen Anteil der Portfolios wollen wir aktuell in Aktien investieren? Und in welchen Ländern und Sektoren wollen wir wie hoch investiert sein? Letztendlich geht es darum, weltweit die dynamischsten und fundamental interessantesten Märkte zu identifizieren. Auf die einzelnen Aktien oder Anleihen kommt es dabei letztlich nicht an, entscheidend ist vielmehr, auf die richtigen Märkte zu setzen. Man hat dies im Jahr 2014 sehr eindrucksvoll am Performance-­Unterschied von Europa und den USA gesehen: Während der DAX um lediglich 2,6 Prozent gestiegen ist, hat der Nasdaq eine Wertsteigerung von 19,1 Prozent erreicht.

Unser bevorzugtes Anlagevehikel sind ETFs. Sie stellen eine kostengünstige und ­ effektive Möglichkeit dar, in eine ganze ­Region, ein Land oder einen Sektor zu investieren. Aktiv gemanagte Fonds gehören nur in Ausnahmefällen zu unserem Portfolio. Gleiches gilt für einzelne Aktien.

Die erweiterte
Core-Satellite-Strategie

Konkret bedienen wir uns einer erweiterten Core-Satellite-Strategie. Der Core, das Kern­investment, bildet das Fundament des Portfolios. Ziel des Cores ist grundsätzlich hohe Stabilität, geringes Risiko und ein stabiler Beitrag. Er besteht aus zwei Drittel des Investitionsvermögens und setzt sich zu etwa gleichen Teilen aus Aktien und Anleihen zusammen. Den Aktienanteil spiegeln ETFs auf den MSCI All Country World mit rund 2.400 Titeln wider, den Rentenanteil ETFs auf den iBoxx EUR Sovereigns TR, der Anleihen aus zwölf Ländern beinhaltet und in Euro notiert. Innerhalb der Aktienkerninvestments werden zu dessen Optimierung nach einem eigenen System die dynamischsten Regionen und Sektoren übergewichtet.

Die Satellite-Investments sind eine Auswahl besonders attraktiver Aktien- und Anleihe-Investitionen, die zu einer Outperformance führen sollen. Wir investieren rund ein Drittel des Gesamtvermögens in fünf bis zehn solcher Satelliten. Derzeit sind wir beispielsweise im weltweiten Gesundheitswesen und in Technologie in Aktien übergewichtet. Während der Eurokrise 2012 waren wir dagegen stark in nichteuropäischen Unternehmensanleihen investiert.

Neben der Core-Satellite-Strategie nutzen wir durch ein sehr schnell anpassbares Overlay Marktchancen oder reduzieren - falls ­erforderlich - Risiken. Die Umsetzung erfolgt vorwiegend über Futures. Mit dieser Strategie haben wir auf Sicht von zwölf Monaten eine Rendite von 19,8 Prozent erreicht (Stand 28.02.2015). Und das stets unter Einhaltung der obersten Maxime: niemals die Substanz gefährden.

Kurzvitas

Cornelia Klesse, Vorstand der
Deutsche Kontor Privatbank

Cornelia Klesse ist Vorstand der Deutschen Kontor Privatbank AG in Grünwald bei München. Sie ist Vermögensberaterin mit langjähriger Erfahrung in der Betreuung vermögender Privatkunden und war zuvor u. a. für die DJE Kapital AG, Hauck & Aufhäuser Privatbankiers sowie bei der Deutschen Bank tätig.

Michael Riemenschneider, Geschäftsführer der
Reimann Investors Advisory

Dr. Michael Riemenschneider ist Aufsichtsratsvorsitzender der Deutsche Kontor Privatbank AG und Geschäftsführer des Family Office der Eigentümerfamilie. Er ist sowohl für die Kapitalmarktinvestitionen als auch für die unternehmerische Direktbeteiligung des Family Office Reimann Investors verantwortlich und vertritt dessen Interessen in mehreren Aufsichtsräten und Gremien. Seine Laufbahn begann er bei der Boston Consulting Group.

Bildquellen: Deutsche Kontor Privatbank, Deutsche Kontor Privat