Beratungstest: Bloß kein Risiko
Wer spekulieren will und auf lukrative Tipps seiner Bank hofft, wird oft enttäuscht. In den Geldhäusern regiert die Vorsicht.
von Markus Hinterberger, Euro am Sonntag
Ich glaubte, ich hör nicht recht", empört sich Fritz Henke nach einem Gespräch mit einem Kundenbetreuer der Berliner Volksbank. Der Grund: Henke (Name von der Redaktion geändert) wollte 20.000 Euro bei der Bank anlegen, allerdings mit vollem Risiko. "Ich erzählte dem Berater, dass ich mein Geld gern komplett in Aktien und Optionsscheine stecken möchte", berichtet der Berliner. Die Antwort des Bankers brachte ihn dann auf die Palme: Wenn er wolle, könne er gern bei der Bank ein Depot eröffnen und auf eigene Faust spekulieren, aber beraten könne man ihn dabei nicht.
Kein Einzelfall. So erklärte ein Berater der Stadtsparkasse Düsseldorf, dass es eine Vorgabe der Geschäftsleitung gebe, grundsätzlich keine spekulativen Produkte zu empfehlen. Auch hier hieß es sinngemäß, wer spekulieren will, möge das doch bitte auf eigene Verantwortung tun.
Wie in den vergangenen beiden Jahren hat €uro am Sonntag gemeinsam mit dem Deutschen Kundeninstitut (DKI) die Anlageberatung in deutschen Bankfilialen getestet. Um ein möglichst breites Bild zu bekommen, sind auch in diesem Jahr wieder anonyme Testkunden mit drei unterschiedlichen Legenden losgezogen. Einer von ihnen war Fritz Henke. Er gab sich als Kunde aus, der seine komplette Anlagesumme in Wertpapiere stecken will und das Risiko eines Totalverlusts einkalkuliert. Die zweite Gruppe der Musterkunden sollte erklären, dass sie ihr Geld zwar mehren will, aber - wenn überhaupt - nur geringe Verluste verkraften könnte. Die dritte Gruppe mimte konservative Kunden, die völlig auf Werterhalt aus sind. Rendite spielte bei ihnen nur eine untergeordnete Rolle.
Gemeinsam war diesen drei Testtypen nur die Anlagesumme von 20.000 Euro, der Anlagezeitraum von acht Jahren und der Wunsch, im Notfall möglichst schnell wieder an das Geld kommen zu können. Das zentrale Ergebnis der insgesamt 435 Kundenkontakte in den Geschäftsstellen von 14 Filialbanken: Die Berater vor Ort gehen häufig lieber auf Nummer sicher, als riskante Produkte zu empfehlen. "Je anfälliger ein Produkt oder Wertpapier für Schwankungen ist, desto eher lassen Banken die Finger davon", sagt DKI-Geschäftsführer Jörn Hüsgen.
Gebrannte Kinder
Ein Blick in die jüngere Vergangenheit zeigt die Gründe für dieses Gebaren: Durch die Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers verloren rund 50.000 deutsche Anleger Hunderte Millionen Euro. Die Lehman-Zertifikate in ihren Depots verfielen wertlos. Die Folge: Mahnwachen enttäuschter Anleger, zahlreiche Prozesse und noch mehr außergerichtliche Vergleiche. In der breiten Öffentlichkeit galten Banken und ihre Mitarbeiter fortan als rücksichtslose Geschäftemacher, die unter anderem arglosen Rentnern riskante Derivate als sichere Geldanlage verkaufen. Kein Wunder, dass viele Berater seitdem von spekulativen Produkten die Finger lassen.
Protokolle sollten das Beratungsproblem lösen. Die Idee der damaligen Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner: Wenn ein Kunde die Beratungssituation schwarz auf weiß belegen kann, hat er es vor Gericht leichter, seine Ansprüche gegen die Bank durchzusetzen. Doch was gut gemeint war, erwies sich als weiterer schwerer Schlag gegen die Beratung. Einerseits stöhnen die Institute und ihre Mitarbeiter über den Verwaltungsaufwand - und unsere Testkunden über lange Gespräche -, andererseits kritisieren Verbraucherschützer die Mitschriften als Persilschein für die Banken. "Da der Berater das Protokoll schreibt, kann er es so gestalten, dass die Bank vor Gericht in jedem Fall gut wegkommt", sagt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.
Festgeld für Spekulanten
Die Auswirkungen konnten unsere Testkunden am eigenen Leib erfahren. So bekamen die offensiven Kunden bei der Targobank Festgeld empfohlen. An sich ist gegen Festgeld nichts einzuwenden, denn ein solches Konto ist transparent und dank der Einlagensicherung äußerst sicher. Für einen Kunden, der spekulieren und nach Möglichkeit schnell an sein angelegtes Geld kommen will, ist es aber eine denkbar schlechte Idee.
Ähnlich ungeeignet war die Empfehlung für einen offensiven Kunden bei der Sparda Bank Hamburg: ein Bausparvertrag. Die Sparda-Bank Hessen riet einem offensiven Testkäufer zu einer Kapitallebensversicherung. Da tut sich die Postbank geradezu wohltuend hervor. Hier wurden den Testern ausschließlich Aktienfonds von der DWS und von M & G empfohlen. Gleiches gilt für die Deutsche Bank, die HypoVereinsbank und zahlreiche Regionalbanken im Test.
Selbst wenn die Empfehlungen zum Kundenprofil passen, schöpfen die Berater noch lange nicht das volle Universum der Anlagemöglichkeiten aus. So wurden in keinem der Testgespräche kostengünstige Indexfonds (ETFs) empfohlen. Für Verbraucherschützer Nauhauser ist der Fall klar: "An ETFs verdient die Bank weniger."
Auch Zertifikate wurden keinem Kunden ans Herz gelegt. Ebenso bemerkenswert: "Über die empfohlenen Produkte lässt sich erkennen, bei welcher Bank der Kunde war", stellt DKI-Chef Hüsgen fest. Das heißt: Bei Sparkassen häufen sich Fonds der Dekabank, die auch zum Sparkassen- und Giroverband gehört. Volksbanker empfehlen gern Fonds der Tochtergesellschaft Union Investment, und bei der Postbank und deren Muttergesellschaft Deutsche Bank gibt es oft Produkte der DWS. Schließlich gehört die Fondsgesellschaft zum Konzern.
Probleme mit dem Kundenprofil
Bei den renditeorientierten Kunden beherrschten Misch- oder Rentenfonds die Gespräche. Aber auch hier gab es Ausreißer. So empfahl ein Berater der Deutschen Bank einem solchen Kunden einen Bausparvertrag - trotz der Bitte, ein Produkt zu wählen, bei dem er jederzeit sein Geld wieder abziehen könne.
Während bei den offensiven und renditeorientierten Kunden eher zu vorsichtig beraten wurde, hatten die Tester, die keine Verluste machen und immer liquide bleiben wollten, eher das gegenteilige Problem: Ein Aktienfonds, wie er zum Beispiel bei der Münchner Bank empfohlen wurde, oder Rentenfonds und Mischfonds, wie sie etwa in einem Gespräch bei der Sparda-Bank Hamburg offeriert wurden, passen nicht zum Profil des konservativen Kunden.
Auch bei der dritten Kundengruppe zeigte sich, dass die Berater die Vorgabe, schnell wieder ans Geld zu können, nicht besonders ernst nahmen. Festgeldkonten mögen zwar für einen Anleger, der auf Werterhalt setzt, eine Option sein, sind aber nicht flexibel. Passende Angebote waren hier etwa ein Tagesgeldkonto, wie von der Targobank empfohlen, ein Sparbuch von der HypoVereinsbank oder Genossenschaftsanteile, wie sie die Volksbank Düsseldorf-Neuss anbot. Diese sind sicher und bieten mit Glück sogar noch ein bisschen Rendite.
Unterm Strich steht dennoch ein leicht positives Fazit: Es zeigt sich, dass die Banken sich im Vergleich zu den Ergebnissen aus den Vorjahren langsam, aber stetig wandeln und mehr auf die Kundenwünsche eingehen. "Doch bei einigen Häusern ist der Weg noch recht weit", resümiert Cheftester Hüsgen.
In der Gesamtschau war von den Noten "sehr gut" bis "ausreichend" alles dabei. Ganz oben landete die Sparda-Bank Berlin, deren Berater vor allem beim renditeorientierten und beim offensiven Kunden punkten konnten. Besonderes Lob gibt es für die Vermögenschecks der Bank. "Die Tester wurden ausführlich interviewt und bekamen auch über die Empfehlungen hinaus Tipps rund ums Geldanlegen", erklärt Hüsgen.
Bei den konservativen Kunden schafften es die Berliner dagegen nur ins Mittelfeld. Gleiches Bild bei der Postbank, die es im Gesamtklassement zu Rang 2 brachte. Ihre Berater wurden insbesondere von den renditeorientierten Testkunden gelobt.
Diese sowie die offensiven Kunden wurden der Sparda-Bank Hessen und der HypoVereinsbank zum Verhängnis. Die Berater beider Institute erfragten kaum die Anlageziele dieser Kundengruppen. Ein echter Ausrutscher, denn dadurch passten die Empfehlungen kaum zu den Wünschen der Tester. Hinzu kommt, dass bei den Beratungsprotokollen eine Unterschrift des Kunden verlangt wurde. Hierauf sollten sich Bankkunden nie einlassen.
Beim konservativen Kunden konnten die beiden Banken hingegen zeigen, dass sie auch gute Beratung bieten können. Ein Sparbuch, das der HypoVereinsbank-Berater empfahl, ist für einen Kunden, der in erster Linie Sicherheit für sein Geld will, sicherlich nicht verkehrt.
Die beiden größten deutschen Banken, die Deutsche Bank und die Commerzbank, landeten in
der Gesamttabelle auf den Rängen 3 und 4. Bei den konservativen Anlegern machte die Commerzbank das Rennen.
Die Überraschung des aktuellen Tests war das Ergebnis der Münchner Bank. Das Institut, das zu den Genossenschaftsbanken gehört, ließ mit einer guten Beratung und stimmigen Produkten für offensive Kunden die Konkurrenz hinter sich.
Noch einige Baustellen
Trotz positiver Vorzeichen bleiben einige Baustellen: So fiel es Testern schwer, bei einigen Instituten den passenden Ansprechpartner zu finden. "Besonders in kleineren Filialen kam es vor, dass unsere Tester an größere Geschäftsstellen verwiesen wurden", so Hüsgen. Ebenso interessant: Die Provision, die der Berater respektive die Bank für den Verkauf einzelner Produkte erhält, wurde den Kunden bei der Hälfte der Gespräche auch auf Nachfrage nicht mitgeteilt.
Vorbereitung aufs Gespräch
Wer sich bei einer Bank beraten lässt, bemerkt oft sehr schnell einen gewaltigen Unterschied zwischen der Fachkompetenz des Beraters und dem eigenen Wissen. So geht es zumindest solchen Kunden, die keine Banklehre hinter sich haben. Um diese Lücke zumindest teilweise zu schließen, sollten sich Bankkunden darüber im Klaren sein, wie es um ihre Finanzen bestellt ist und was sie wirklich brauchen. "Viele Berater vergessen, den Kunden nach seiner gesamtwirtschaftlichen Situation zu fragen", sagt der zertifizierte Finanzplaner Arndt Stiegeler. Dann werde etwa ein Fonds verkauft, obwohl der Kunde eigentlich sein Minus auf dem Konto schneller tilgen könnte. Stiegeler, der auch selbst Finanzplaner schult, hat fünf Fragen zusammengestellt, die Kunden vor und in einem Beratungsgespräch berücksichtigen sollten:
Welche Risiken habe ich?
Es bringt nichts, Geld anzulegen, wenn gefährliche Risiken wie Berufsunfähigkeit nicht abgedeckt sind.
Wie ist es um meine Finanzen bestellt?
Die wenigsten wissen, was sie sich leisten können. Stiegeler rät, laufende Ausgaben (Lebenshaltung, Versicherungsprämien usw.) von den Einnahmen aus Gehalt, Vermietung und Kapital abzuziehen. Diesen Liquiditätsüberschuss kann man dann zur Hälfte anlegen. Der Rest sollte auf einem Tagesgeldkonto liegen, um Unvorhergesehenes wie eine kaputte Waschmaschine zu finanzieren. Wer Schulden hat, die nicht steuerlich genutzt werden können, sollte diese zunächst tilgen, bevor er überhaupt Geld anlegt.
Was brauche ich?
Geht es um das Thema Vorsorge, lohnt es sich zu rechnen, welche Lebenshaltungskosten im Alter auf einen zukommen. Dazu sollten die aktuellen Ausgaben analysiert und Kosten, die rund um den Job entstehen, davon abgezogen werden. Der Rentenbescheid gibt Auskunft über das, was man vom Staat erwarten kann. Wer mehr will, muss privat vorsorgen. Um ein einigermaßen stimmiges Bild von der Zukunft zu bekommen, sollte in jede Berechnung die Inflation mit rund zwei Prozent jährlich einfließen. In Sachen Anlageklassen gilt: Je näher die Rente, desto eher sind Produkte mit sicherer Rendite geeignet. Wer in
30 Jahren in Rente geht, kann schwankungsanfällige Investments wie Aktien eingehen.
Wie funktioniert das?
Grundsätzlich: Es gibt keine dummen Fragen. Fachbegriffe aus der Finanzwelt gehören gewiss nicht zur Allgemeinbildung. Wer beim Nachfragen den Eindruck gewinnt, dass der Berater selbst nicht versteht, worüber er spricht, sollte die Bank wechseln.
Wie groß ist mein Risiko? Und
wie kann ich das Produkt wieder verkaufen?
Diese beiden Fragen sollten in jedem Gespräch gestellt werden - sofern der Berater nicht von allein darüber aufklärt. Während auf den Informationsblättern zu Produkten inzwischen auf Risiken hingewiesen wird, sollten Kunden bei den Möglichkeiten, ihr Produkt wieder zu verkaufen, genauer hinhorchen. Insbesondere bei Geschlossenen Beteiligungen ist der Ausstieg schwer.
Auswertung des Beratungstests (pdf)