Kopf der Woche

Experte: Sich zu versichern, wird günstiger

aktualisiert 12.08.11 17:59 Uhr

Peter Stockhorst vom Direktversicherer Cosmos Direkt über sichere Renten, den Wandel der Branche, die Ideen der Kunden, und warum Geld bei Banken schlecht aufgehoben ist.

von Markus Hinterberger, €uro am Sonntag

Geht es in Ordnung, wenn ich das Jackett ablege?“ Peter Stockhorst braucht das erst gar nicht zu fragen, zum Interview in der Saarbrücker Cosmos-Direkt-Zentrale kommt er in Hemdsärmeln. Warum auch nicht? Ein Jackett würde den Schlacks mit dem bubenhaften Lächeln einengen. Wenn Stockhorst über Versicherungen und das Internet redet, spricht der ganze Oberkörper mit. Fürs Foto danach warf er sich dann doch ein Jackett über.

€uro am Sonntag: Herr Stockhorst, ist der Versicherungsvertreter eine aussterbende Spezies?
Peter Stockhorst:
Das glaube ich nicht, denn es wird immer Menschen geben, die vor Ort beraten werden wollen. Aber warum fragen Sie?

Der klassische Versicherungsvertrieb steht unter Druck: hohe Provisionen, Skandale wie zuletzt bei Ergo, darüber hinaus schließen immer mehr Kunden ihre Policen online bei Direktversicherern ab. Sind Sie und ihre direkten Wettbewerber bald unter sich?
Online ist der Mega­trend – und zwar in allen Branchen. Die Assekuranz ist da zwar etwas später dran, aber das Thema wird immer wichtiger. Wir wickeln bereits 60 Prozent unseres Geschäfts über das Internet ab. Dass sich die Branche verändern wird, ist völlig klar.

Was heißt das für die Kunden?
Sich zu versichern, wird günstiger.

Warum?
Online bedeutet größerer Druck auf Kosten und auf Margen. Ein Beispiel: Ich habe während meiner Ausbildung in den 1980er-Jahren noch das Hausinkasso durchgeführt. Das heißt, ich bin mit dem Moped von Kunde zu Kunde gefahren und habe die Prämien eingesammelt. Dafür bekam ich allein zwei Prozent Provision – dabei war ich nur das erste Glied in einer langen Verwaltungskette. Dementsprechend lag die Verwaltungskostenquote im Markt bei rund sechs Prozent. Heute wendet Cosmos Direkt 0,9 Prozent für die gesamte Verwaltung auf. Und das ist noch nicht das Ende dieser Entwicklung.

Zulasten der Be­ratungsqualität?
Keineswegs. Wir haben zwar keine Vertreter, die Kunden im Wohnzimmer besuchen, aber wir stehen als Team rund um die Uhr zur Verfügung. Es gibt bei Bedarf immer den persönlichen Ansprechpartner.

Aber spätestens der muss doch Geld kosten, sofern er nicht völlig unqualifiziert ist?
Klar, aber je mehr Menschen ihre Versicherung online abschließen, desto mehr Kunden werden bei uns versichert sein. Wir nutzen damit Skaleneffekte und setzen unsere Fachleute so ein, dass jeder Kunde kompetent beraten wird.

Was halten Sie von Honorarberatern?
Honorar oder Provision – wir empfehlen den direkten Abschluss. Diese direkte Beziehung zwischen Kunde und Versicherer sorgt dann für die Kostenvorteile.

Aber billig allein reicht oft auch nicht.
Wenn ich als Kunde weiß, was ich will, spielt der Preis eine zentrale Rolle. Je geringer die Kosten, desto mehr bleibt beim Kunden hängen. Das macht sich vor al­lem in der Altersvorsorge bemerkbar.

Auf diesem Gebiet hat sich der Bundesfinanzminister bei Ihrer Branche nicht gerade beliebt gemacht, als er den Garantiezins für Lebens- und Rentenpolicen von 2,25 Prozent auf 1,75 Prozent gesenkt hat.
Das ist nicht schön, aber die Gesamtverzinsung einschließlich der Überschussbeteiligung ist davon ja nicht berührt, und ich denke, dass wir im Markt auf dem Niveau von 4,1 Prozent oder etwas niedriger bleiben werden. Die Lebensversicherung bei einem soliden Anbieter ist damit weiter attraktiv im Vergleich zu anderen Anlageformen. Aber ich gebe Ihnen auch recht. Der garantierte Teil der Verzinsung sinkt, und daher kann ich einem Kunden nur raten: Wenn er jetzt etwas für seine Altersvorsorge tun will, dann sollte er es noch in diesem Jahr tun.

Also blasen Sie zum Schlussverkauf?
Nicht auf Teufel komm raus. Aber jemand, der sowieso etwas für seine Vorsorge tun will, sollte sich die höhere Garantie vor dem Jahreswechsel sichern.


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Und danach?
Da ist mir auch nicht bange. Wie gesagt, wir haben noch eine Menge Potenzial auch mit der angepassten Garantieverzinsung.

Aber hat sich die klassische Rentenversicherung, in die Kunden regelmäßig einzahlen und Versicherer die Prämien nach sehr strikten Vorgaben anlegen müssen, nicht überholt?
Ich glaube weiter an die Lebens- und Rentenversicherung, aber ich denke auch, dass wir diese Produkte erneuern müssen. Wir haben als Branche einen einzigartigen Vorteil. Wir garantieren eine lebenslange Rente. Das kann sonst niemand – und erst recht keine Bank. Jeder Mensch sollte sich um seine Altersvorsorge bis zum Lebensende kümmern. Wir müssen alte Stärken und neues Kundenerleben zusammenbringen, also eine lebenslange Rente garantieren und sie einfacher und flexibler gestalten.

Wie geht das?
Indem wir jedem Kunden sagen, was er tatsächlich netto zum Rentenbeginn erwarten kann.

Also Schluss mit der „Blackbox Rentenversicherung“, in die nur Versicherungsmathematiker einen Blick werfen können?
Die neue, flexible Vorsorge soll so gut sein wie eine Rentenversicherung, aber so flexibel wie Tagesgeld auf einem Onlinekonto. Sie sehen immer, was Sie netto bekommen, jederzeit. Sie müssen sich also keine Gedanken über eine Gesamtkostenquote machen. Denn Sie sehen sofort, was Sie am Ende bekommen. Das heißt, ich bekomme bei unserem Produkt, das wir auch entsprechend „Flexible Vorsorge“ genannt haben, 1,5 Prozent im ersten Jahr und derzeit vier Prozent im sechsten Jahr.
... und danach?
Bekommen Sie die genannten vier Prozent einschließlich Überschussbeteiligung.

Netto?
Ja, da wir unsere Kosten bereits abgezogen haben. Sie haben nicht, wie bei der klassischen Rentenpolice, durch die Abschlusskosten zunächst ein Minus. Wir kalkulieren so, dass Sie schon am Anfang und damit jederzeit im Plus sind.

Die klassische Rentenversicherung wird also immer unwichtiger?
Früher hatten wir im Markt vor allem die Rentenversicherung mit regelmäßigen Beiträgen. Wir haben hier heute mehr und mehr Einmalbeiträge. Das bedeutet, dass die Instrumente im Kundensinne ­flexibler werden. Als Cosmos Direkt haben wir etwa bei den Einmalbeiträgen der Basisrente einen Marktanteil von sieben Prozent. Das liegt weit über unserem üblichen Marktanteil. Wir haben also noch großes Potenzial.

Woran machen Sie das fest? In Frankreich ist die Lebensversicherungsdichte deutlich höher als in Deutschland. Dort verlaufen die Grenzen zwischen Versicherungen und Banken anders. Als Lebensversicherer müssen wir einmal schauen, was niedrig verzinst auf Girokonten und Sparbüchern liegt und dem Kunden vielleicht 0,5 Prozent Verzinsung bringt. Da können wir als Cosmos Direkt mit unserer Gesamtverzinsung von brutto 4,25 Prozent oder unserer Flexiblen Vorsorge klar punkten.

Sie wollen also im Revier der Banken „wildern“? Ein Tagesgeldkonto mit aktuell 1,75 Prozent Zinsen bieten Sie ja schon.
Wildern klingt, als sei es das Geld der Banken, aber es ist das Geld der Kunden. Und der Kunde entscheidet. Wir können dem Kunden Vorteile wie – im Vergleich zu Sparbüchern – höhere Zinsen und schlüssige Vorsorgekonzepte bieten. Obendrein gibt es aufgrund der Verrentung Steuervorteile.

Das klingt danach, als würde sich Cosmos Direkt immer mehr zum Finanzdienstleister entwickeln?
Im Gegenteil, wir überlegen sogar, ob wir weitere Versicherungssparten eröffnen. Seit 2010 bieten wir Reisekranken- und Reise­rücktrittsversicherungen an.

Werden weitere Sparten folgen?
Das lasse ich noch offen. Vielleicht kommt der nächste Impuls aus unserem Kundenforum. Wir haben dieses vor etwas über einem Monat gestartet. Im „IdeenCosmos“, so der Name unserer Onlineplattform, möchten wir von unseren Kunden wissen, wie wir uns aus ihrer Sicht weiterentwickeln sollen. Nach wenigen Tagen hatten wir mehr als 1.000 Nutzer. Der erste Ideenwettbewerb dreht sich um die flexible Vorsorge.

Wird im Forum auch über Unisextarife diskutiert?
Noch nicht, aber ich bin sicher, das wird kommen, wenn der Termin näher rückt. Wir werden den Kunden raten, gegebenenfalls geschlechtsspezifische Vorteile noch zu nutzen.

Klingt so, als würden die Einheitstarife, die Frauen und Männer gleichstellen, eher teurer werden.
Versicherungsmathematisch betrachtet müsste es für die Gesamtheit etwa in der Risikolebensversicherung teurer werden, aber der Wettbewerb wird dafür sorgen, dass die Preise für den Kunden sinken.

Ihr Haus ist seit Jahren profitabel und als Direktversicherer für ein solches Szenario schlank genug aufgestellt, aber werden Unternehmen wie ihre auf Vertreter und Vorortvertrieb basierende Schwester Generali es künftig schwerer haben?
Dazu möchte ich mich nicht äußern. Als Cosmos Direkt sehen wir für den gesamten Markt die Herausforderung, schneller und günstiger zu werden. Der Online­trend hat Auswirkungen auf jede Vertriebsform. Bei den Banken haben wir das schon gesehen. Fast jede Bank bietet inzwischen Onlinebanking. Wir müssen uns neu erfinden, sonst werden wir neu erfunden.

zur Person:

Peter Stockhorst
Versicherungschef

Der heute 45-Jährige studierte Betriebswirtschaftslehre an der FH Köln. Bereits vor seinem Studium hatte der gebürtige Duisburger bei der Generali-Gruppe (damals noch AMB ­Generali) gearbeitet. Nach verschiedenen Stationen, unter anderem in der Unternehmens­entwicklung, wurde er 2008 Chef von Cosmos Direkt.