DIW-Studie zeigt aktuelle Gender Pay Gap: Bereits nach dem Abitur rechnen Frauen mit niedrigerem Gehalt als Männer
Die Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaft Berlin (DIW) hat die Einkommenserwartungen von jungen Frauen und Männern untersucht, welche gerade ihr (Fach-)Abitur erworben haben. Die Basis dafür bildete das Berliner-Studienberechtigten-Panel (Best-Up).
Weshalb fürchten Frauen Lohnunterschiede?
Kurz zum Verständnis: Die Gender Pay Gap beschreibt die vorherrschende geschlechterspezifische Lohnlücke, welche weltweit ein Problem darstellt. Diese lag in Deutschland im Jahre 2021 bei 18 Prozent, so die Daten des Statistischen Bundesamts. Wie eurostat zeigt, ist Deutschland hiermit führend im Vergleich zu den anderen Ländern in der EU. Doch es gab hierbei bereits positive Entwicklungen. So hat sich das Gehalt von Männern und Frauen über die letzten Jahre immer weiter angeglichen, dies gilt allerdings nur für jüngere Altersgruppen, zeigt der DIW-Wochenbericht 9. Trotz dieser Entwicklung fürchten viele Abiturientinnen in Zukunft weniger Lohn zu bekommen als ihre männlichen Kollegen. Wie schon angekündigt basiert die Analyse auf dem Berliner-Studienberechtigten-Panel (Best-Up), hierbei wurden junge Erwachsene nach dem erfolgreichen Abschluss der Oberstufe befragt, welche Gehaltserwartungen sie im Hinblick auf einen Vollzeitjob im Alter von 35 Jahren haben. Die Untersuchungen haben ergeben, dass Abiturientinnen ihr Gehalt, mit Hochschulabschluss, im Schnitt um 15,7 Prozent niedriger einschätzen als das Gehalt der Abiturienten. Im Fall eines Masterabschlusses wird 13,8 Prozent weniger Einkommen erwartet, im Fall eines Bachelorabschlusses wird sogar 18,7 Prozent weniger Einkommen von den Abiturientinnen erwartet. Entscheiden sich die Abiturientinnen für eine Berufsausbildung, liegt hier die Erwartung einer Lohnlücke bei 13 Prozent. Man erwartet also trotz Hochschulabschluss eine steigende Lohnlücke zwischen Mann und Frau, der tatsächliche Gender Pay Gap folgt tatsächlich genau dieser Erwartung, so das DIW. So betrug das reale Durchschnittseinkommen eines Mannes mit Bachelorabschluss im Alter von 33 bis 37 Jahren, in Vollzeit arbeitend, 2.739 Euro. Bei Frauen waren es 2.070 Euro. Diese Zahlen muss man im zeitlichen Rahmen der Befragung sehen, welche 2014 stattfand. Vor allem Abiturientinnen überschätzen ihr zukünftiges Einkommen also deutlich, nämlich um 22 Prozent. Bei Männern betrug der Abstand 13 Prozent. Der erwartete Gender Pay Gap im Einkommen lag also niedriger als der tatsächliche unbereinigte Gender Pay Gap des Jahres 2014, der bei 22,3 Prozent lag. Hierbei sei etwas zur Methode erwähnt: Die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) erklärt, dass ein es einen Unterschied zwischen dem unbereinigten und bereinigten Gender Pay Gap zu beachten gilt. In bereinigten Gender Pay Gap Statistiken werden unterschiedliche Qualifikationsgrade, Ausbildungshintergründe und Alter versucht herauszurechnen, um so Verzerrungen zu vermeiden. In den amtlichen Statistiken kommt meistens der unbereinigte Gender Pay Gap zum Einsatz. Die Kritik am bereinigten Gender Pay Gap lautet, dass hier allgemeine Ungleichheitsstrukturen auf dem Arbeitsmarkt nicht berücksichtigt werden. Beispielsweise, dass meistens Frauen ihre Erwerbstätigkeit für die Familienzeit unterbrechen. Bei Betrachtung des bereinigten Gender Pay Gap, würde dieser von 22 Prozent (unbereinigt) auf gerade einmal sieben Prozent sinken, so die Daten aus dem Jahre 2012. Die Kritik am unbereinigten Gender Pay Gap liege darin, dass der tatsächliche Verdienstabstand überschätzt werde, da hier "Äpfel mit Birnen" verglichen werden würden. So liege keinesfalls eine strukturelle Diskriminierung vor, sondern es beruhe vielmehr auf der individuellen Entscheidung der Frau selbst, welche die freie Berufswahl besitzt und Verdienstmöglichkeiten marktwirtschaftlich einordnen muss.
Was sind die Gründe für den Gender Pay Gap?
Die meisten Frauen erwarten einen erhöhten Lohnunterschied aufgrund von zukünftigen familiären Verpflichtungen. Tatsächlich ist dies auch der Grund, welcher 43 Prozent des vom DIW untersuchten Gender Pay Gap erklären kann. Frauen, die sich später mehr Zeit für die Familie wünschen, haben dementsprechend eine deutlich niedrigere Einkommenserwartung als Frauen ohne diese Präferenz. Männer sehen im Schnitt weniger einen Konflikt zwischen ihrer Karriere und Familie. Es kann also ein großer Teil des Lohnunterschiedes damit erklärt werden, dass Frauen im Gegensatz zu Männern eher erwarten, mehr Zeit in die Familienzeit stecken zu müssen oder zu wollen. Die Präferenz für mehr Familienzeit ist bei Frauen allerdings nicht größer als bei den Männern, so das DIW. So wünschen sich Männer genau so viel Zeit mit der Familie wie Frauen. Es kann außerdem nicht ausgeschlossen werden, dass der Einkommensunterschied auch aus einer angenommenen Arbeitszeitreduzierung resultiert. So arbeiten Männer in Vollzeit im Schnitt 42,1 Stunden pro Woche und Frauen 40,3. Dies könnte auch erklären, weshalb Frauen ihre Einkommenserwartungen herunterschrauben. Die (bpb) berichtet weiter von einer Segregation des Arbeitsmarktes. Bedeutet, dass sich die Erwerbstätigkeiten von Männern und Frauen stark branchenspezifisch unterscheiden. So ist der Frauenanteil im Niedriglohnbereich immer noch sehr hoch. Es dominieren hier vor allem die Bereiche Reinigung (83 Prozent), Verkauf (73 Prozent) und der Gesundheitsbereich (77 Prozent). Auch der weibliche Anteil der Studienanfängerinnen in den MINT-Fächern liegt seit 2000 bei 30 Prozent.
Lösungen zur Überwindung des Gender Pay Gap
Vorneweg sei hier einmal gesagt, dass es je nach Methode, mehr oder weniger Probleme zu lösen gibt. Betrachtet man die Daten zum bereinigten Gender Pay Gap, so scheint es sich hier schlicht und ergreifend, um eine natürliche Lohnlücke zu handeln, da laut Verfechtern die Frauen hierbei die Lohnlücke freiwillig akzeptieren. Beruft man sich auf die Methode des DIW, welche mit dem unbereinigten Gender Pay Gap argumentiert, so scheint es hier Aufgabe der Politik zu sein dieses Problem zu lösen, dies ist auch der Ansatz des DIW. So sollten laut DIW, Maßnahmen getroffen werden, welche Frauen dazu ermutigen, Karrieren mit höheren Verdiensten einzuschlagen. Hierfür müsse einmal die Vereinbarkeit von Familien- und Erwerbsarbeit verbessert werden, es müssen also Anreize geschaffen werden, die dazu führen, dass sich Männer und Frauen die Familienarbeit gleichmäßiger aufteilen. Es bräuchte ebenfalls weiter einen Ausbau der Kindertagesbetreuung, insbesondere ganztägige Angebote, die somit die Vereinbarkeit von Familie- und Erwerbsarbeit unterstützen kann. Junge Frauen in Führungspositionen können außerdem weiter mehr Frauen dazu ermutigen, höhere Karrierepfade anzustreben. Weitere Maßnahmen können sein, Einkommenserwartungen etwas abzusenken. So hat die Analyse des DIW ergeben, dass Frauen ihr zukünftiges Einkommen tatsächlich höher einschätzen als Männer. Man müsse also einen Mittelweg finden, Frauen nicht zu entmutigen und die Einkommenserwartung versuchen, an die Realität angleichen. Hierfür bräuchte es verstärkt Informationskampagnen, welche über eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf aufklären und auch auf aktuelle Politikmaßnahmen hinweisen, die im Sinne der Gleichstellung erfolgen.
Redaktion finanzen.net
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